Hauen und Stechen um Berufsschule:
Wackelt nun der Standort Vilshofen?

10.07.2017 | Stand 13.09.2023, 0:51 Uhr
Stefan Brandl
−Foto: n/a

Vize-Bürgermeister Gödel fordert dazu jetzt ein klares Bekenntnis von Stadt und Landkreis.

PASSAU/VILSHOFEN Die Irritationen und heftigen politischen Schlagabtausche wegen der Kostenverdoppelung beim geplanten Berufsschulneubau in Vilshofen laufen langsam aus dem Ruder: Die ÖDP Passau um Bürgermeister Urban Mangold schießt auf den CSU-Fraktionsführer im Stadtrat Armin Dickl (PaWo berichtete), die Grünen im Landkreis fordern den Rücktritt von Walter Taubeneder (CSU) als Berufsschulverbandsvorsitzenden (siehe unseren Bericht im Internet vom Freitag unter www.wochenblatt.de/390849), der springt gleich mal für Dickl in die Bütt, nebenbei bringt der ehemalige Präsident des Landwirtschaftlichen Bezirksvereins Leonhard Anetseder einmal mehr den Alternativstandort an der Innstraße in Passau ein. Und in Vilshofen fürchtet man deshalb mittlerweile, dass der Berufsschulneubau samt Standort Vilshofen wackeln könnte. 2. Bürgermeister Christian Gödel fordert daher nun von Stadt und Landkreis Passau, angesichts der bevorstehenden entscheidenden Sitzungen zum weiteren Prozedere, ein klares Bekenntnis für den Berufsschulstandort Vilshofen.

„Wir erwarten vom Landkreis Passau und der Stadt Passau, sich an die bestehende Beschlusslage zu halten und sich deutlich für den Berufsschulstandort Vilshofen auszusprechen. Dies wurde von allen Beteiligten immer wieder betont und durch Beschlüsse mehrfach untermauert. Wer dies ernsthaft infrage stellt, spielt mit dem Feuer und gefährdet den Standort Vilshofen“, sagt Gödel. Schnellstmöglich zu einer Versachlichung der Diskussion zurückzukehren, verlangt auch der CSU-Kreistagsfraktionsführer Ludwig Prügl. Seine Fraktion wird bei der entscheidenden Schulausschusssitzung am 19. September dieses klare Bekenntnis zum Schulstandort Vilshofen abgeben.

Grüne: „Unglaublicher Dilettantismus“

Den Standort Vilshofen erhalten wollen auch die Grünen im Landkreis. Die klare Botschaft: „Am Standort Vilshofen darf nicht gerüttelt werden,“ erläutert Grünen-Berufsschulverbandsrat Toni Schuberl. Es sei auch regional- und schulpolitisch absolut sinnvoll, dass die größte Stadt des Landkreises dauerhaft eine moderne Berufsschule behält. Allen Überlegungen, die Berufsschulen vollständig in Passau zu konzentrieren, erteilen die Grünen eine Abfuhr: „Ein Zusammenziehen in Passau wäre gegen die Interessen der Schülerinnen und Schüler gerichtet. Und es wäre auch eine falsche Entscheidung für eine ausgewogene Entwicklung des Passauer Landes.“

Allerdings habe Taubeneder, so Grünen-Fraktionsvorsitzender Eike Hallitzky, den Berufsschulstandort Vilshofen „mit seinem unglaublichen Dilettantismus massiv in Gefahr gebracht“. Es sei mit nichts zu rechtfertigen, dass er vor der Beschlussfassung keine Gesamtkostenschätzung der Alternativen veranlasst hatte und damit den Mitgliedern des Zweckverbandes einen Blindflug bei dieser gewaltigen Investitionsentscheidung verordnet habe – entweder vorsätzlich oder aus völliger Ahnungslosigkeit. „Weil damit jedes Vertrauen in Taubeneders Fähigkeit, den wichtigen Berufsschulzweckverband verantwortlich zu führen, verloren ist“, legte ihm die Kreistagsfraktion der Grünen vergangenen Freitag den Rücktritt nahe.

