Berufungsprozess
Tragischer Unfall kostete vier Menschen das Leben: Wer saß wirklich hinterm Steuer?

09.07.2017 | Stand 30.07.2023, 16:14 Uhr
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Vor dem Regensburger Landgericht wird seit Freitag, 26. Juni, ein Fall neu aufgerollt, der an Tragik kaum zu überbieten ist. Eine 33-jährige Frau wurde vom Amtsgericht Straubing im Mai 2014 wegen fahrlässiger Tötung in vier Fällen verurteilt, weil sie unter Drogeneinfluss einen Unfall verursachte – auch ihre beiden Kinder waren unter den Opfern. Im Berufungsprozess behauptet sie nun, ihr Freund sei hinterm Steuer gesessen.

RATTISZELL/REGENSBURG Die heute 33-Jährige war im Mai letzten Jahres vom Amtsgericht Straubing unter anderem wegen fahrlässiger Tötung in vier sowie fahrlässiger Körperverletzung in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Die vorsitzende Richterin sah es als erwiesen an, dass die Oberbayerin im Juni 2012 auf der B20 bei Rattiszell (Landkreis Straubing-Bogen) einen schweren Verkehrsunfall verursacht hatte. Die 33-Jährige war mit ihrem Auto auf die Gegenfahrbahn geraten und mit einem Taxi kollidiert. In der Folge des Unfalls starben ihre beiden Kinder (sechs und zwei Jahre alt) sowie zwei Taxi-Fahrgäste. Vier weitere Personen, darunter die Unfallverursacherin, wurden zum Teil schwer verletzt. Eine Blutprobe der Verurteilten ergab, dass sie zum Unfallzeitpunkt "wegen des Genusses von Methamphetaminen und Amphetaminen fahruntüchtig war", so die Urteilsbegründung. Durch den Betäubungsmittelkonsum sei sie "erhöht blendempfindlich und in ihrer Reaktion erheblich eingeschränkt" gewesen. Ihre beiden Kinder seien zudem "nicht ordnungsgemäß mit Sicherheitsgurten angeschnallt" gewesen.

Unter Tränen wurde der Unfallhergang aufgerollt 

Die Angeklagte ließ am Freitag, 26. Juni, unter Tränen den Horrorunfall aus dem Juni 2012 auf der B20 bei Rattiszell (Landkreis Straubing-Bogen) Revue passieren. An dem Juniwochenende, der ihr Leben für immer verändern sollte, fuhren die Angeklagte und ihr damaliger Lebensgefährte gemeinsam mit den zwei Kindern zu einem Campingplatz nach Tschechien. Zunächst verlief die Reise harmonisch und beide konsumierten zusammen Crystal, welches sie auf einem Vietnamesenmarkt an der Grenze gekauft hatten. So wie andere etwas trinken gehen, habe sie Drogen genommen, gestand sie vor Gericht. Die Angeklagte sagte aus, dass ihr Lebensgefährte danach zunehmend aggressiv wurde und sie und die Kinder bedrohte. Der 30-Jährige hingegen betonte, dass seine Freundin es war, von der der Streit ausging. Daraufhin brach man den Urlaub ab und fuhr nach Hause, obwohl der letzte Drogenkonsum erst am Vormittag des Unglückstages stattgefunden habe.

"Er ist gefahren, ich war Beifahrer"

Auch sonst gab es einige Unterschiede zwischen den Aussagen der beiden. Während die Angeklagte darauf besteht, dass ihr Lebensgefährte das Auto fuhr, schiebt dieser die Schuld auf die 33-Jährige. Die Angeklagte behauptet, dass ihr Freund gefahren sei, obwohl er keinen Führerschein mehr hatte, weil er diesen  bereits im Vorfeld wegen Drogenkonsums abgeben hatte müssen. "Er ist gefahren, ich war Beifahrer", so die 33-Jährige vor Gericht. Sie erzählte, wie sie auf der Heimfahrt stritten. Die Tochter schnallte sich ab und krabbelt nach vorne – dann erinnere sie sich nur noch "grelles Licht". Dann sei sie erst wieder im Krankenhaus aufgewacht.

Tiefe Wunden bei allen Beteiligten 

"Seit dem Unfall kann ich keine Kinder mehr sehen, ohne sofort heulen zu müssen", sagte die 33-Jährige auf die Frage des Richters, wie sie mit dem Unfall umgehe. "Der ganze Tag ist ein Graus – früher haben mich die Kinder aufgeweckt", erzählte die 33-Jährige von ihrem Alltag. Ein Therapeut helfe ihr zudem bei der Bewältigung der Trauer. Ihr Lebensgefährte war einige Zeit nach dem Unfall im Bezirksklinikum Mainkofen, da er versucht hatte, sich selbst zu töten. Der Unfall hat bei allen tiefe Wunden hinterlassen, wie man an den Gesichtern und Aussagen der Beteiligten deutlich erkennen kann. An den exakten Ablauf des Unfalls können sich beide nicht mehr erinnern.

Der Taxifahrer besteht darauf, einen "blonden Fleck" auf dem Fahrersitz des Unfallautos gesehen zu haben. Sichtlich verbittert über die Folgen des Unfalls, die ihn schwer getroffen haben, behauptet er zudem, dass es sich bei dem Vorfall um eine fahrlässige Tötung handelt.

Der Prozess wird am Montag, 29. Juni, fortgesetzt.  Entscheidend ist die Frage, wer unter Drogeneinfluss hinterm Steuer gesessen ist –  die Angeklagte oder ihr ehemaliger Lebensgefährte. 

Regensburg