Kranke Phantasien an einem Kind ausgelebt
Sexueller Missbrauch: Tochter (6) mit Medikamenten betäubt

10.07.2017 | Stand 02.08.2023, 18:58 Uhr
−Foto: n/a

Gerichtsverhandlung: Eine Mutter betäubte ihre Tochter (6), damit ihr Geliebter seine sexuellen Phantasien an dem Mädchen ausleben konnte.

LANDSHUT / ERDING / EBERSBERG Schockierend und erschütternd selbst für die abgebrühtesten Zuhörer im Gerichtssaal: Ein 46-jähriger IT-Berater lebte seine perversen sexuellen Fantasien an der sechsjährigen Tochter seiner Geliebten, einer 43-jährigen Angestellten aus, die ihr Kind vor den Übergriffen mit Medikamenten betäubte, damit ihr Geliebter sich in aller Ruhe an dem Mädchen vergehen konnte. Die beiden Angeklagten stammen aus den Landkreisen Erding und Ebersberg.

Der Prozess um u.a. schweren sexuellen Missbrauch, sexuellen Missbrauch einer Widerstandsunfähigen und gefährliche Körperverletzung vor der als Jugendschutzgericht tagenden Jugendkammer des Landgerichts sollte – wie berichtet – eigentlich schon im Juli dieses Jahres über die Bühne gehen, war aber dann nach einem rechtlichen Hinweis von Vorsitzendem Richter Oliver Dopheide, nach dem bei der zunächst lediglich der Beihilfe angeklagten Angestellten auch eine Verurteilung als Mittäterin infrage komme, zunächst ausgesetzt worden.

Laut der von Staatsanwältin Anna Holzer vertretenen Anklage hatte sich das Paar im Jahr 2005 im Internet kennen gelernt und schon nach wenigen Treffen soll der IT-Berater „zur Sache” gekommen sein, seiner Bekanntschaft seine abartigen sexuellen Fantasien geschildert haben.

Die Angestellte, die eine dauerhafte Beziehung mit dem IT-Berater anstrebte, so die Anklage weiter, habe sich aufgeschlossen gezeigt und sich bereit erklärt, ihm ihre damals sechs Jahre alte Tochter zur Verwirklichung seiner sexuellen Phantasien „zur Verfügung” zu stellen. Und nicht nur das, sie soll ihm auch „Narrenfreiheit” zugesichert haben. Ab Mai 2006 soll es dann über ein Jahr hinweg zu mindestens sieben sexuellen Übergriffen auf das kleine Mädchen gekommen sein.

Dazu habe man sich in der Wohnung des 46-Jährigen getroffen, nachdem die Angestellte noch zuhause ihre Tochter zuvor zum Schlafen ins Bett gebracht und ihr Schlaf- oder Betäubungsmittel verabreicht haben soll. Mit dem schlafenden Kind suchte sie dann ihren Lebensgefährten auf, stellte ihm Tochter für seine perversen sexuellen Handlungen zur Verfügung. Und nicht genug damit: Von den Übergriffen, bei dem es dann auch zum Oralverkehr gekommen sein soll, sollen dann auch Videos gefertigt worden sein.

Dem 46-Jährigen wirft die Staatsanwaltschaft in einer weiteren Anklage vor, bereits 2012/2013 seine damals sieben bis acht Jahre alte Nichte sexuell missbraucht zu haben. Er habe sich in der Nacht zu dem schlafenden Kind geschlichen, es dann im Intimbereich begrapscht und sei mit dem Finger in sie eingedrungen. Auch davon soll er Videoaufnahmen gemacht und später sogar einer Bekannten vorgeführt haben.

Zur Zeit verbüßt der IT-Berater gerade eine dreijährige Freiheitsstrafe, zu der er 2014 von der Jugendkammer des Landgerichts verurteilt wurde. Damals hatte er sich - so die Urteilsbegründung - einer 13-jährigen Landshuter Schülerin, die auf der Suche nach einem „Vaterersatz” war, angebiedert und sie sexuell missbraucht.

In diesem Verfahren waren auch zunächst die Vorwürfe wegen des Missbrauchs der Nichte angeklagt, die dann zunächst vom Gericht abgetrennt wurden, weil das Gericht Nachermittlungen für notwendig erachtete. Im Zusammenhang damit wurden dann die Ermittler bei einer neuerlichen Computerauswertung fündig, stießen auf einen regen Chatverkehr zwischen dem IT-Berater und der Angestellten, in dem es um die schockierenden Übergriffe auf deren Tochter ging.

Im Rahmen des Juli-Termins war dann über schriftlich vorbereitete Erklärungen der Verteidiger bekannt geworden, dass die beiden Angeklagten beabsichtigten, die Vorwürfe zu bestreiten. Nach ihrer damaligen Version habe es nie Missbrauchsfälle gegeben, vielmehr habe man im Internet-Chat lediglich Fantasien „ausgelebt”.

Wie Vorsitzender Richter Dopheide zum Auftakt der Neuauflage berichtete, war es in der Zwischenzeit zunächst zu Rechtsgesprächen zwischen der Staatsanwaltschaft und den Verteidigern gekommen, in die letztlich auch die Berufsrichter der Kammer involviert worden seien. Dabei habe man sich darauf geeinigt, dass man sich bei der Angestellten im Falle eines umfassenden Geständnisses auf einen „minder schweren Fall” einigen könnte.

Zwar spreche die wiederholte Tatbegehung ebenso wie die Verletzung des besonderen Vertrauensverhältnisses zur Tochter dagegen, so der Vorsitzende. Andererseits wäre man ohne Geständnis auf reine Indizienbeweise angewiesen. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass die Taten bereits viele Jahre zurück lägen und die 43-Jährige laut Chatverkehr auch die Beendigung der Übergriffe betrieben habe. Beim IT-Berater, so der Vorsitzende Richter, kämen natürlich keinesfalls „minder schwere Fälle” in Betracht.

In einem weiteren Rahmen wurden dann die zu erwartenden Strafrahmen „abgesteckt”: Der IT-Berater muss mit einer Freiheitsstrafe zwischen sechseinhalb und siebeneinhalb Jahren rechnen, wobei die drei Jahre, die er gerade verbüßt, einbezogen werden. Der Angestellten wurde dagegen eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wird, in Aussicht gestellt.

Der Prozess wird am 19. September fortgesetzt. Bei diesem Termin wollen sich u.a. die Angeklagten äußern.

Erding