Holzvergaser mit Heatpipe-Technologie eingeweiht
Weltpremiere im Achental

06.07.2017 | Stand 13.09.2023, 5:20 Uhr
Axel Effner

Mit einem Gesamtwirkungsgrad von 80 Prozent stellt der Holzvergaser mit Heatpipe-Technologie eine echte Revolution bei der Gewinnung von Strom und Wärme aus Biomasse dar. Am Freitag wurde die erste kommerziell betriebene Anlage im Beisein von Ministerpräsident a.D. Prof. Dr. Kurt Biedenkopf in Grassau eingeweiht.

GRASSAU Mit der Inbetriebnahme des neu konzipierten Wirbelschichtvergasers der Firma agnion Technologies Gmbh aus Pfaffenhofen a.d. Ilm gehört die Bioenergie-Region Achental bundesweit zu den Vorreitern in Sachen regenerative Energien. Der auffällige Gebäude entstand in neun Monaten auf dem Biomassemassehof in Grassau. Betrieben wird der Heatpipe-Reformer mit Landschaftspflegeholz und Reststoffen aus der Forstwirtschaft.

Nach der Entwicklung des Heatpipe-Reformers in den Jahren 1999 bis 2004 an der Technischen Universität München und der Auszeichnung mit dem Bayerischen Energiepreis 2006, ist jetzt in Grassau das erste Referenzprojekt im Praxisbetrieb gebaut worden. Erstmals ist damit auch in kleinem Maßstab ein hoher Wirkungsgrad möglich, der bislang nur im Betrieb von Großanlagen erreicht wurde. Dem Heatpipe-Reformer wird ein großer Markt vorausgesagt. Nicht zuletzt deshalb förderte das Bundesumweltamt das Projekt mit einer Million Euro.

Dank des neuen Verfahrens ist die Belieferung von etwa 700 Haushalten mit Wärme und Energie sichergestellt. Durch den Betrieb lassen sich jährlich bis zu 2.800 Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid einsparen. Der Reformer ist  damit beispielhaft für eine dezentral angelegte, ökologische und zugleich wirtschaftliche Energieversorgung in ländlichen Regionen.

Von einem „neuen touristischen Zentrum” sprach Dr. Birgit Seeholzer, Energiebeauftragte des Landkreises Traunstein, angesichts des modernen Reformer-Gebäudes, das in der Nacht leuchtet. Die energetische Unabhängigkeit bei der Stromerzeugung bis 2020 gehöre zu den Hauptanliegen des Landkreises. Derzeit liege der Prozentsatz des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms bereits über 50 Prozent. Während im Norden des Landkreises vor allem die Photovoltaik und rund 92 Biogasanlagen für gute Energieerzeugungs-Quoten sorgen, bestehe im Süden noch Nachholbedarf. Der Heatpipe-Reformer sei deshalb ein ganz wichtiges Projekt im Dreiklang der Landkreisziele Energiesparen-Energieeffizienz-Ausbau erneuerbarer Energien.

Rudi Jantke, Bürgermeister von Grassau und stellvertretender Vorsitzender des Ökomodells Achental, hob in seiner Rede hervor, dass mit der Inbetriebnahme des Reformers eine weitere wichtige Etappe in der angepeilten Energiewende geschafft sei. Bereits 2004 habe man im Ökomodell Achental die energetische Unabhängigkeit bis zum Jahr 2020 angepeilt.

Zentrales Projekt und Motor zur verstärkten Nutzung ist erneuerbarer Energieressourcen aus der Region ist dabei der 2007 errichtete Biomassehof Achental in Grassau. Zusammen mit dem dem 2010  in Betrieb genommenen Hackschnitzel-Heizwerks der Wärmeversorgung Grassau seien, so Jantke, mittlerweile elf Kilometer Versorgungsleitungen verlegt und die Versorgung von 500 Haushalten sichergestellt. Im letzten Jahr seien zudem acht Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern gemeindeeigener Gebäude installiert worden.

MdL Klaus Steiner hob hervor, dass Landwirtschaftsminister Brunner sich bei einem Besuch am Vortrag der Inbetriebnahme „sehr beeindruckt” von der zukunfstweisenden Anlage gezeigt hatte.

Agnion-Geschäftsführer Dr. Stephan Mey lobte den Mut und die offene Bereitschaft in Grassau, die bis dato in der kommerziellen Nutzung noch unerprobte Technik einzusetzen. „Öl ist zu schade zum Verheizen”, sagte er zum Vorrang der Biomasse als Energieträger. „Schade ist, dass man bei der Realisierung dieser Technologie auf ausländische Investoren angewiesen ist. Deutsche banken finanzieren so etwas nicht.”

Dr. Peter Pichl vom Umweltbundesamt aus Dessau hob hervor, dass der Heatpipe-Reformer ein wesentlicher Baustein in der Klimapolitik darstelle. Er könne Städten und Kommunen dabei helfen, den Kohlendioxidausstoß wirkungsvoll zu reduzieren und „Strom und Wärme mit höchster Effizienz und nachhaltig zu produzieren”. Pichl sprach von einer „Effizienzrevolution auf dem Biomassesektor” und sah ein großes Nachfrage-Potential in der Technologie. Deren Fertigung in Großserien stelle allerdings jetzt eine große Herausforderung darstelle. Pichl lobte ebenso das Umfeld im Achental, das eine Realisierung ermöglicht habe. Am Amtssitz in Dessau sei die bereitsschaft wesentlich geringer gewesen.

Die Geistlichen der beiden Kirchen, Diakon Sörgel und Notter nahmen im Anschluss die feierliche Weihe vor. Das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik, UMSICHT, hat übrigens in einer technischen Stellungnahme die Innovationskraft und Marktreife des agnion Heatpipe-Reformers bestätigt.

Berchtesgadener Land