Interview
„Vom Over-Tourism sind wir in Regensburg noch Welten entfernt“

17.02.2018 | Stand 13.09.2023, 5:50 Uhr
−Foto: Foto: Regensburg Tourismus GmbH

Ein Gespräch mit der Tourismus-Chefin Sabine Thiele über ein RKK und ein zuviel an Tourismus in Regensburg.

REGENSBURG Das Welterbe ist eine echte Marke, und das in der ganzen Welt. Regensburg zieht im Jahr über 600.000 Touristen an, etwa eine Million Übernachtungen waren es auch 2017, wie im Vorjahr. Wir haben uns mit der Geschäftsführerin der Regensburg Tourismus GmbH, Sabine Thiele, über die Zukunft unterhalten.

Wochenblatt: Frau Thiele, auch heuer hat Regensburg wieder eine Million Touristen-Übernachtungen verzeichnet. Sind diese Zahlen für Sie wichtig?

Thiele: Seit drei Jahren hat sich in der Branche der Umgang mit den Zahlen sehr verändert. In den Mittelpunkt ist die Qualität des Tourismus zum einen gerückt. Zum anderen erleben wir eine intensive Diskussion unter dem Stichwort ,Over-Tourism‘, ausgehend von den tatsächlichen Hotspots wie Barcelona, Florenz und Venedig. Die reinen Übernachtungszahlen sind nicht mehr im Mittelpunkt des Interesses. In den Fokus rückt mehr, wie die Bürger vor Ort den Tourismus wahrnehmen und akzeptieren.

Ist Regensburg auch in dieser Hinsicht erfolgreich, oder erleben wir ,Over-Tourism‘?

Wenn man touristisch erfolgreich ist, hat das nicht immer nur damit zu tun, dass möglichst viele Menschen kommen und sich eine Stadt wie Regensburg ansehen. Wenn ich eine so erfolgreiche Stadt wie Regensburg mit Dax-Unternehmen am Standort habe, dann passiert das ganz automatisch, dass auch der Geschäfts-Tourismus wichtiger wird. Mit dem wirtschaftlichen Erfolg entwickeln sich auch die Übernachtungszahlen quasi von alleine, denn 50 Prozent der Übernachtenden sind Geschäftsreisende. Wenn wir weiter wirtschaftlich wachsen und Wirtschaftsstandort sind, dann wächst auch die Tourismus-Branche.

RTG-Chefin Sabine Thiele. Foto: Ferstl −Foto: Ferstl

Das Marina-Forum soll genau diese Klientel ansprechen. Haben Sie jetzt einen Eröffnungszeitpunkt?

Es hängt an der Genehmigungslage im Moment. Wir brauchen eine Versammlungsstätte und die muss genehmigt sein. Dieser Bau unterliegt bestimmten rechtlichen Grundlagen, die natürlich höher sind – etwa erhöhten Brandschutz und Fluchtweg-Auflagen. Das muss alles stimmen. Wir hätten uns die Übernahme früher gewünscht, aber das ist nun einmal so.

Wird die Kostensteigerung eklatant sein?

Wir haben noch keine abschließende Kostenrechnung, ich kann Ihnen aber heute schon sagen, dass diese Einrichtung jeden Euro wert sein wird. Der Kostenrahmen liegt deutlich unter dem, was vergleichbare Kongresshallen wie etwa in Leipzig am Zoo gekostet haben. Dort hat die Halle 30 Millionen gekostet. Oder „Cup Europe“ in Frankfurt hat 40 Millionen gekostet. Die Rückmeldungen aus den Besichtigungen mit Kunden war großartig.

Hatten Sie schlaflose Nächte wegen der politischen Diskussion um das Marina-Forum – Stichwort Spenden-Affäre?

Anfangs gab es natürlich eine Unsicherheit, als wir von der Untersuchungshaft des Gebäudeeigentümers erfahren haben. Doch wir haben schnell gemerkt, dass wir einen Ansprechpartner beim Immobilien-Zentrum mit allen Vollmachten hatten. Es gab also nie einen Stillstand. Wenn die Regensburger ihre ,kleine Stadthalle‘ in Besitz genommen haben, dann wird das sicher eine ganz andere Diskussion werden.

