Prozessauftakt Versuchter Totschlag
Schuld war der abgehängte Rasierspiegel

27.06.2019 | Stand 29.07.2023, 5:16 Uhr
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„Ich schwöre dreimal auf Gott, dass ich B. nicht erniedrigt habe“, beteuerte der Angeklagte A. zu Prozessbeginn am Landshuter Landgericht. Seit gestern muss sich der 38-jährige Syrer vor der als Schwurgericht tagenden ersten Strafkammer wegen versuchtem Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verantworten. Bewaffnet mit Messer und Hammer soll er im November vergangenen Jahres seinen 37-jährigen Mitbewohner B. bedroht und verletzt haben. Doch der Angeklagte präsentierte sich vor der Kammer als das eigentliche Opfer.

LANDSHUT Wie er felsenfest behauptete, war er es, der den Messerstich abbekommen hatte. Und den Hammer habe er sich nur aus der Abstellkammer geholt, um sich vor dem fünffachen Familienvater B. zu verteidigen, wie er dem Gericht glaubhaft machen wollte. Der Asylbewerber, dessen Asylantrag abgelehnt wurde, befindet sich derzeit in der JVA Landshut.

Laut Anklage lebten die beiden Männer gemeinsam in einem Haus in Vilsheim, in dem mehrere Asylbewerber untergebracht waren. Das Haus besteht aus drei größeren Wohnungen. Der Angeklagte bewohnte zusammen mit seiner Ehefrau die Wohnung im ersten Stock. B., das mutmaßliche Opfer, lebt mit seiner Familie im Erdgeschoss. Die Küche, das Bad und der Flur der Erdgeschosswohnung wurden von beiden Familien genutzt, was regelmäßig zu Streitereien zwischen den beiden Männern geführt habe. Meist sei es dabei um unterschiedliche Hygienevorstellungen gegangen und den Wunsch der Ehefrau des Geschädigten, die Küche nicht alleine und gleichzeitig mit A. nutzen zu müssen.

Am Tattag, dem 6. November kam es wegen eines Spiegels im gemeinsamen Flur erneut zum Zwist: B. hatte diesen ungefragt entfernt, obwohl der Angeklagte A. ihn stets zum Rasieren benutzt hatte. „Der Spiegel gehörte uns allen. Er hatte nicht das Recht ihn einfach abzunehmen“, wie der Angeklagte der Kammer erklärte.

Laut der von Staatsanwalt Thomas Rauscher vertretenen Anklage drohte A. seinem Kontrahenten erst damit, ihm den Kopf abzuschneiden, dann schnappte er sich ein langes Küchenmesser. B. konnte sich in den Flur flüchten, verfolgt vom Angeklagten. Als eine Art Schutzschild ergriff B. eine Klapp-Plastikbox und hielt sie sich vor den Oberkörper. Dem Angeschuldigten gelang es dennoch, durch mehrere angedeutete Messerstiche, B. rücklings bis zu einer Abstellkammer zurückzudrängen, so dass dieser nicht mehr fliehen konnte.

Aus der Abstellkammer schnappte sich B. schließlich einen Plastik-Werkzeugkasten und warf ihn zur Verteidigung nach dessen Angreifer, wobei das Werkzeug auf den Boden fiel. Doch der Angeklagte griff nach einem Metallhammer und drohte B. auch damit. „In der einen Hand hatte er das Messer und in der anderen den Hammer. Erst dachte ich, er wolle mir nur Angst einjagen, bis es Ernst wurde“, erzählte B. im Zeugenstand.

Zu diesem Zeitpunkt sollen die Ehefrauen bereits gemeinsam versucht haben, A. wegzuziehen. Doch dieser habe weiterhin versucht, auf B. einzustechen und ihn mit dem Hammer gezielt am Kopf zu treffen. „Gib mir den Hammer!“, soll ein weiterer Mitbewohner den Angeklagten mehrmals zwischendrin aufgefordert haben, wie B. berichtete.

Letztlich gelang es dem Angeschuldigten doch noch, seinem Mitbewohner eine 8,5 cm lange und klaffende Schnittwunde an der rechten Brust zuzufügen. Mit einem massiven Tritt in den Bauch schaffte es B., seinen Angreifer abzuwehren und flüchtete.

Der Prozess wird am 11. Juli mit weiteren Zeugenaussagen fortgesetzt.

Landshut