Chronik zum 850-Jährigen
Teufel von Stubenberg und Frau mit drei Kleidern

05.07.2017 | Stand 13.09.2023, 5:47 Uhr
Walter Geiring
−Foto: n/a

Willi Berger hat zum Jubiläum von Stubenberg eine Chronik geschrieben, die einige Schmankerl bereit hält.

STUBENBERG Für die Gemeinde Stubenberg ist es ein besonderes Jubiläum. Der Ort feiert sein 850-jähriges Bestehen mit einem großen Festprogramm am 16. und 17. Juli. Als besonderes Highlight gilt allerdings die Präsentation der Stubenberger Chronik von Willi Berger. Der gebürtige Stubenberger befasste sich vier Jahre lang intensiv mit der Zusammenstellung aller relevanten Aufzeichnungen rund um Stubenberg und den politischen und geschichtlichen Ereignissen in Niederbayern und Bayern. 

Angefangen hatte alles vor vier Jahren, als der damalige Bürgermeister Willi Hammelstein Berger mit der Ausarbeitung einer Ortschronik beauftragte. „Mir ging es vor allem darum, dass man das tägliche Leben so realistisch wie möglich darstellt. Es sollte keine Chronik werden, wo nur Fakten aneinandergereiht werden. Ich wollte die politischen und alltäglichen Ereignisse in Bayern und Lebensumstände der Menschen mit diesem Buch darstellen“, beschreibt Berger seine Absichten zu dem gelungenen Werk. 

Weil es allerdings viel Lücken in den Aufzeichnungen gab, hieß es zunächst nach geeigneten Quellen zu forschen. Zu Hilfe kam dem Fachlehrer für Kunst und Technik an der Hauptschule Tann das Archiv der Closen aus Arnstorf. Jetzt konnte er die Urchronik aus dem Jahr 1877 ergänzen und in vielen Bereichen erweitern und so ein lückenloses Bild seines Heimatortes präsentieren. 

Auf diese Weise ist ein beeindruckendes Werk entstanden, das den geschichtlichen Hintergrund näher beleuchtet und durch die vielen Querverweise für den Leser ein rundes Bild jener Zeit widerspiegelt. Berger schlägt einen weiten Bogen von der ersten Besiedelung Stubenbergs in der Jungsteinzeit bis zur ersten urkundlichen Erwähnung im Jahre 1160. Die Zeitreise des fast 500 Seiten umfassenden Buches endet im Jahr 2010. 

Als größten Fund bezeichnete Berger die alten Gemeindeakten zwischen 1800 und 1900, die alle erhalten sind und einen unverfälschten Blick in die Vergangenheit freigaben. Der frühere Ortsvorsteher Josef Nöhmeier aus Weißleiten war bis 1933 Bürgermeister und hatte sämtliche Gemeindeakten zuhause auf dem Dachboden seines Bauerhofes aufbewahrt. 1987 wurde der Hof an den Münchener Kunsthändler Anton Ribariz verkauft. Er erkannte den Wert dieser Schriftstücke und brachte den umfangreichen Fund in das Stubenberger Rathaus, wo sie bis zum heutigen Tag aufbewahrt werden.

Als besonderes Kulturgut bezeichnet der Hobbyhistoriker die beiden Stubenberger Liederbücher, die in der Zeit zwischen 1796 und 1815 entstanden sind. Im geistlichen Liederbuch wurde der Ablauf des Jahres und alle hohen Feste und „andere untterschiedliche heilige Zeitten“, wie der Originaltext lautete, beschrieben. Im zweiten Liederbuch geht es um weltliches Liedgut. Die Originale befinden sich derzeit in der Staatsbibliothek in München.

Interessantes gibt es auch über den Hutmachergesellen Franz Kronecker aus Stubenberg zu berichten. Kronecker bereiste die ganze Welt und schrieb 1823 ein Buch mit dem Titel „Meine Reise in das gelobte Land“. Laut Auskunft von Berger befindet sich das Original in der Bibliothek der Universität Harvard. 

Am 10. April 1860 wurde Martina Schusterbauer in Weißleiten geboren. Sie galt als Stubenberger Original und wohnte an der Stelle, wo heute die Familie Katzhuber ihr Wohnhaus errichtet hat. Es war ein kleines Häuschen mit offenem Herdfeuer. Die Fensterscheiben hatte sie mit Kalk weiß angestrichen, damit niemand hineinschauen konnte. Stets trug sie drei Kleider übereinander, damit sie zu jeder Gelegenheit passend gekleidet war.

Nicht unerwähnt blieb in der Chronik der Bauer, Musiker und Fotograf Peter Meisenberger aus Wies. Der emsige Fotograf hinterließ einmalige Bilddokumente aus der Zeit zwischen 1920 und 1938. Aufgenommen wurden die Bilder mit einer selbst gebauten Kamera. Zu sehen sind auf den vielen Glasplatten Bewohner Stubenbergs und die örtliche Umgebung. 

Auch die Zeit des Nationalsozialismus blieb nicht ausgespart. Hier wird unter anderem über Pfarrer Ludwig Kirschner berichtet, der gegen die Nazis in vielen Versammlungen in schärfster Form gesprochen hatte. Als „Dank“ erhielt er daraufhin von den Nazis den Beinamen „Der Teufel von Stubenberg“.

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