Mit dem Baseballschläger auf eigenen Bruder eingedroschen
"Wenn sie besoffen sind, sind sie Tiere"

10.07.2017 | Stand 28.07.2023, 18:02 Uhr
−Foto: n/a

Auch gegen die Mutter handgreiflich geworden: Knapp drei Jahre Knast und Unterbringung für 24-jährigen Dingolfinger

DINGOLFING „Wenn sie besoffen sind, sind sie Tiere”, so charakterisierte die Mutter (52) ihre beiden Söhne. Einer von ihnen, der arbeitslose 24-Jährige, wurde nicht nur gegen sie handgreiflich, sondern drosch mit einem Baseballschläger auch auf seinen älteren Bruder (32) ein. U.a. wegen gefährlicher und vorsätzlicher Körperverletzung handelte er sich dafür beim Amtsgericht Landshut eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten ein, außerdem wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.

Wie „Hund und Katz”, so lässt sich das Verhältnis der beiden Brüder untereinander am besten beschreiben. Dabei haben sie so viele Gemeinsamkeiten: Beide sind arbeitslos, leben hauptsächlich von den Eltern, schütten flaschenweise Wodka in sich hinein und werden dann aggressiv. So auch am 23. Dezember letzten Jahres, wo man zunächst im Zimmer des 24-Jährigen in Dingolfing zwei Flaschen Wodka geleert hatte und dann in Streit geriet.

Dabei, so die Anklage vor dem Schöffengericht beim Amtsgericht Landshut, bearbeitete der 23-Jährige seinen Bruder zunächst mit den Fäusten, schnappte sich dann einen an der Wand hängenden Baseballschläger und drosch damit auf den 32-Jährigen ein. Der erlitt u.a. eine Platzwunde am Kopf und Prellungen am Oberkörper und an den Beinen. Erst als die Eltern einschritten, ließ der 24-Jährige von seinem Bruder ab. Der bewies dann „Nehmerqualitäten”: Nach seiner Einlieferung ins Krankenhaus entließ er sich dort nach der Erstversorgung selbst.

Die Anklage warf dem 23-Jährigen einen weiteren Ausraster vor: Bereits am 6. November letzten Jahres hatte er seiner Mutter Schläge mit der flachen Hand auf den Kopf und ins Genick versetzt, ihr gedroht, sie umzubringen und sie als „Hure” beschimpft. Zu den Vorwürfen der gefährlichen und vorsätzlichen Körperverletzung kamen deshalb auch noch Bedrohung und Beleidigung.

Vor dem Schöffengericht räumte der 24-Jährige über seinen Verteidiger Nico Werning die Anklagevorwürfe vollumfänglich ein. Hintergrund, so der Anwalt, sei ein sich schon über Jahre hinziehender Konflikt in der Familie, vor allem mit dem Bruder. Dem werfe der 24-Jährige vor, dass „er sich auf die faule Haut legt, auf Kosten der Eltern lebe und ständig saufe.” Inzwischen, so der Anwalt, habe sein Mandant eingesehen, dass er selbst es nicht viel besser mache und wolle vor allem seine Alkoholproblematik in den Griff bekommen. Beim Angriff auf den Bruder habe er 2,08 Promille intus gehabt.

Bei der Abreibung für die Mutter habe er dieser zum Vorwurf gemacht, dass sie sich gegenüber seinem Bruder nicht durchsetzen und ihm die Grenzen nicht aufzeigen könne. „Solange sie nüchtern sind, sind sie umgängliche Typen, wenn sie was getrunken haben, schlagen sie sich die Köpfe ein”, fasste der Anwalt zusammen. Das Verhältnis zwischen den Brüdern sei nach wie vor „schwierig”, sein Mandant wolle eine Therapie machen und sich dann eine eigene Wohnung suchen.

