Weitere Straße unter Nazi-Verdacht
Wilhelm Schefbeck war im Dritten Reich aktiv – soll nach ihm eine Straße heißen?

09.07.2017 | Stand 29.07.2023, 20:19 Uhr
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Wilhelm Schefbeck, geboren 1863 in Straubing, studierte nach dem Abitur Pharmazie in Erlangen und kaufte 1893 die Kelheimer Stadtapotheke. 20 Jahre später, im Befreiungshalle-Jubiläumsjahr 1913, unterzeichnete er für den "Corpsphilisterverband Regensburg" einen Vertrag mit dem "Kahnführerverein Kelheim-Weltenburg", der die Modalitäten des Transports der Burschenschaftler regelte. Politisch standen die Studentenverbindungen für übersteigerten Nationalismus sowie Antisemitismus. Schon lange vor Hitlers sogenannter Machtergreifung am 30. Januar 1933 war Schefbeck ein überzeugter Nationalsozialist.

KELHEIM In einem Nachruf, er starb 1939, im "Altmühl-Bote" betonte Bürgermeister Dr. August Donderer (NSDAP), "daß er zu den ersten gehörte, die aktiv innerhalb der nationalsozialistischen Bewegung tätig waren". Der frühere Stadtchronist Rudibert Ettelt schilderte in "Geschichte der Stadt Kelheim vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis 1933" die Störung einer Versammlung der Bayerischen Volkspartei (BVP) in Kelheim im November 1930 durch Nazis: "Als der Saal sich füllte, sammelten sich draußen die Nationalsozialisten, angeführt von Dr. Donderer und Apotheker Schefbeck ... Dr. Donderer und Schefbeck benahmen sich wie Rabauken, ließen alle akademischen Umgangsformen vermissen."

Schefbeck hätte seinen Mitarbeiter retten können

Das zahlte sich für den Stadtapotheker aus, bis 1935 war er stellvertretender Bürgermeister Kelheims, ab 1934 NSDAP-Kreisrichter. Im Frühjahr 1933 wurde Schefbecks Mitarbeiter Robert Häfner von der Bayerischen Politischen Polizei, einer Vorläuferorganisation der Gestapo, verhaftet und ins Konzentrationslager Dachau gebracht. Die Rolle Schefbecks bei dieser Aktion lässt sich nicht mehr mit Sicherheit klären, fest steht aber, dass der Apotheker genügend Einfluss gehabt hätte, die Deportation Häfners zu verhindern, er aber nichts für seinen Mitarbeiter unternahm.

Wegen "außerordentlicher Verdienste um die Stadt, insbesondere als Vorsitzender des Historischen Vereins u. als Führer der freiwilligen Sanitätskolonne" erhielt Schefbeck am 9. Februar 1933 die Ehrenbürgerwürde Kelheims. Der frühere Stadtarchivar Erich Hafner bejubelte noch 2010 sein "tatkräftiges und uneigennütziges" Engagement für den Verein, dem er von 1932 bis zu seinem Tod 1939 vorstand, ohne auch nur ein Wort über dessen braune Vergangenheit zu verlieren.

Ehrenbürgerwürde "in einem Aufwasch" aberkennen

Am 22. Oktober 1933 wurden anlässlich ihres Besuchs auf der Befreiungshalle auch Hitler und SA-Stabschef Ernst Röhm Ehrenbürger Kelheims. Diese Auszeichnung wurde dem Diktator mit einstimmigem Stadtratsbeschluss am 24. November 2008 wieder aberkannt. Im Vorfeld hatte die Stadträtin Christiane Lettow-Berger (Grüne) gefordert, zu klären, ob "noch andere Nazigrößen auf der Ehrenbürgerliste stehen". Falls dem so sei, sollte die Aberkennung "in einem Aufwasch" gemacht werden. Davon fühlte sich der damalige Stadtarchivar Hafner – aus welchen Gründen auch immer – offensichtlich nicht angesprochen, er lieferte jedenfalls nichts. Deshalb hatte sich der Kelheimer Stadtrat am 23. Februar 2015 mit der „Aberkennung der Ehrenbürgerwürde von Kelheimer Bürgern mit nationalsozialistischer Vergangenheit“ auseinanderzusetzen.

Stadtrat distanzierte sich von Nazi-Größen

Nachdem der Geschäftsleitende Beamte Georg Sinzenhauser die von Stadtarchivar Dr. Wolf-Heinrich Kulke sehr akribisch recherchierten historischen Fakten vorgetragen hatte, beschloss der Stadtrat einstimmig, dass "sich die Stadt Kelheim ausdrücklich von Wilhelm Schefbeck und Ernst Röhm und deren nationalsozialistischer Vergangenheit bzw. Tätigkeit distanziert". Der Antrag Christine Lettow-Bergers, die Wilhelm-Schefbeck-Straße umzubenennen, wurde in den Ausschuss für Wirtschaft, Tourismus und Kultur verwiesen, der am 5. Mai zusammentritt. Anschließend wird sich der Stadtrat nochmals damit befassen.

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