"Das Image ist das Problem"
Wer kümmert sich um Oma und Opa? Die Pflegebranche braucht dringend Fachkräfte!

09.07.2017 | Stand 29.07.2023, 23:37 Uhr
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Seit Jahren ist der Fachkräftemangel in der Pflege in aller Munde – doch statt eine Lösung zu finden wird das Problem mit dem demographischen Wandel sogar noch größer. Pflegedienste und Seniorenheime kämpfen um Fachkräfte und werben sogar Personal im Ausland an, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Dabei kommt fast jeder einmal in die Situation, dass er Pflege braucht und dann will man schließlich auch von gut ausgebildeten Fachkräften umsorgt werden. Doch warum möchten so wenige Menschen in diesem Beruf arbeiten?

LANDKREIS KELHEIM Das Wochenblatt hörte sich bei Einrichtungen in der Region um, wie sie mit dem Pflegekräftemangel umgehen und was sie tun, um mehr Menschen für diesen Beruf zu begeistern. "Es ist sehr schwierig überhaupt Fachkräfte zu finden, groß auswählen ist nicht möglich", sagt Ludwig Zwerger, Heimleiter bei der Caritas in Neustadt an der Donau. "Manchmal sind offene Stellen für Fachkräfte erst nach wochenlanger Suche zu besetzen", klagt auch Kristina Kolbeck, Heimleiterin des Seniorenheimes in Kelheim.

Abschlüsse aus dem Ausland werden nicht anerkannt

Auch Dorothea Homann, Leiterin des Hauses Asam in Rohr, kennt dieses Problem nur zu gut: "Wir suchen in ganz Europa nach Fachkräften". Doch obwohl sie sehr zufrieden ist mit vielen ausländischen Pflegekräften, können diese oft nur Helfertätigkeiten ausführen, weil ihr Abschluss in Deutschland nicht anerkannt wird. "Wir stöhnen über Fachkräftemangel aber legen den Menschen Steine in den Weg, wenn sie als Fachkräfte arbeiten wollen", klagt Frau Homann. Sie erzählt von einer gut ausgebildeten Krankenschwester aus Lettland, die in ihrem Haus "nur" als Pflegehelferin arbeitet, weil sie hier nicht als Fachkraft gilt. "Die Erleichterung der Anerkennung von ausländischen Abschlüssen wäre ein Schritt in die richtige Richtung", so Homann.

Wichtiger als Bezahlung ist die Wertschätzung

"Bezahlung und Anerkennung spielen sicher eine gewisse Rolle, noch weitaus abschreckender denke ich sind Nacht-, Schicht- und Wochenendarbeit", so Zwerger. "Der Pflegeberuf genießt in der Öffentlichkeit zu wenig Anerkennung. Die Pflegekräfte arbeiten ihr ganzes Berufsleben zum Wohle der Menschen, werden aber häufig pauschal an den Pranger gestellt, wenn irgendwo aufgetretene Mängel in einem Pflegeheim veröffentlicht werden", weiß auch Kolbeck zu berichten. Sie fordert eine höhere Bezahlung und einen besseren Pflegeschlüssel, um das Interesse am Pflegeberuf zu wecken. Aber mehr noch als eine angemessene Bezahlung findet sie die gesellschaftliche Anerkennung wichtig: "Eine Pflegekraft soll stolz auf ihre Berufswahl sein können!"

Schlechtes Image

Schuld daran, warum so wenige Menschen diesen wertvollen Beruf ergreifen möchten, ist sicherlich auch das schlechte Image der Altenpflege. "Das Image ist Wegsperren", bringt es Frau Homann überspitzt auf den Punkt. Dabei sei dieser Beruf so vielfältig und umfasst von der Kommunikation mit Ärzten bis hin zur täglichen Bewältigung des Lebens der Heimbewohner so ziemlich alles, erzählt die Leiterin.

Berührungsängste abbauen

Um junge Menschen für diesen Beruf zu gewinnen, versucht sie bei Berufsmessen und bei Besuchen in der Schule, diesen Beruf vorzustellen und Berührungsängste abzubauen. "Die Hemmschwelle muss abgebaut werden – viele haben keinen Bezug dazu", weiß die erfahrene Leiterin. "Das Image muss dringend verbessert werden und die Anerkennung in der Gesellschaft steigen", meint sie weiter. Denn alleine an der so oft zitierten schlechten Bezahlung könne es nicht liegen, schließlich liege der Mindestlohn für Pflegekräfte über dem gesetzlichen Mindestlohn – Fachkräfte verdienen noch um einiges mehr. Zudem gebe es schnelle Aufstiegsmöglichkeiten, verrät Sandra Hien, Pflegedienstleiterin im Haus Asam: "In keinem anderen Beruf kann man so schnell aufsteigen, wenn man zielstrebig ist – gerade auch als Frau."

"Man muss berufen sein für diesen Beruf"

Zudem kann man in jedem Alter einsteigen und sich umschulen lassen, das Arbeitsamt fördert das sogar finanziell. Auch die Heime lassen sich einiges einfallen, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein und bilden Weiter- und Fortbildungen an. Allerdings sei der Beruf nichts für jedermann, man müsse schon eine soziale Ader und Herzblut mitbringen, gibt Homann zu. "Man muss berufen sein für diesen Beruf."

Zwerger denkt schon weiter und stellt gar das ganze System infrage: "Vielleicht würde eine komplette Umstrukturierung der Altenpflege, wie wir sie bisher kennen, Verbesserungen für Bewohner und Pflegepersonal bringen. Ich denke da an einen Ausbau von Wohnformen wie Betreutes Wohnen, Senioren-WGs oder Wohngruppenmodellen."

Kelheim