Kurioses
Wegen nackter Brust: Szene-Cafe wirft stillende Mutter raus

10.07.2017 | Stand 28.07.2023, 12:31 Uhr
−Foto: n/a

Die junge Mutter Johanna Spanke wollte eigentlich nur entspannt mit Mann und Baby einen Kaffee trinken gehen. Als sie ihren drei Monate alten Sohn stillen will, wird sie angewiesen, das Café zu verlassen. Der Fall löst eine neue Diskussion darüber aus, ob es ein Gesetz zum Schutz des Stillens in der Öffentlichkeit geben soll.

REGENSBURG Das Kaffeehaus „The Barn Coffee Roasters“ am Rande des Bezirks Prenzlauer Berg in Berlin ist zu Hundert Prozent von sich überzeugt. Auf der Internetseite heißt es, man röstet nur die besten Kaffeesorten der Welt, und das bis zur Perfektion. Und weil der Kaffee so perfekt ist, wird dem Kunden auch noch vorgeschrieben, wie er ihn zu trinken hat. Aus entspanntem Kaffeetrinken wird eine Wissenschaft. So wird Filterkaffee ausschließlich schwarz serviert, es wird ausschließlich einmal erhitze Milch verwendet und auch auf Zucker soll der Kaffeetrinker eigentlich verzichten.

Dass der Inhaber Ralf Rüller nicht nur Regeln bezüglich des Kaffee- und Milchtrinkens von Erwachsenen aufstellt, zeigt sich im Fall von Johanna Spanke. Die 30-Jährige wollte am vergangenen Samstag, 13. Februar, ihren Sohn an ihrem Fensterplatz stillen. Daraufhin wurde ihr zuerst von einer Bedienung, dann von Rüller persönlich erklärt, dass das an ihrem Platz nicht erwünscht sei. „Es gibt bei uns Grenzen. Wenn gestillt wird, bitten wir um Diskretion. Eine Mutter kann im Rückbereich des Geschäftes ihrem Kind die Brust geben. Auch aus Respekt anderen Kunden gegenüber, die bei uns einen besonders hochwertigen Kaffee genießen möchten“, erklärt er gegenüber der Zeitung „Die Welt“. Die 30-Jährige verließ angesichts der Rüge durch den Ladenbesitzer übrigens wütend den Laden.

Auf der Petitionsplattform „WeAct“ fordert sie nun von der Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig ein Gesetz, das stillende Mütter in der Öffentlichkeit vor Diskriminierung schützt. „Zu einer familien- und kinderfreundlichen Gesellschaft gehört, dass Stillen in der Öffentlichkeit nicht zu einem Tabu gemacht wird!“, erklärt Spanke. Dabei verweist sie auf ein 2010 in Großbritannien verabschiedetes Gesetz, das verbietet, stillende Mütter zu diskriminieren. Bis heute unterzeichneten über 9.500 Personen die Petition. Ein Sprecher der Politikerin, die zur Zeit selber im Mutterschutz ist, erklärte, es müsse möglich sein, hier im Interesse aller gute Lösungen zu finden. Ob wirklich ein Gesetz bezüglich des öffentlichen Stillens kommt, beantwortet das aber nicht.

Der Vorfall ist leider kein Einzelfall: Bereits im Juni vergangenen Jahres warf ein Busfahrer in Hamburg eine Frau aus seinem Bus, da sie ihr schreiendes Baby stillte. Im September warf eine Bahnmitarbeiterin ebenfalls eine Frau aus dem Restaurant eines ICEs von Hannover nach Hamburg, als diese ihre Tochter stillen wollte.

Auch das Kaffeehaus „The Barn Coffee Roasters“ war schon vorher in die Schlagzeilen geraten. Im Sommer 2012 ließ Rüller einen Poller vor den Eingang seinen Ladens setzen, sodass keine Kinderwagen mehr hereinkommen können. Er selbst begründet das mit Sicherheitsrisiken im Falle eines Brandes. Nach dem Vorfall am vergangenen Samstag wird jedoch immer klarer: Das Kaffeehaus will offensichtlich eine ganz bestimmte Zielgruppe fernhalten.

KOMMENTAR

Berlin ist hip, Berlin ist modern, Berlin ist tolerant. Das vermeintliche In-Cafe „The Barn Coffee Roasters“ wohl eher nicht. Dass hier eine stillende junge Frau ihres Platzes verwiesen wird, finde ich unmöglich. Schreckt man heute ernsthaft noch vor nackten Brüsten zurück? Vor allem, wenn eine Frau nur deshalb entblößt ist, um ihr eigenes Kind zu füttern?

Ich kann und will es mir eigentlich nicht vorstellen. In einer Zeit, in der das Motto „sex sells“ in fast jeder Lebenslage angewandt wird, in der RTL Nackt-Datingshows schon um 22 Uhr ausstrahlt und in der „Free the Nipple“-Kampagnen die sozialen Netzwerke in Sturm erobern, sollte der weibliche Körper doch wirklich kein Schock mehr sein.

Dass jetzt ein Gesetz gefordert wird, kann ich nachvollziehen. Ob das aber wirklich etwas bringt, weiß ich nicht. Denn mal ehrlich: will ich wirklich in einem Cafe sitzen, das mich beim Stillen dann zwar nicht mehr rausschmeissen darf, mich aber stattdessen dann in die hinterste Ecke verfrachtet? Wahrscheinlich eher nicht.

Für mich braucht es eher einen Wandel in den Köpfen der Menschen, nicht im Gesetz. Auch im Kopf der Inhabers des „The Barn Coffee Roasters“. Wenn das wirklich so toll wäre, wie es auf der Internetseite behauptet wird, würden sie sich wohl etwas familienfreundlicher verhalten. Übrigens, wenn der Kaffee doch so perfekt ist, dann kann ihn doch wohl auch ein bisschen nackte Haut nicht verderben – oder doch?

 

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