„Ratgeber Gesundheit“ am Klinikum
Was tun bei Problemen oder Verletzungen am „Multitool Hand“?

19.03.2018 | Stand 24.07.2023, 19:34 Uhr
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Mehr als 160 Interessierte sind zum ersten Vortrag beim „Ratgeber Gesundheit“ ins Klinikum St. Marien Amberg gekommen. Denn das Thema war ein wichtiges: Die Hand und verschiedene Erkrankungen der Hände – von Verletzungen bis hin zu Verschleißerscheinungen – standen im Fokus des Vortrages von Anke Wanninger, Oberärztin der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie.

AMBERG „Unsere Hand ist ein Meisterwerk“, so die Referentin. „Wir benutzen sie von Kindesbeinen an intuitiv und spontan, egal ob für Arbeit, Kunst oder Sport. Sie ist unser Multitool, einsetzbar für alle Aktivitäten im Alltag.“ Solange die Hände funktionieren, ist es nur schwer vorstellbar, wie es ist, mit Einschränkungen leben zu müssen. Diese Einschränkungen können beispielsweise angeborene Fehlbildungen sein. „Wenn ein Kind mit einer Fehlbildung der Hand geboren wird, lernt es von Anfang an, damit alles zu machen“, so die Expertin. „Die Betroffenen sind oft so geschickt, dass die Veränderung der Hand kaum auffällt. Nur, wenn Kinder ohne Daumen auf die Welt kommen, müssen wir mithilfe der modernen Handchirurgie zum Beispiel durch einen Daumenersatz nachhelfen. Denn der Daumen ist nötig, damit wir richtig greifen können.“

Aber auch Verletzungen können dafür verantwortlich sein, dass die Hand nicht mehr so funktioniert, wie sie soll. „Schon harmlos aussehende Verletzungen wie Schnittwunden können schwere Folgen haben“, erläuterte Anke Wanninger. „Denn die Hand hat nur einen sehr dünnen Weichteilmantel. So können scheinbar kleine Verletzungen schon tiefe Strukturen verletzen.“ Treten Gefühlsstörungen von der Schnittwunde in Richtung Finger auf oder können die Finger nicht mehr richtig bewegt werden, sollten die Betroffenen sicherheitshalber zum Arzt gehen – auch, wenn die Beschwerden vielleicht gar nicht so groß sind. „Oft verursachen beispielsweise Brüche keine größeren Schmerzen als Prellungen. Deshalb sollte im Zweifel auf jeden Fall ein Arzt aufgesucht werden. Denn: Je früher eine schwere Verletzung erkannt und behandelt wird, desto besser kann die Funktion der Hand meist wieder hergestellt werden.“

Bei der Behandlung von Handverletzungen gilt: „Sie sind normalerweise nicht lebensbedrohlich. Das heißt, wir haben Zeit, mit den Patienten die nächsten Schritte in Ruhe zu besprechen. Brüche heilen beispielsweise sehr gut, wenn die Knochen nicht stark verschoben sind. Verletzte Sehnen, Gefäßen oder Nerven finden allerdings nicht von alleine wieder zusammen – da hilft nur noch eine Operation.“ Mindestens genauso wichtig sei aber auch die richtige Nachbehandlung: „Das dauert seine Zeit, aber es lohnt sich für die Betroffenen, durchzuhalten“, so die Handexpertin. „Und auch nach der Ergo- oder Physiotherapie sollten die Patienten selbst zuhause weitermachen. Nur so können wir am Ende optimale Erfolge erzielen.“

Vor einer Sache warnte Anke Wanninger ganz besonders: „Wenn Sie irgendwann einmal über einen Zaun klettern wollen oder müssen: Nehmen Sie vorher Ihre Ringe ab. Denn wenn man mit einem Ring im Zaun hängen bleibt, führt das meist zu schweren Verletzungen der Sehnen, Knochen und des Weichteilmantels drumherum, die oft zu bleibenden Einschränkungen oder sogar dem Verlust des Fingers führen können.“ Im Fachjargon wird das „Ringavulsionsverletzung“ genannt. „Mit Prothesen kann man das optisch unauffällig erscheinen lassen, die Funktion des verlorenen Fingers können wir damit allerdings nicht wieder herstellen.“