Apropos kleine Stadthalle: Warum brauchen wir überhaupt noch eine Stadthalle am Ernst-Reuter-Platz?

Um schlicht in ein höheres Segment zu kommen. Wenn wir uns als Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort präsentieren wollen, dann brauchen wir auch Infrastruktur dazu. Davos wurde da immer als Beispiel genannt und das Weltwirtschaftsforum, aber wir werden mit Sicherheit niemandem eine solche Veranstaltung wegnehmen. Aber ein solches Angebot wird Veranstaltungen mit hochkarätigen, bis zu 2.000 Teilnehmern aus der ganzen Welt ermöglichen.

Aber was hat der Regensburger davon?

Als Bürger haben Sie im Rahmen des Wirtschaftsfaktors Tourismus immer etwas davon. Als Veranstaltungsort würde man neben dem Audimax einen weiteren Konzertsaal anbieten können, den natürlich auch Bürger besuchen werden.

Halten Sie das für realistisch, wenn Bäume dafür fallen müssen?

Ich glaube, dass es genügend Ausgleichsflächen geben wird. Ich würde mir manchmal wünschen, dass die Regensburger ein bisschen größer denken. Wir sind eine so erfolgreiche Stadt. Wir haben für unser Ensemble das internationale Markenlabel Welterbe als Prädikat. Gleichzeitig haben wir eine boomende Wirtschaft und sind ein Wissenschaftsstandort, der Alt und Jung anzieht.

Aber damit geht doch auch eine Gentrifizierung einher. Ketten ersetzen alteingesessene Geschäfte, viele Regensburger kommen da nicht mehr mit. Ist das das, was wir wollen?

Wir von der RTG sind ständig in anderen Städten weltweit, aber natürlich auch in Europa unterwegs. Glauben Sie mir, wir haben Vergleiche. Hier in Regensburg ist die Basis gesund. Der Mix stimmt zwischen Einzelhandel, Gastronomie und einer handvoll Ketten. Ich kann verstehen, dass der Regensburger sagt: nicht noch eine. Aber das ist, verglichen mit anderen Standorten, verschwindend gering. Es ist möglich, die Waage zu halten, bei der sich Touristen in einer Stadt zurechtfinden und gleichzeitig die Bevölkerung ihre eigenen Ecken hat. Balance ist sehr wichtig und wird auch mit dem neuen Tourismus-Konzept ein Schwerpunkt. Wir sind Welten davon entfernt, dass sich diese Stadt grundlegend ändert. Das, was sich derzeit verändert, das nenne ich Zeitgeist und Weiterentwicklung.

Wie meinen Sie das?

Die Struktur mit neuartigen Geschäften, aber auch neuen Bars und Gastronomie-Angeboten, das kannten die alteingesessenen Regensburger ja auch nicht. Das ist eine gute Art der Weiterentwicklung. Die Hand drauf zu halten, dass die Ketten nicht überhand nehmen, ist natürlich sinnvoll.

Stichwort Airbnb – wie viele Ferienwohnungen verträgt Regensburg?

Auch hier gilt, dass man diese sinnvolle Ergänzung nicht zu einem Problem aufblasen darf. Wir haben mit 330 solcher Wohnungen, die derzeit bei Airbnb gelistet sind, und 90.000 Wohnungen insgesamt bei Weitem keine solchen Verhältnisse wie in München oder Berlin. Airbnb-Gäste bleiben im Schnitt deutlich länger in der Stadt, übrigens mit den entsprechenden Ausgaben.

Das neue Museum der Bayerischen Geschichte droht zur Abfertigungshalle für Schiffstouristen zu werden. Sehen Sie das auch so?

Ich glaube, dass das Museum vor allem für Schulklassen aus ganz Deutschland interessant sein wird – und das ist ein ganz spannendes Segment. Zusammen mit dem Neubau der Jugendherberge, die übrigens Deutschlands erste Kulturherberge ist, wird das Museum besonders attraktiv sein. Ich freue mich auf die Eröffnung jedenfalls sehr.Vielen Dank.

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