Das bestätigte auch der 23-Jährige, der zudem einräumte, in den letzten Jahren nicht nur an der Flasche gehangen, sondern auch noch Amfetamin konsumiert zu haben. Sein einziges Einkommen seien zwar rund 180 Euro Kindergeld, aber da habe es von der Familienkasse eine Nachzahlung von 6300 Euro gegeben, die er inzwischen bis auf 1700 Euro für Wodka und „Speed” ausgegeben habe. Der 32-Jährige berichtete, dass man am besagtem Nachmittag zwei Flaschen Wodka geleert und Musik gehört habe. Dann sei plötzlich sein Bruder auf ihn losgegangen, zunächst mit den Fäusten: „Dann habe ich habe mich auf der Couch eingeigelt und plötzlich war er mit dem Baseballschläger über mir.” Wie oft und wo er überall getroffen worden sei, wisse er nicht mehr, nur noch, dass ihm sein Vater zu Hilfe gekommen sei. Die Mutter schilderte, seit der 24-Jährige Drogen nehme, sei er „wie Tag und Nacht”. Sie habe ihn schon mehrfach in eine Klinik gebracht oder bringen lassen. Der Ausraster, bei dem er gegen sie vorgegangen sei, habe sie ihm längst vergeben. Von der Attacke auf den Bruder habe sie nur mitbekommen, dass er zweimal mit dem Baseballschläger zugeschlagen habe, dann sei ihr Mann dazwischen gegangen. Der Ehemann (54) schilderte, dass man durch den Krach auf die Schlägerei zwischen den Brüdern aufmerksam geworden sei. Als er ins Zimmer gekommen sei, habe der 24-Jährige „blind auf Kopf und Beine seines Bruders eingeschlagen.” Er sei dann dazwischen gegangen und habe ihn beruhigen können.

Für einige Verwirrung sorgte der psychiatrische Gutachter Dr. Afrim Emini vom Bezirkskrankenhaus Mainkofen, wo der 24-Jährige seit seiner Festnahme vorläufig untergebracht ist: Vor allem, was die Schuldfähigkeit des Angeklagten beim Angriff auf den Bruder anging, widersprach er sich mehrfach, um schließlich zu konstatieren, dass dessen Schuldfähigkeit durch den Alkoholkonsum nicht ganz aufgehoben, aber „extrem eingeschränkt” gewesen sei. Außerdem meldete er Zweifel an der Ernsthaftigkeit am Therapiewillen des Angeklagten an, so dass eine Unterbringung wenig erfolgversprechend sei. Sicher war er sich aber, dass sich bei dem 24-Jährigen zur Tatzeit durch die alkoholische Enthemmung eine extreme Wut aufgebaut habe: „Er war animalisiert, wäre der Vater nicht eingeschritten, hätte er auf seinen Bruder eingeschlagen, bis sich der nicht mehr gerührt hätte.”

Das Schöffengericht verhängte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten und ordnete gleichzeitig die Unterbringung des 24-Jährigen in einer Entziehungsanstalt an. Strafrichter Christian Lederhofer übte in der Urteilsbegründung Kritik an der Qualität des psychiatrischen Gutachtens. Das Schöffengericht sei jedenfalls nicht davon ausgegangen, dass der Angeklagte auf seinen Bruder eingeschlagen hätte, bis der tot gewesen wäre: „Eine gewisse Hemmschwelle gibt es da schon.” Deshalb habe man den Fall - entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft, nicht wegen versuchten Totzschlags an das Schwurgericht verwiesen.

Folgen könne man dem Gutachter insoweit, dass die Schuldfähigkeit des 24-Jährigen zur Tatzeit eingeschränkt gewesen sei. Außerdem habe er Therapiebereitschaft bekundet, eine Unterbringung sei deshalb durchaus erfolgversprechend. Straferschwerend habe sich die Tatbegehung an sich ausgewirkt, so Strafrichter Lederhofer: „Mit dem Baseballschläger auf den Kopf zu schlagen, ist unterste Schublade.” Dass nicht mehr passiert sei, sei ein reiner Glücksfall. Die wenig dramatischen Verletzungsfolgen hätten dann auch strafmildernd zu Buche geschlagen.

Dingolfing-Landau