Ein großes Thema war die Rhizarthrose. Dabei handelt es sich um eine Verschleißerkrankung des Daumensattelgelenks. Etwa zehn Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen, oft im noch erwerbstätigen Alter. „Wir brauchen unseren Daumen zum Greifen, deshalb muss seine Beweglichkeit sehr groß sein.“, erläuterte Anke Wanninger. „Allerdings hat das eine erhöhte Anfälligkeit des Gelenkes zur Folge. Sie müssen sich vorstellen, dass etwa 80 bis 120 Kilo Belastung auf dem Knorpel entstehen, wenn wir zwei Finger aufeinanderpressen. Das muss so ein Gelenk über Jahre und Jahrzehnte mitmachen.“ Die Ursachen für die Rhizarthrose sind noch immer nicht genau bekannt. Für Betroffene gibt es verschiedene Hilfsmittel, die den Alltag erleichtern: Besondere Flaschenöffner, Schlüssel- oder Besteckgriffe zum Beispiel, die eine vergrößerte Grifffläche bieten oder den Griffwinkel verbessern. Therapiert werden kann eine Rhizarthrose zeitweise mithilfe einer Schiene. Zusätzlich kann man mit Schmerzmitteln arbeiten. „Das sollte aber nur vorübergehend genutzt werden, denn der Knorpel braucht Bewegung, damit sich die Arthrose nicht noch mehr verschlimmert“, erklärte die Expertin. „Deshalb sollte man ihn nicht länger als zwei bis drei Wochen am Stück ruhigstellen.“ Ergo- und Physiotherapie helfen, die Beweglichkeit und Kraft der Hand zu erhalten und spezielle Schutzmechanismen für die Gelenke zu lernen. Auch Cortison oder Bestrahlung sind mögliche Therapieformen. Wenn nichts mehr hilft, gibt es die Möglichkeit einer Operation. „Dafür gibt es verschiedene Verfahren. Allerdings muss man sagen, dass nicht jeder Patient danach beschwerdefrei wird. Und: Die Patienten müssen nachher selbst mitarbeiten, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Etwa drei Monate muss man für die anschließende Reha einrechnen.“

Ebenfalls verbreitet ist die Erkrankung Morbus Dupuytren. Dabei handelt es sich um eine fortschreitende Knoten- und Strangbildung in der Hohlhand und den Fingern. „Dadurch wird die Streckfähigkeit der Hand mehr und mehr eingeschränkt.“ Auch hier ist über die Ursachen bisher noch wenig bekannt. Therapiert werden kann Morbus Dupuytren beispielsweise durch Cortison- oder Kollagenasespritzen, Bestrahlung oder kontinuierliche Dehnung. Operativ können die betroffenen Areale entfernt werden. „Das Problem bei dieser Erkrankung ist allerdings, dass sie nicht heilbar und auch nicht wegoperierbar ist“, so Anke Wanninger. „Und mit jeder OP steigt das Risiko, dass wir nur noch schwer zwischen einem Strang und einer Vernarbung von einem früheren Eingriff unterscheiden können; deshalb ist man mit dem Operieren in sehr frühen Stadien mittlerweile zurückhaltender geworden.“

Zum Schluss gab Anke Wanninger noch einen kurzen Ausblick auf die Herausforderungen, die in Zukunft im Bereich der Handchirurgie warten: „Dazu gehört unter anderem die Transplantation von Extremitäten, aber auch die Prothesenversorgung der Hand und der Arme, die künftig noch deutlich besser werden wird. Das Wichtigste aber ist: Bei allen Möglichkeiten, die wir mittlerweile haben, ist es immer entscheidend, für den jeweiligen Patienten individuell die beste Therapieform zu finden und vor allem gemeinsam mit dem Betroffenen eine Entscheidung zu treffen.“

Der nächste „Ratgeber Gesundheit“ am Klinikum St. Marien Amberg beschäftigt sich am Dienstag, den 10. April 2018, mit dem Thema „Fake News beim Protatakrebs! Was ist unter anderem von Cyberknife, Roboter und Protonen zu halten?“ Beginn des Vortrags der beiden Chefärzte für Urologie und Strahlentherapie ist um 18:00 Uhr im Speisesaal des Klinikums.

Schwandorf