Wolbergs-Prozess
Staatsanwaltschaft wehrt sich erstmals gegen massive Verteidiger-Attacken

08.01.2019 | Stand 13.09.2023, 1:49 Uhr
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Die Regensburger Staatsanwaltschaft hat im Wolbergs-Prozess den Ton gegenüber den Ermittlern scharf kritisiert. Oberstaatsanwalt Markus Pfaller nannte Vorwürfe der Verteidigung gegenüber den Staatsanwältinnen „infam“. Wolbergs konterte, für die Staatsanwälte hätten Fehler keinerlei Folgen, bei ihm sei aber am Ende womöglich „alles erledigt.“

REGENSBURG Die Staatsanwaltschaft wehrt sich am 30 Verhandlungstag massiv gegen Attacken der Anwälte im Wolbergs-Prozess. Prozessbeobachter konnten am Montag einem Showdown zwischen Ermittlern und Verteidigern beiwohnen. Auf der Anklagebank sitzt der suspendierte Oberbürgermeister von Regensburg, Joachim Wolbergs, Bauträger Volker Tretzel und zwei weitere Angeklagte. Tretzels Anwälte hatten vor den Feiertagen eine Einstellung des Verfahrens beantragt. Sie begründeten das unter anderem damit, dass Telefonate falsch protokolliert wurden, Gespräche aus Kernbereichen und sogar Verteidigergespräche mitgeschnitten und nicht vernichtet wurden. Das Prinzip das „Fairen Verfahrens“ sei verletzt.

Zunächst konterte Staatsanwältin Christine Ernstberger den Antrag. „Die Verteidigung geht von der Annahme aus, die Vorwürfe seien gering“, sagte Ernstberger. Doch selbst wenn die Bestechungsvorwürfe nicht haltbar wären, „stehen immer noch 24 Fälle von Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung im Raum.“ Es gehe um 475.000 Euro Spenden für den Wahlkampf sowie um 120.000 Euro persönlicher Vorteile für Wolbergs. Und es gehe nicht um irgendwen, „sondern um den Oberbürgermeister von Regensburg, dem eine Vorbildfunktion zukommt“, sagte die Staatsanwältin.

Ihr Vorgesetzter, Oberstaatsanwalt Markus Pfaller, kritisierte immer wieder scharfe Attacken gegen Ernstberger und deren Kollegin Ingrid Wein. „Diese permanenten Vorwürfe sind inakzeptabel“, sagte Pfaller wörtlich. So habe Wolbergs beispielsweise der Ermittlerin vorgeworfen, einen Strafbefehl gegen einen anderen Bauträger „abgenötigt“ zu haben. „Frau Ernstberger vorzuwerfen, das habe sie rechtswidrig erwirkt, das ist infam.“ Pfaller sah sogar den Straftatbestand der „Üblen Nachrede“ im Raum stehen. Auch gegen die Behauptung, die Inhaftierung Wolbergs, Tretzels und dem mitangeklagten Franz W. sei rechtswidrig erfolgt, trat Pfaller vehement entgegen. „Drei Instanzen haben entschieden, dass die Haftbefehle aufrechterhalten werden.“ Da könne man nicht einfach behaupten, dass die Haft rechtswidrig war. „Da hilft auch die Fett-Markierung im Antrag nichts.“

„Wenn Sie eine Fehler machen, passiert nichts“

Pfaller befasste sich auch mit den Vorwürfen aus der Anklageschrift. Ein Anwalt nannte die Ausführungen dann sogar schon eine Art Plädoyer, das eigentlich am Ende eines Prozesses steht. Der Oberstaatsanwalt ging aber auch auf die Brisanz des Falles ein: „Hier sitzt ein Oberbürgermeister der Stadt Regensburg. Das ist uns bewusst.“ Das sei aber „auch unser Oberbürgermeister, der hier sitzt. Freude macht das wahrlich nicht, wenn man den eigenen Oberbürgermeister anklagt.“ Wenn die Verteidiger meinten, „dass hier die Sektkorken knallen, dann hat man sich gewaltig getäuscht.“ Man habe den Eindruck, die Ermittlerinnen seien „verbal zum Abschuss freigegeben, wenn über Frau Wein vom Angeklagten Wolbergs gezischt wird: ,Sie sind ja a ganz a Gscheide.“ Das sei „zwar inhaltlich richtig, aber wir sind hier in einem Gerichtssaal“, sagte Pfaller – und sorgte damit für einen kurzen Lacher.

Doch ansonsten konnte man die Luft eher schneiden an diesem 30. Prozesstag. „Einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens lasse ich mir nicht verbieten. Und der Antrag ist auch richtig“, konterte demgegenüber Tretzels Anwalt Florian Ufer. Für die Verteidigung Tretzels könne Ufer nur weit von sich weisen, „dass wir hier irgendwie persönlich geworden sind.“ Er bewertete die Ausführungen des Oberstaatsanwalts als „Ehrenerklärung für die Staatsanwaltschaft.“ Deutlicher wurde Wolbergs Anwalt Peter Witting. Er sagte, im Strafprozess allgemein und in diesem Verfahren insbesondere gehe es um viel. „Da haben persönliche Befindlichkeiten, wie sie die Staatsanwaltschaft hier vorgetragen hat, keinen Platz.“ Auch Wolbergs wurde erneut emotional. Mit hochrotem kopf schilderte er, wie er seiner Mutter erklären müsste, wenn das Ferienhaus der Familie in der Zeitung abgebildet wird. „enn Sie einen Fehler machen, dann passiert Ihnen gar nichts. Sie verlieren nichts. Vielleicht werden sie nicht schneller befördert, ich weiß es nicht“, sagte Wolbergs in Pfallers Richtung. „Ich habe mich nackt ausgezogen, auch vor Ihnen“, so Wolbergs. Bei ihm gehe es um alles, „bei der Staatsanwaltschaft geht es um nichts.“

Richterin Elke Escher sagte, sie empfinde den Ton im Prozess weitgehend als „sachlich. Wir sind im Zeitplan.“ Wann sie über den Antrag auf Einstellung des Verfahrens eingehen wolle, ließ Escher offen. Diese Woche befasst sich die Kammer mit Reparaturen am Ferienhaus und in einer Pächterwohnung Wolbergs‘, die angeblich teilweise von Tretzel übernommen worden sein sollen. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

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