Instrumente gegen Abwanderung
IOS Regensburg beteiligt an internationalem Projekt zu Migration im Donauraum

02.09.2020 | Stand 24.07.2023, 20:54 Uhr
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Sie liegen am selben Fluss, müssen aber mit ganz unterschiedlichen Herausforderungen umgehen: Während österreichische oder süddeutsche Donaustädte stetig wachsen, ist weiter flussabwärts oft das Gegenteil der Fall. Aus südosteuropäischen Städten im Donauraum wandern seit Jahren verstärkt hochqualifizierte Arbeitskräfte ab.

Regensburg. Ein EU-gefördertes, internationales Forschungsprojekt unter Beteiligung des Regensburger Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung (IOS) soll nun helfen, diese Migration besser zu verstehen und Instrumente gegen die Abwanderung zu entwickeln. Aber auch Städte wie Regensburg sollen von dem Projekt profitieren. Das Projekt mit dem Namen „TalentMagnet“ läuft in diesen Wochen an. Es wird von der Europäischen Union im Rahmen des „Interreg – Danube Transnational Programme“ für mehr als zwei Jahre gefördert. Unter der Koordination des Wissenschaftlichen Zentrums des slowenischen Stadt Ptuj arbeiten dafür 29 Partner aus elf europäischen Ländern zusammen: Darunter sind Kommunen oder Entwicklungsagenturen aus Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Österreich, Kroatien, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ukraine und Ungarn – und eben als Forschungspartner aus Deutschland das IOS.

Länderübergreifend ist auch die Entwicklung, mit der sich das Projekt beschäftigt: Die südosteuropäischen Staaten entlang der Donau und ihrer Zuflüsse erfahren in den letzten Jahren, verstärkt nach ihrem Beitritt zur EU oder der Assoziierung mit dieser, eine starke Abwanderung von Arbeitskräften. Dagegen sind die Regionen donauaufwärts, etwa Österreich, Bayern und Baden-Württemberg, regelrechte Zuwanderungsmagneten, nicht zuletzt für Menschen aus Südosteuropa. Teilweise sind diese Gegenden ohnehin schon durch ältere Migrationsnetzwerke, beispielsweise aus der Zeit der sogenannten Gastarbeitermigration, eng verbunden.

„Für die Menschen, gerade für gut qualifizierte, in den weniger wohlhabenden Teilen der Region bedeuteten die neuen Migrationsmöglichkeiten die Chance, ihre Ambitionen zu realisieren oder wenigstens den Lebensstandard ihrer Familien zu verbessern“, erklärt Prof. Ulf Brunnbauer, Wissenschaftlicher Direktor des IOS. „Für die von starker Abwanderung betroffenen Gemeinden ergeben sich allerdings viele negative Folgen aus diesem sogenannten Brain-Drain.“ Diese Kommunen verlieren kreative Köpfe und Fachkräfte; Betriebe verspüren einen wachsenden Arbeitskräftemangel; Schulen und Kindergärten werden immer leerer und müssen teils schließen, da junge Familien ihren Lebensmittelpunkt ins Ausland verlagern; es fehlt Gesundheitspersonal, wie in Zeiten einer Pandemie besonders schmerzlich spürbar wird; den älteren Generationen fehlt der Kontakt zu ihren Kindern und Enkeln (und umgekehrt).

Hier setzt „TalentMagnet“ an. Das Projekt zielt vor allem darauf, mittelgroßen Städten in der Donauregion dabei zu helfen, Instrumente zu entwickeln, um ihre jungen Leute zum Bleiben oder zur Rückkehr zu motivieren. Dabei geht es nicht nur um die Schaffung von attraktiven Arbeitsplätzen, sondern um die Verbesserung der Lebensqualität im weiteren Sinn. So fließen auch das kulturelle Angebot, die Qualität der Infrastruktur oder der Luft, die Möglichkeiten der Kinderbetreuung sowie Freizeit- und Naherholungsmöglichkeiten in die Überlegungen ein, zu gehen oder zu bleiben. Dieser praktische Fokus des Projekts drückt sich darin aus, dass die meisten Projektpartner Stadtgemeinden, Entwicklungsagenturen und NGOs sind. Das IOS, das schon Erfahrung mit ähnlichen Projekten gesammelt hat, fungiert als wissenschaftlicher Partner.

Das Regensburger Institut wird einerseits die Migrationsdynamiken in Städten des Donauraums und andererseits die Sinnhaftigkeit von Politikrezepten analysieren. „Von den Erfahrungen, die wir bei dem Projekt sammeln, sollen aber nicht nur Kommunen in Südosteuropa profitieren, sondern auch Städte wie Regensburg“, erläutert Brunnbauer. „Regensburg ist seit Langem für Menschen aus dem Ausland attraktiv, und ein Großteil der Neubürger stammt aus den Regionen donauabwärts, darunter sind viele Fachkräfte wie Pfleger oder Ärztinnen. Das Projekt wird uns helfen, die Menschen und ihre Motive auszuwandern besser zu verstehen und ihnen damit die Integration zu erleichtern.“

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