Eine überraschende Wendung
Totschlagsprozess: Erdinger Frauenarzt (57) verdächtigt Schwager

11.07.2017 | Stand 20.07.2023, 16:13 Uhr
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Überraschung im Totschlagsprozess gegen den ehemaligen Erdinger Frauenarzt Prof. Dr. Michael B.: Im Rahmen seiner sich über mehrere Stunden hinziehenden Befragung am zweiten Verhandlungstag verdächtigte er seinen Ex-Schwager, mit dem Tod seiner gewaltsam ums Leben gekommenen Ehefrau etwas zu tun zu haben.

ERDING / LANDSHUT Der Gynäkologe bestritt – wie berichtet – zum Prozessauftakt den Anklagevorwurf, am 4. Dezember 2013 gegen 12.30 Uhr seine damals 60-jährige Ehefrau massiv verprügelt, gewürgt und ihr schließlich Mund und Nase zugehalten zu haben, so dass sie erstickt sei. Von der Anklage auf Totschlag war der 57-Jährige im Januar 2015 von der Schwurgerichtskammer des Landgerichts freigesprochen worden. Der Bundesgerichtshof hatte das Urteil jedoch aufgehoben.

Am ersten Verhandlungstag hatte der Frauenarzt bei seiner sich bereits über Stunden hinziehenden Befragung durch die Prozessbeteiligten geschildert, dass der Tattag zunächst noch mit „Kuscheln und Schmusen” im Bett begonnen habe. Bevor er dann Mittags das Haus verließ, habe er mit seiner Frau noch ein Treffen am Rotarystand am Weihnachtsmarkt vereinbart, „weil sie Einkäufe machen wollte und ich unseren Mercedes am Schrannenplatz einparken sollte”. Er habe sich noch mit einem Kuss verabschiedet und sie habe ihm von Fenster aus zugewunken.

Das sei das letzte Mal gewesen, dass er sie lebend gesehen habe. Am Rotarystand sei sie nämlich dann nicht mehr aufgetaucht. Als er dann nach seiner Prasixtätigkeit am Abend nach Hause zurückgekehrt sei, habe er sie leblos im Badezimmer vorgefunden – ihr Kopf in einer Blutlache. Er habe an einen tödlichen Sturz geglaubt, sei in Panik und völlig hilflos zu einem Nachbarn gelaufen und habe den gebeten, den Notarzt zu verständigen. Als er dann am nächsten Tag erfahren habe, dass seine Frau gewaltsam ums Leben gekommen sei, sei er „völlig geschockt” gewesen.

Neben seiner Unschuld beteuerte Prof. B. immer wieder, dass es in der Ehe zwar manchmal Unstimmigkeiten, aber keine massiven Streitereien gegeben habe. Die Staatsanwaltschaft sieht das – wie auch im Verlauf des ersten Prozesses erkennbar war – anders: Möglicherweise sei ein Streit wegen des Alkoholkonsums der Ehefrau oder bzw. und wegen seiner Kontakte zu den vier Kindern aus seiner ersten Ehe, die sie zu verhindern versucht habe, eskaliert. Seine Ehefrau, so der Gynäkologe dazu, habe Angst gehabt, „dass uns meine erste Familie ruiniert und versuchen wird, an das Erbe zu kommen, wenn ich sterbe”.

Die ausführliche Befragung des 57-Jährigen durch Staatsanwalt Christoph Ritter sowie die Anwälte Rene Lancker und Constanze von der Meden, die die als Nebenkläger auftretende Tochter und den Sohn, beide aus erster Ehe der Getöteten, vertreten, die sich am zweiten Verhandlungstag bis in die Nachmittagsstunden hinzog, brachten den Prozess-Terminplan ins Wanken. Auffallend ruhig, sogar freundlich, blieb Prof. B., selbst wenn ihm Widersprüche zu früheren Angaben vorgehalten wurden. Die eigentlich geplante Vernehmung des Sachbearbeiters der Erdinger Kripo, der einen Überblick über die Ermittlungen liefern sollte, wurde bereits auf einen der nächsten Verhandlungstage verschoben.

Themen waren dann einmal mehr der übermäßige Alkoholkonsum der Ehefrau, von dem der Gynäkologe erst am Tag vor dem Tod seiner Ehefrau Kenntnis erlangt haben will, als die Ergebnisse einer Blutprobe, die er ihr abgenommen habe, am 3. Dezember per Fax in seiner Praxis eingegangen seien. Als er sie darauf am nächsten Mittag kurz vor seinem Fahrt mit dem Rad in die Stadt angesprochen habe, sei sie „fassungslos” gewesen, man habe sich dann auf eine „To-do-Liste” geeinigt, allem voran, dass sämtliche Alkoholvorrat aus dem Haus entfernt werden sollte. Die Ehefrau wollte die Flaschen am Nachmittag ihres Todestages „entsorgen”.

Dass seine Frau gewaltsam ums Leben gekommen sei, habe er erst nach ihrer Obduktion erfahren, als man ihm auch vorgehalten habe, „dass ich damit was zu tun hätte”. Beim Auffinden der Leiche habe er nur eine Platzwunde am Kopf, aber nicht die zahlreichen Hämatome an ihrem Körper bemerkt: „Sie war ja bekleidet.” Auch für die Feststellung der Kripobeamten, dass er sich bei seiner Befragung nie erkundigt habe, wie seine Frau ums Leben gekommen sei, hatte er eine Erklärung: „Ich war völlig geschockt, konnte es nicht glauben. Als ich dann später gefragt habe, habe ich keine Antwort bekommen.”

Auch dass er nie nach Tatverdächtigen gefragt habe, bestätigte der 57-Jährige. Er selbst könne nur spekulieren und da falle ihm der Bruder seiner Ehefrau ein. Er habe sich über kurz vorher geführte Telefonate zwischen beiden gewundert, weil sie eigentlich wegen einer Erbschaftsangelegenheit zerstritten gewesen seien. Der Bruder habe dann auch noch eine Aussteuerversicherung für die Tochter seiner Frau gekündigt und sich 18.000 Euro auf sein Konto überweisen lassen.

„Das waren Fragmente, die mir durch den Kopf gingen.” Verstärkt habe sich sein Verdacht dann auch dadurch, dass der Familien-Mercedes am Mittag des 4. Dezember noch an einem See gesehen worden sei und später am Daumen seiner toten Frau DNA eines unbekannten Mannes gesichert worden seien.

Dass er sich noch am Abend des Tattages nach dem Abtransport der Leiche die Erlaubnis der Kripo eingeholt habe, das Bad zu reinigen, erklärte der 57-Jährige einmal mehr damit, dass er den beiden Kindern, die sich für nächsten Vormittag angekündigt hatten, nicht zumuten wollte, das Blut ihrer Mutter zu sehen.

Der Prozess wird am 3. Mai fortgesetzt.

Erding