Stadtbau
Sozial Schwache müssen weichen – zugunsten von noch ärmeren

10.07.2017 | Stand 13.09.2023, 3:07 Uhr
−Foto: Foto: Eckl

Die Stadtbau will Wohnungen im Inneren Westen sanieren. Doch leer stehende Wohnungen werden nun zu Notunterkünften. Die verbliebenen Mieter sind verunsichert – keiner redete bislang mit ihnen.

REGENSBURG Maria F. (Name geändert) ist, wie viele ihrer Nachbarn, schwer beunruhigt. Vor drei Jahren kündigte der damalige OB Hans Schaidinger auf einer Mieterversammlung an, dass die Blöcke der Stadtbau in der Altdorferstraße saniert werden müssen. „Bisher ist aber nichts passiert – außer, dass man uns im Dezember 2014 die Miete erhöht hat“, sagt Maria F.. Und: Leer stehende Wohnungen werden jetzt von Handwerkern notdürftig wieder hergerichtet. „Ein Handwerker sagte mir, da kommen jetzt junge Flüchtlinge rein“, so Maria F.. Sie ist verärgert. Hat die Stadtbau Mieter dazu bewegt, auszuziehen unter dem Vorwand, bald zu sanieren, bereitet die Wohnungen aber für Flüchtlinge vor?

Wir fragen nach – und bekommen nur schmallippige Antworten. „Der Stadtrat hat beschlossen, die Stadtbau zu beauftragen, vorübergehend freistehende Wohnungen – wie in der Altdorferstraße – für Menschen in schwierigen Lebenssituationen als Notwohnung zur Verfügung zu stellen“, so Joachim Becker von der Stadtbau, „die Kommune muss dafür sorgen, dass Wohnungslose zumindest vorübergehend und notdürftig untergebracht beziehungsweise beherbergt werden. Eine Unterbringung durch eine Kommune ist immer nur eine vorübergehende Maßnahme.“ Wer aber in die leer stehenden Wohnungen einzieht, das bestimmt nicht mehr die Stadtbau – sondern das Sozialreferat der Stadt.

Becker wünscht sich Verständnis: „Die übrigen in den Häusern wohnenden Mietparteien der Stadtbau sind hiervon zunächst nicht betroffen. Wir würden uns darüber freuen, wenn die dort wohnenden Stadtbau-Mieter ihre neuen Nachbarn willkommen heißen und die notwendigen Integrationsprozesse positiv begleiten würden.“

Das Wochenblatt konfrontierte die Stadt mit zahlreichen Fragen. Zunächst diese: Handelt es sich in diesem Fall um eine Enteignung? Denn auch wenn die Stadtbau der Stadt Regensburg gehört, ist sie doch eine eigenständige GmbH. Keine Antwort. Gerücht Nummer 2: Durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes müssen zahlreiche Sicherheitsverwahrte, also Schwerverbrecher, die in der Psychiatrie untergebracht sind, freigelassen werden. In Regensburg geht man von 15 bis 20 dieser Intensivtäter aus, die freikommen sollen. Das dementiert Stadt-Sprecherin Juliane von Roenne-Styra klar: „Das stimmt nicht. Wir bringen hier Menschen in Wohnungen unter, die in Not geraten sind – da die Notwohnanlagen derzeit voll sind, haben wir nach Ausweichmöglichkeiten gesucht.“

Faktisch ist es so, dass jeder Flüchtling, dessen Status als anerkannter Asylbewerber feststeht, in den Notunterkünften der Stadt als Fehlbeleger, ja, rechtlich als Obdachloser gilt. Muss die Stadt nun Hunderte von Menschen unterbringen, ziehen sie in die leer stehenden Wohnungen in der Altdorferstraße? „Vereinzelt kann das vorkommen“, sagt die Stadtsprecherin. Aber: „Zielgruppe für das Angebot in der Altdorferstraße sind ausdrücklich nicht Flüchtlinge. Die Bedürftigkeit wird durch die zuständigen Ämter festgelegt. Und über den Allgemeinen Sozialdienst der Stadt werden die Menschen intensiv betreut und dahingehend begleitet, zeitnah wieder eine eigene Wohnung zu finden“, sagt sie.

OB Joachim Wolbergs indes hat im Gespräch mit dem Wochenblatt eingeräumt, dass er vor Ort mit den Menschen sprechen muss. Er erwägt eine Mieterversammlung, um Klarheit zu schaffen: Wird saniert? Wenn ja, wann? Und wer zieht da eigentlich in die Nachbarschaft, wenn auch nur vorübergehend?

Maria F. jedenfalls fürchtet sich vor dem, was kommt. Es ist eben das Schweigen der Politik, das „besorgte Bürger“ schafft.

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