Sicherheitskonzept
„Unser Parlament ist sicher, darf aber keine Festung werden“

03.09.2020 | Stand 24.07.2023, 20:27 Uhr
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Als Reaktion auf die Geschehnisse von Samstag, 29. August, am Reichstagsgebäude in Berlin hat Landtagspräsidentin Ilse Aigner die Abgeordneten der bayerischen Volksvertretung in einem Brief über das bestehende Sicherheitskonzept zum Schutz des Landtags und zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des parlamentarischen Betriebs informiert.

München. Aigner zeigt sich darin bestürzt über die Vorgänge in der Bundeshauptstadt: „Wenn Menschen, die sich nicht nur als Systemkritiker, sondern klar als Systemgegner gegenüber unserer parlamentarischen Demokratie gerieren, die Treppen des Reichstagsgebäudes stürmen, sind das unerträgliche Bilder.“

Aigner gibt in dem Brief zu bedenken, dass ein hundertprozentiger Schutz vor jedem einzelnen aggressiven Akt rücksichtsloser Menschen niemals zu garantieren sei, betont aber gleichzeitig: „Selbstverständlich ist unsere Bayerische Polizei schon seit jeher hoch sensibilisiert, was den besonderen Schutz unseres Parlaments angeht. Dies wird nach meiner Erfahrung bei jeglichen Versammlungen in der Nähe des Maximilianeums im Rahmen der sog. Lage- bzw. Gefahreneinschätzung berücksichtigt. Zusätzlich zur vor Ort präsenten Landtagswache der Polizei würden im Bedarfsfall erforderliche Polizeikräfte in kürzester Zeit zur Verfügung gestellt. […] Nichtsdestotrotz werden wir nach den Vorkommnissen in Berlin auch unsere Wachsamkeit an den Wochenenden nochmals erhöhen.“

In dem Schreiben an die Abgeordneten stellt die Landtagspräsidentin den rechtlichen Rahmen für den Schutz des Landtags dar: Der Umgriff um das Maximilianeum wird von Artikel 17 des Bayerischen Versammlungsgesetzes (BayVersG) als so genanntes befriedeter Bezirk besonders geschützt. Hier sind Versammlungen grundsätzlich verboten. Eine Unterscheidung zwischen Sitzungstagen und Tagen, an denen keine Sitzungen stattfinden, trifft der Gesetzeswortlaut hier anders als in den Bestimmungen für Verfassungsorgane des Bundes nicht. Im Hinblick auf die bundesverfassungsgerichtlich anerkannte hohe Bedeutung der Versammlungsfreiheit bestimmen Artikel 18 und 19 Absatz 1 und 3 BayVersG jedoch, dass das Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration im Einvernehmen mit der Landtagspräsidentin Versammlungen – ausnahmsweise – zulassen kann. Das ist gemäß verschiedener Gerichtsentscheidungen der Fall, wenn eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Landtags als Gesetzgebungsorgan nicht ernsthaft zu besorgen sei. Dies gebiete der hohe Stellenwert der Versammlungsfreiheit. Zwar könne auch an sitzungsfreien Tagen und in der sitzungsfreien Zeit nicht per se ausgeschlossen werden, dass die Funktionsfähigkeit des Landtags als Gesetzgebungsorgan beeinträchtigt werden kann. Dies sei allerdings jeweils konkret im Einzelfall zu begründen.

Aigner weist auf ihre Gebundenheit an diese rechtlichen Rahmenbedingungen hin und führt im Brief weiter aus: „Nichtsdestotrotz sehe ich mich als Präsidentin des Bayerischen Landtags stets zuvörderst der Aufrechterhaltung unseres parlamentarischen Betriebs verpflichtet und prüfe in jedem Einzelfall, ob dieser bei Zulassung einer Versammlung weiter garantiert bleibt.“

Abschließend hält die Landtagspräsidentin in ihrem Schreiben fest: „Wir müssen unseren Landtag durch ausreichende Polizeipräsenz und eine stringente Ablehnung von Versammlungen, die eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit unseres Parlaments befürchten lassen, schützen. Hierdurch darf unser Parlament jedoch keine unzugängliche Festung werden, in der sich frei gewählte Abgeordnete verschanzen müssen. Parlamente sind Volksvertretungen und müssen offene Orte sein und bleiben!“

Regensburg