49-Jähriger erleichtert
Vergewaltigungsprozess: Nach Freispruch flossen Tränen

09.07.2017 | Stand 29.07.2023, 16:38 Uhr
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Es war zwar „nur” ein Freispruch nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten”, bei dem 49-jährigen ghanaischen Lkw-Fahrer aus Erding rollten nach dem Urteil der 1. Strafkammer des Landgerichts im Revisionsverfahren trotzdem Tränen der Erleichterung.

LANDSHUT_25ERDING 2013 war er noch wegen Vergewaltigung seiner Lebensgefährtin zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Dagegen hatte - wie berichtet - sein Verteidiger Maximilian Richter erfolgreich Revision eingelegt und das damit begründet, dass von der damaligen Strafkammer des Landgerichts im schriftlichen Urteil vor allem auf die widersprüchlichen Angaben der Ex-Lebensgefährtin nicht ausreichend eingegangen worden sei und sogar die Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens - das vom Verteidiger beantragt worden war - notwendig gewesen wäre.

Vorgeworfen wurde dem Ghanaer, der seit 20 Jahren in Deutschland lebt, in den frühen Morgenstunden des 23. August 2012 seine damalige Lebensgefährtin, eine heute 48-jährige Reinigungskraft, zum Sex aufgefordert zu haben. Die habe mit der Begründung, dass sie ihre Periode und Schmerzen habe, abgelehnt. Das habe der 49-Jährige negiert und den Gechlechtsverkehr trotz Gegenwehr gewaltsam vollzogen.

Der Lkw-Fahrer hatte diesen Vorwurf bereits in erster Instanz bestritten. Wie damals ließ er über eine von seinem Verteidiger abgegebenen Erklärung bekunden, dass der Sex einvernehmlich über die Bühne gegangen sei. Danach sei es allerdings wieder einmal wegen finanzieller Dinge in Streit geraten. Seine Lebensgefährtin habe verlangt, dass er zum Kauf einer Einbauküche seinen Beitrag leiste. Als er abgelehnt habe, sei die 48-Jährige ausgeflippt, habe einen Spiegel auf seinem Kopf zertrümmert und sei mit dem Messer auf ihn losgegangen. Deshalb habe er sich ins Bad geflüchtet und habe die Bildfläche erst beim Erscheinen der Polizei wieder betreten.

Die Reinigungskraft bestätigte bei ihrer Aussage zwar weitgehend ihre bei der polizeilichen Anzeige erhobenen Vorwürfe, verwickelte sich aber in erhebliche Widersprüche, vor allem was das Geschehen nach der angeblichen Vergewaltigung und den zeitlichen Ablauf betraf. So konnte sie beispielsweise nicht erklären, was in den zwei Stunden zwischen der angeblichen Vergewaltigung und dem Anruf bei der Polizei geschah. Außerdem lehnte sie - schon im Vorfeld - die Mitwirkung bei der Erstellung des vom BGH für notwendig erachteten Glaubwürdigkeitsgutachten ab.

Das Urteil der 1. Strafkammer war dann keine Überraschung: Freispruch nach dem Grundsatz „In dubio pro reo”. Dazu ordnete die Kammer an, dass der Lkw-Fahrer für die während des Ermittlungsverfahrens erlittene Untersuchungshaft von rund 16 Monaten zu entschädigen ist. Dagegen muss die Reinigungskraft, die im Prozess als Nebenklägerin auftrat, ihre Auslagen - u.a. auch das Honorar für ihre Anwältin - selbst berappen.

In der Urteilsbegründung stellte Vorsitzender Richter Markus Kring fest, dass Vergewaltigungsprozesse für die Strafjustiz undankbar seien: „Weil Freisprüche nachvollziehbar vom vermeintlichen Opfer und seinem Umfeld als Entscheidung gegen sie interpretiert werden.” Dem sei aber nicht so, aber wenn der Sachverhalt nicht mit letzter Sicherheit erwiesen sei, müsse der „Zweifelsatz” zur Anwendung kommen.

Im aktuellen Fall, so Kring, stehe fest, dass es zu einem Geschlechtsverkehr gekommen sei. Bei der Frage, ob er gewaltsam oder einvernehmlich erfolgt sei, stehe Aussage gegen Aussage. So seien etwa beide Versionen, wie es zu den Verletzungen der 48-Jährigen gekommen sei, denkbar: Nach ihrer Version, weil sie sich gegen die Vergewaltigung gewehrt habe, nach seiner Schilderung bei der körperlichen Auseinandersetzung und der Abwehr ihres Messerangriffs. Dass der stattgefunden habe, sei durch von ihm gefertigte Handy-Video- und -Tonaufnahmen gestützt.

Letztlich seien der Reinigungskraft auch Lügen nachgewiesen. So etwa habe sie bei ihrem Notruf behauptet: „Er bringt mich um, ich habe mich im Bad eingesperrt.” Tatsächlich sei dann beim Eintreffen der Polizeistreife der Lkw-Fahrer aus dem Bad gekommen. Zurückgerudert sei sie auch bei ihrem Vorwurf, von ihrem Ex-Lebensgefährten bedroht worden zu sein, um die Anzeige zurückzunehmen. Last not least habe sie die Mitwirkung bei einem Glaubwürdigkeitsgutachten verweigert, das hätte zwar ein Sachverständiger zwar auch aus der Aktenlage und dem Verlauf der Hauptverhandlung heraus erstellen können, wäre dann aber nicht ausreichend gewesen.

Mit dem Freispruch und der Zuerkennung der Entschädigung war die Kammer auch den Anträgen von Staatsanwalt Andreas Hartl gefolgt, die sich ebenfalls auf die erheblichen Widersprüche in der Aussage der 48-Jährigen gestützt hatten. Rechtsanwältin Denise Peter, die die als Nebenklägerin auftretende Reinigungskraft vertrat, hatte dagegen auf eine Verurteilung plädiert und darauf verwiesen, dass ihre Mandantin das Kerngeschehen konstant geschildert habe. Unsicherheiten ließen sich vor allem durch den langen Zeitablauf und ihre Traumatisierung zurückführen. 

Erding