Tatort Passauer Land:
Wenn Frauen wie Sklaven misshandelt werden

10.10.2017 | Stand 04.08.2023, 6:25 Uhr
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25 Jahre Frauenhaus Passau: Endlich ein neues Gebäude – und die Warteliste ist jetzt schon voll!

PASSAU Bedrückende Enge, nur eine Nasszelle für bis zu sieben Frauen und ihre Kinder – unhaltbare Zustände, die nun der Vergangenheit angehören. Am nächsten Freitag feiert das neue Frauenhaus Passau des Sozialdienst katholischer Frauen Passau (SKF) nicht nur sein 25-jähriges Bestehen als Institution zum Schutz von Frauen und Kindern, sondern die Einweihung des neuen Gebäudes.

Fünf Frauen und zwölf Kinder finden noch bis 15 September auf 300 Quadratmeter Unterschlupf vor psychischer und körperlicher Gewalt im alten, viel zu kleinen Gebäude. Neun Frauen mit Kindern können nun im neuen Frauenhaus, das am Freitag eingeweiht wird, die ersten begleiteten Schritte in ein neues, sicheres Leben wagen – auf knapp 700 Quadratmetern Wohnfläche, großer Terrasse und einer Wiese, auf der sich die Kinder im Freien austoben können. Und das Wichtigst: Jedes Zimmer hat eine Nasszelle!

„Das Passauer Frauenhaus gibt es seit 1992 und es eigentlich immer voll. In all den Jahren waren rund 2.700 Frauen bei uns und geschätzt um die 7 000 Kinder“, erklärt Hildegard Stolper. „Mir taten diese Frauen mit ihren Kleinen immer so leid! Geschlagen und traumatisiert kommen sie zu uns und wir mussten sie bisher aus Platzmangel auf engstem Raum ‚einpferchen‘. Wie soll man sich da vom Erlebten erholen, wieder zu sich selbst finden und sich um seine Kinder kümmern? Zum Glück ist das jetzt vorbei!“ Und das ist vor allem ein Verdienst von Hildegard Stolper, 1. Vorsitzende des Passauer Frauenhauses. Sie war es, die jahrelang Klinken putzte, um Geldgeber fürs Frauenhaus zu finden; darunter auch Passaus Bischof Stefan Oster. Das Grundstück, auf dem das Frauenhaus steht, ist ihm bzw. der katholischen Kirche zu verdanken; dazu noch 250.000 Euro. Vom Staat kam tatsächlich gar nichts! Hildegard Stolper schildert drei krasse Fälle:

Elena hatte sehr früh geheiratet mit 18 Jahren, da ein Kind unterwegs war. Nach etwa zwei Jahren fing der Mann an, sie zu schlagen. Außerdem wurde sie gedemütigt in allen Variationen, wie man es sich gar nicht vorstellen kann. Er gab ihr kein Geld, sie wusste oft nicht, wie sie das Kind ernähren sollte. Oft ging sie selbst hungrig ins Bett. Eines Tages schlug er auch das nun zweijährige Kind und er vergewaltigte die Frau, so oft er wollte. Sie flüchtete ins Frauenhaus und war schwer traumatisiert , es dauerte fast zehn Monate, bis sie sich von diesem Schock etwas erholte, lebte aber dauern in Angstzuständen. Der SKF suchte dann eine Wohnung, half ihr beim Einrichten mit gebrauchten Möbeln und sie kommt immer noch ins Frauenhaus und dort gibt man ihr jede Art von Hilfestellung.

Geschlagen, gefoltert, gedemütigt

Es sind Fälle wie diese, die Hildegard Stolper dazu anhalten, sich immer weiter einzusetzen für Frauen und ihren Kindern, denen Männern das Leben zur Hölle machen: Magdalena (45) aus dem Bayerischen Wald ertrug die Demütigungen und Schläge ihres Mannes fast zehn Jahre lang – auch wegen der Kinder (10 und 13 Jahre). Hildegard Stolper erzählt: „Immer wenn der Mann angetrunken nach Hause kam, schlug er die Frau und die beiden Kinder, oft auch mit einem Gürtel.“ Ihr Mann verbot ihr zu arbeiten und machte sie so finanziell abhängig. Auch der Kontakt zu Freunden und Bekannten war ihr verboten.

„In all den Jahren ging ihr Selbstbewusstsein vollständig verloren“, erzählt die Frauenhaus-Leiterin. Als er eines Nachts wieder betrunken heimkam und alle mit einem Stock verprügelte, wurde durch die Schreie zufällig eine Frau aufmerksam, die ihren Hund spazieren führte. Sie verständigte zum Glück die Polizei. Blutüberströmt wurde die Frau mit ihren Kindern ins Krankenhaus eingeliefert. Die Polizei verständigte den Frauenhaus-Notdienst und wir holten die Frau und die Kinder im Krankenhaus ab. Alle drei hatten Wunden, die genäht werden mussten.

„Es war ein trauriges Bild und sie haben bis zum Eintreffen am Frauenhaus ganz stark geweint. Es dauerte schon Wochen, bis sie sich einigermaßen beruhigten“, erinnert sich Stolper. „Die Frau war acht Monate im Frauenhaus und wir suchten eine Wohnung für sie. Sie wollte weiter weg, fand eine Wohnung im Kreis von Altötting.“ Nur ein Fall von vielen.

Ein weiterer ist der von Monika aus dem Passauer Landkreis. Erst sehr spät, mit 56 Jahren, lernte sie ihren 20 Jahren älteren Mann kennen. Nur vier Monate später machte er ihr einen Antrag und sie zogen in eine gemeinsame Wohnung. Nach kurzer Zeit zeigte der Mann dann sein wahres Gesicht und behandelte seine Frau wie eine Sklavin. Sie durfte das Haus nicht mehr verlassen und er gab ihr kein Geld mehr. „Die Demütigungen wurden so schlimm, dass er die brennenden Zigaretten mehrmals auf ihrem Körper ausdrückte. Als die Frau ins Frauenhaus kam, war sie übersät mit Wunden von diesen brennenden Zigaretten. Es war ein sehr schweres Trauma, das sie begleitete, und es geht ihr nicht so gut.“ Wie sich heraus stellte, war der Mann Alkoholiker, der aus seinem Beruf – er war Arzt – genau aus diesem Grund entlassen worden war. All diese Dinge erfuhr die Frau erst viel später durch die Polizei.

„Er drückte Zigaretten an ihr aus“

Wenn das neue Frauenhaus des SKF in dieser Woche seine Türen für seine „Bewohner“ öffnet, wird es sofort wieder voll belegt sein. Dazu gibt es eine Warteliste – sie ist voll!

Für Hildegard Stolper ist diese ehrenamtliche Tätigkeit – ebenso wie für ihre 23 ebenfalls ehrenamtlichen Helferinnern, zwei halbtags tätige Erzieherinnen und eine fest angestellte Sozialpädagogin – eine Herzensangelegenheit. Eine, die sie rund um die Uhr beschäftigt, auch nachts. Auf die Frage, wie sie das Ganze eigentlich psychisch verkraftet, sagt Hildegard Stolper: „Das ist sehr unterschiedlich. Manche Fälle gehen einem nicht so nahe, aber dann gibt es wieder welche, die ich lange nicht vergesse und die auch immer wieder bei mir auftauchen. Viele Frauen und Kinder tun mir sehr leid.“

Um das Grundstück mit Spielgeräten usw. bestücken zu können, bittet das Frauenhaus Passau um Spenden!

Passau