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Wirtschaftsgespräch auf der roten Couch

12.07.2018 | Stand 31.07.2023, 9:32 Uhr
−Foto: n/a

Wirtschaftsforum Regen e.V. holt Landrätin Rita Röhrl und Unternehmer Prof. Dr. Andreas Buske in den Spiegelsaal – Diskussion über aktuelle Themen und „heiße Eisen“ im Landkreis.

LUDWIGSTHAL Die Regener Landrätin und der Chef des größten Zwieseler Unternehmens auf einem Sofa, gespannt beobachtet von 50 Unternehmern und Gästen. Das gibt es nicht alle Tage. Umso spannender ging es beim ersten Wirtschaftsgespräch des Wirtschaftsforums Regen e.V. im Spiegelsaal von Schluss Ludwigsthal zu. Rita Röhrl und Prof. Dr. Andreas Buske, der Vorstandsvorsitzende der Zwiesel Kristallglas AG, nahmen Platz auf der roten Couch – und Stellung zu „heißen Eisen“ im Landkreis und Themen, die die Bürger vor Ort bewegen.

„Wir sind ein langweiliges Podium, weil wir gar nicht streiten“, meinte Rita Röhrl am Ende. Recht hatte sie nur zum Teil: Gestritten wurde im Spiegelsaal nicht, angeregt diskutiert aber schon. Das Wirtschaftsforum holte nicht nur eine Politikerin und einen Unternehmer zum Wirtschaftsgespräch ins Schloss. Sondern auch zwei redegewandte Gesprächspartner, die sich gegenseitig sichtlich schätzten, miteinander für die Region brennen, fair und auf Augenhöhe diskutierten, oft einer Meinung waren - und viel zu sagen hatten. Eins war das Wirtschaftsgespräch trotz aller Harmonie auf dem Sofa sicher nicht: langweilig. Von Prof. Dr. Andreas Buske und Rita Röhrl gab es auf die Fragen der Moderatoren erfrischend-ehrliche Antworten, manches zum Schmunzeln, aber auch Kritisches zu aktuellen Herausforderungen für den Landkreis.

Franz Hollmayr, Vorsitzender des Wirtschaftsforums, Markus König, Leiter der geschäftlichen Aktivitäten, und Frank Henzler, Vorsitzender vom Förderverein Pro Nationalpark e.V., freuten sich über das Interesse am ersten Wirtschaftsgespräch. Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft kamen ins Schloss Ludwigsthal, darunter stellvertretender Landrat Willi Killinger, ARBERLAND REGio GmbH-Geschäftsführer Herbert Unnasch, Bürgermeister, Kreis- und Gemeinderäte, Vertreter der Unternehmen, Banken und Behörden, IHK-Gremiumsvorsitzender Franz Birnbeck und Armin Meier von der Handwerkskammer.

Franz Hollmayr und Markus König moderierten die Fragerunde. Es ging unter anderem um Fachkräfte, Gesundheitsversorgung, Breitbandausbau, Tourismus, die wirtschaftliche Lage, den ÖPNV, aber auch um internationale Politik oder die Ziele für die Zukunft bei der Zwiesel Kristallglas-Unternehmensgruppe mit Zwiesel Kristallglas AG, IPROTec GmbH, Ullrich GmbH und DMW und ihren insgesamt über 900 Mitarbeitern. Auch die Besucher brachten sich engagiert ein. Etliche meldeten sich zu Wort, machten ihren Standpunkt und mögliche Brennpunkte im Landkreis klar oder nutzen die Gelegenheit, Rita Röhrl und Prof. Dr. Andreas Buske Fragen zu stellen – die auch ausführlich beantwortet wurden, sei es zur Zukunft der Pflegeberufe und der Glasbranche bis zu Fördermöglichkeiten, einem möglichen Digitalbonus für Freiberufler, den kulturellen Angeboten oder Infrastrukturmaßnahmen. Franz Hollmayr erklärte bei der Begrüßung die Idee des Wirtschaftsforums, wichtige Themen aus der Region künftig regelmäßig bei Wirtschaftsgesprächen auf den Punkt zu bringen.

Fachkräfte halten, zurückholen, fürs Arbeiten im Landkreis begeistern. Das ist aktuell eine der großen Herausforderungen. Für Politik und Wirtschaft. „Das Thema wird uns über Jahre begleiten“, machte Rita Röhrl klar. Ihrer Meinung nach sollte man sich nicht zu sehr auf „Rückholaktionen“ für Studenten konzentrieren. Dadurch kämen Leute in den Landkreis zurück, aber nur vereinzelt. „Unser Hauptziel sollte es sein, die Jungen gleich zu halten und ihnen zu zeigen, dass sie gar nicht weggehen müssen, um beruflich etwas zu erreichen.“ Die Landrätin freut´s, dass es im Landkreis immer mehr Einpendler gibt, sprich Fachkräfte, die zum Arbeiten ins Arberland fahren. „Allein, wenn man in der Früh über die Rusel fährt, sieht man, dass einem heute viel mehr Leute entgegenkommen. Wir haben etliche Einpendler-Firmen, zum Beispiel Rohde & Schwarz“, so Rita Röhrl.