CSU: „Missverständliche Kommunikation“

Tatsächlich ist auch innerhalb der CSU die versemmelte Kosten-Kommunikation ein Thema. Kreisfraktions-Chef Prügl: „Zu bedauern ist, dass es offensichtlich im Berufsschulverband zu einer missverständlichen Kommunikation der zu erwartenden Kosten kam.“ Und Vilshofens CSU-Vizebürgermeister Gödel: „Als 2. Bürgermeister und CSU-Fraktionsvorsitzender der Vilshofener Stadtratsfraktion fordere ich, dass der Hergang selbstverständlich genau aufgearbeitet und von den zuständigen Gremien hinterfragt wird. Erfolgreiche Politik funktioniert nur durch Glaubwürdigkeit und Glaubwürdigkeit bedingt die Schaffung von bestmöglicher Transparenz. Dies war scheinbar nicht immer vollumfänglich der Fall.“

Für den Berufsschulverband allerdings schon. In einer Stellungnahme zu ÖDP-Mangolds Aussagen in Zusammenhang mit seinem Angriff auf die Passauer Stadtrats-CSU, dass in zahlreichen Besprechungen immer wieder um unzählige Einzelposten und relativ kleine Beträge gerungen worden sei und jetzt aber plötzlich herauskomme, dass das gesamte Projekt mehr als doppelt so viel koste, kontert Verbandsvorsitzender MdL Taubeneder: „In Mangolds Anwesenheit wurde damals, als auf Anweisung der Regierung von Niederbayern 2013 aus Wirtschaftlichkeitsgründen ein Kostenvergleich zwischen Generalsanierung und Neubau des BBZ erstellt werden musste, immer wieder darauf hingewiesen, dass es sich hierbei nur um fiktive Kosten handle, die zudem nur die Baukosten (Kostengruppe 300) und Technische Anlagen (KGr. 400) umfassen und in keinem Fall die nunmehr vorliegenden geschätzten Gesamtkosten.“ Darauf sei stets – auch schriftlich protokolliert – verwiesen worden, dass diese errechneten Kosten einer Generalsanierung des bestehenden, durch Abriss oder Zubauten unveränderten Baukörpers, rein fiktiv seien und sie in keinster Weise nach dem geprüften Raumprogramm dem tatsächlichen Bedarf entsprechen. Es wurde 2013, so Taubender, sogar ein einstimmiger Beschluss gefasst, der wie folgt lautet: „… Dem Berufsschulverband ist bewusst, dass es sich dabei nicht um die Zahlen handelt, die den späteren Baukosten entsprechen. Diese fiktiv ermittelten Kosten dienen lediglich der förderrechtlichen Überprüfung der Wirtschaftlichkeit einer Sanierung der Bestandsgebäude im Vergleich zu einem Ersatzneubau.“

Taubeneder: „Alle Protokolle erhalten“

Taubeneder: „All diese Sachdarstellungen und Protokolle hat neben den übrigen Verbandsräten auch Bürgermeister Urban Mangold erhalten. Jetzt verstehe, wer will, warum er sich daran nicht mehr erinnern kann oder auch will. Und vor allem, warum er trotz dieser Hinweise von einer Verdoppelung der Kosten spricht.“ Der Berufsschulverband erinnert schließlich auch noch daran, dass es Bürgermeister Mangold gewesen sei, der für den BBZ-Neubau Antrag auf Passivhaus-Standard gestellt habe. Dadurch wären die Kosten, die er jetzt schon heftig kritisiere, nochmals um Millionen höher ausgefallen.

Trotz aller Rechtfertigungsversuche des Berufsschulverbandes um Walter Taubeneder und Geschäftsleiter Franz Stangl bleibt die offene Frage: Will der Berufsschulverband tatsächlich 75 Mio. Euro (und mehr) für eine neue Berufsschule ausgeben? In der Stadt Passau wird dazu am 22. September eine heiße Diskussion mit tatsächlich offenem Ende erwartet. Und auch die Landkreis-CSU will sich noch nicht wirklich ganz festlegen. „Die bisherigen Entscheidungen in Bezug auf eine Generalsanierung oder eines Neubaus der Berufsschule Vilshofen sollen nochmals überprüft und gegenübergestellt werden“, fordern Prügl und seine Fraktion. Er verlangt zudem eine Projektgruppe, die Einsparpotenziale finden soll, und vom Freistaat, dass er die Bauförderung auf 60 Prozent anheben solle, da Stadt und Landkreis Passau ein Gebiet mit „besonderem Handlungsbedarf“ sei.

Was darf der Standort Vilshofen kosten?

ÖDP (und andere Parteien) im Passauer Stadtrat plädieren hingegen dafür, die ursprünglich geplante Generalsanierung wieder ins Auge zu fassen. Das ist auch für die Grünen im Landkreis eine „umsetzbare Alternative“ am Standort Vilshofen.

Alle wollen jedoch eines: „In der Region Passau soll es weiterhin die besten Ausbildungsvoraussetzungen für unsere jungen Menschen geben. Der hohe Standard an den Berufsschulstandorten soll gehalten werden. Sehr gut und modern ausgebildete Fachkräfte für den Mittelstand, das Handwerk sowie den Dienstleistungsbereich sind schließlich unsere Zukunft“, stellt die CSU-Fraktion im Landkreis fest. Nur: Wenn 75 Mio. Euro dafür zu teuer sind – wie viel darf das nun bitteschön dann kosten...?

Passau