„Wir müssen uns auch fragen, ob es richtig ist, unsere Jugendlichen und jungen Erwachsenen immer an die Unis zu drängen. Sie gehen uns in der Region ab, außerdem kann man auch ohne Studium Karriere machen“, gab Rita Röhrl zu bedenken. Auch Prof. Dr. Andreas Buske wünschte sich Ideen, um diejenigen, die im Landkreis wohnen, aber auspendeln, zum Umdenken zu bewegen. Große Unternehmen wie die Zwiesel Kristallglas AG hätten es noch leichter, Mitarbeiter zu gewinnen als kleine Betriebe. „Auch wir müssen aber richtig aktiv sein und einiges tun“, stellte Prof. Dr. Buske klar. 40 offene Stellen habe die Zwiesel Kristallglas AG derzeit. Vor zwei Jahren waren es noch 90, also mehr als doppelt so viele. „Wie schafft man es, in recht kurzer Zeit trotz des Fachkräftemangels und des demographischen Wandels so viele Stellen zu besetzen“, wollten die Moderatoren wissen. Prof. Dr. Andreas Buske machte klar, dass das keine einfache Aufgabe sei. „Wir haben alle Register gezogen, zum Beispiel viel mit den Schulen, aber auch mit Headhuntern zusammengearbeitet, waren medial präsent, haben Angebote wie Mitarbeiter werben Mitarbeiter.“ Stark machten sich Prof. Dr. Andreas Buske und Landrätin Rita Röhrl für die klein- und mittelständischen Betriebe, gerade im Handwerk. Es sei nicht leicht für kleine Firmen, gleichzeitig Kunden gerecht zu werden, ihre Arbeit zu machen und aufwändig Nachwuchs zu suchen. „Jeder Handwerksbetrieb lebt von der Leidenschaft seiner Mitarbeiter, aber die muss man erstmal bekommen.“ Auch den Zuhörern lag dieses Thema am Herzen. Gerade kleine Betriebe mit vier, fünf Mitarbeitern bräuchten mehr Unterstützung und Wertschätzung. „Handwerker sind für uns alle lebenswichtig, in ein paar Jahren werden die Leute auf Knien darum flehen, dass ein Handwerker kommt.“

„Wir sollten uns nicht kleiner reden als wir sind“, das würde sich Landrätin Rita Röhrl wünschen, wenn es ums Image der Region geht. Auch, wenn es in manchen Bereichen noch Luft nach oben gebe. „Viele unserer Unternehmen holen Auszeichnungen, sie stehen im Focus und in anderen Medien, gehören zu den Marktführern weltweit, in Europa oder in Deutschland. Und die meisten Leute, die zu uns kommen, sind begeistert“, verdeutlichte die Landrätin. Das Image des Landkreises sei nicht schlecht. „Bei uns ist etwas geboten. Wir müssen es aber noch besser schaffen, den Wert dessen, was wir im Landkreis schon haben, nach innen zu transportieren“, forderte sie. Prof. Dr. Andreas Buske machte klar, wie sehr manche Diskussionen dem Image der Region schaden: „Wir tragen den Namen Zwiesel mit unseren Gläsern voller Stolz und aus Überzeugung millionenfach im Jahr nach draußen. Wenn dann in Zwiesel über Veranstaltungen wie die Glasnacht diskutiert wird, ist das traurig und schlecht für das Image. Eine Person bringt hier viel zum Stillstand“, sagte Buske klipp und klar.

Ein Dauerbrenner im Landkreis ist der ÖPNV. „Hier tut sich viel, es ist aber noch Luft nach oben“, fand die Landrätin. „Herzlichen Glückwunsch. Wenn jemand ohne Auto von Prackenbach nach Bayerisch Eisenstein kommt, muss er schon etwas Zeit mitbringen.“ Einig waren sich Rita Röhrl und Prof. Dr. Andreas Buske, dass man gerade beim Nahverkehr ohne Grenzen denken müsse. „Wir brauchen keinen Bus oder Zug bis zur Landkreis- oder Landesgrenze, sondern die gute Anbindung darüber hinaus in alle Richtungen.“

Ziel sei es nicht, den ländlichen Raum so aufzustellen wie den Münchner Stachus. „Wir wollen manches ja gar nicht. Zudem müsse man auch die schrittweisen Verbesserungen würdigen und nicht den Blick auf das Endziel richten. Wenn bei uns jeder auf ein 50Mbit-Internet kommt, passt´s erst einmal ja, es müssen nicht sofort überall 120Mbit sein“, meinte Prof. Dr. Andreas Buske zum Beispiel beim Breitbandausbau. Er ist seit 17 Jahren beruflich im Landkreis – und machte seiner neuen Heimat fast eine Liebeserklärung: „Es gibt Dinge, die verbesserungswürdig sind, aber auch viel Positives. Wir leben in einer traumhaften Gegend mit tollen Betrieben und Menschen, die unwahrscheinlich Herzblut für ihre Region zeigen. Viele Projekte, die hier zusammen entstehen, wären anderswo nicht möglich“, betonte er. Wir müssen alle noch mehr an einem Strang ziehen und unsere Themen gemeinsam anpacken. Dann sind wir in 17 Jahren nicht nur gut dabei, sondern mit vorne dran“, so Buske.

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