Verstümmelung durch Kreiselmäher
Rettung für junge Wildtiere vor dem sicheren Mähtod

12.07.2017 | Stand 21.07.2023, 1:01 Uhr
−Foto: n/a

Jäger Konrad Silberbauer engagiert sich für die Rehkitzrettung.

ARNBRUCK Es ist ein ungleicher Kampf, der im Frühjahr und Sommer auf den Wiesen ausgetragen wird. Gegen die Kreiselmähwerke haben Rehkitze und andere kleine Wildtiere nicht den Hauch einer Chance. Dabei wird ihnen ihr natürlicher Schutzinstinkt zum Verhängnis. Wenn sich die Rehkitze bedroht fühlen, kauern sie sich zusammen und bewegen sich nicht von der Stelle. Ein wirksames Mittel gegen Fressfeinde. Doch wenn das Mähfahrzeug über die Wiese rollt, sitzen sie in der tödlichen Falle. Die deutsche Wildtier-Stiftung geht davon aus, dass jedes Jahr deutschlandweit Rehkitze im fünfstelligen Bereich getötet werden. Genaue Zahlen gibt es nicht. Einer, der den Kampf gegen den Mähtod aufgenommen hat, ist Konrad Silberbauer. Der Jäger engagiert sich bereits seit Jahrzehnten in der Rehkitzrettung.

Im Alter von elf Jahren hat Konrad Silberbauer seine beiden Onkel Johann und Alois in ihrem Jagdrevier begleitet, wenn diese die Wiesen vor der Mahd auf der Suche nach jungen Wildtieren durchstreift haben. Heute – 55 Jahre später – ist der Arnbrucker selbst Jäger und Pächter eines Jagdreviers. Seinen Einsatz führt er unermüdlich weiter, um die Tiere vor dem sicheren Mähtod beziehungsweise vor den grausamen Verletzungen zu bewahren.

„99 Prozent der Rehkitze werden durch die Mähwerke grausam verstümmelt. Meistens zerfetzt es den Tieren drei oder gar vier Läufe. Fleischbrocken werden durch die Mähmesser vom Körper herausgerissen, doch die Tiere leben weiter. Nur circa ein Prozent ist nach dem Kontakt mit dem Mähwerk sofort tot“, weiß der Jäger. Das heißt im Klartext: Die verletzten Tiere müssen getötet werden, weil ein Überleben nicht möglich ist.

Früher war das noch etwas anders. „Durch die Motormäher oder die Balkenmähwerke wurde die Rehkitze zwar auch verletzt, aber in der Regel wurde nur ein Lauf an- oder abgemäht“, erinnert sich Konrad Silberbauer. Diese Rehkitze wurden dann von ihm und seinen Eltern oder anderen Personen aufgezogen und haben fast zu 100 Prozent überlebt. Mit Aufkommen der Kreiselmähwerke haben die Verstümmelungen stark zugenommen. Umso wichtiger ist der Einsatz für den Tierschutz, der von der Mehrzahl der Jäger durchgeführt wird. Im Jagdrevier von Konrad Silberbauer gibt es rund 250 Hektar Wiesen, die als Kinderstube für die Kitze in Frage kommen. In der Zeit von Anfang Mai bis Ende Juni ist der 66-jährige Arnbrucker oft mehrere Tage hintereinander unterwegs. „Ich schätze, dass ich etwa 100 bis 150 Stunden im Einsatz bin. An einigen Tagen können es sogar 13 bis 15 Stunden sein“, sagt Konrad Silberbauer. Pro Mähsaison kann der Jäger so rund vier bis acht Rehkitze vor dem Tod bewahren. Darüber hinaus werden auch Junghasen, Jungfasane und Fasanengelege gerettet. Bis die Gefahr vorbei ist, werden die Rehkitze in vorbereiteten Kartons mit Luftlöchern und Gras verwahrt. Anschließend werden sie wieder ausgesetzt. Da sich Muttertier und Kitze zusammenfiepen, findet die Geiß ihr Kind auch ohne Probleme wieder. Doch trotz seines Engagements hat der Jäger in seinem Jagdrevier heuer schon neun Rehkitze bei der Mahd verloren. Auch auf technische Hilfsmittel greift Konrad Silberbauer zurück. „Wenn mich ein Landwirt früh genug informiert, dann stelle ich am Abend zuvor mehrere Rehkitzretter, die optische und akustische Signale abgeben, auf“, so der Jäger. Durch die Warntöne soll die Geiß veranlasst werden, das Kitz aus der Wiese zu bringen. Andere Geräte wie zum Beispiel Infrarot-Rehkitzretter sind nicht besonders praktikabel: „Das Gerät funktioniert nur in den frühesten Morgen- und Abendstunden. Die Sonne darf nicht zu stark scheinen, denn dann funktioniert das Infrarotgerät nicht mehr“, erklärt der 66-Jährige. Genauso verhält es sich mit den Drohnen mit Wärmebildkamera. Sobald die Sonne zu stark scheint, sind diese außer Gefecht. Und so ist die effektivste Rettungsmöglichkeit immer noch das Durchsuchen der Wiesen zu Fuß. „Ich gehe mit zwei Stöcken durch die Wiesen, da ich dann auch noch links und rechts von mir rund 1,5 Meter kontrollieren kann“, sagt Konrad Silberbauer. Unterstützung gibt es von den mitgehenden Jägern, falls diese Zeit haben, von einigen Landwirten und in seltenen Fällen auch von Privatpersonen, denen der Tierschutz am Herzen liegt. Aber das Problem ist, dass bei einer Schönwetterperiode mehrere Landwirte zur selben Zeit und zum Teil sehr kurzfristig mähen. „Ich hatte schon einmal 13 Bauern, die auf einmal gemäht haben. Da muss ich mich dann auf die Flächen konzentrieren, bei denen ich mir schon fast sicher bin, dass ich Rehkitze finde“, erklärt der Arnbrucker. Diese Arbeit könnte also auf jeden Fall weitere freiwillige Helfer gebrauchen. „Auch als Alternative zum Joggen oder zum Fitnesstraining“, sagt Konrad Silberbauer. Denn die Absuche erfolgt fast ausschließlich an sonnigen und heißen Tagen und ist damit sehr schweißtreibend. „Interessierte Tierschützer sollten sich einfach beim jeweiligen Jagdpächter melden“, fährt er fort. Auch über mögliche technische Fortschritte bei der Rehkitzrettung macht sich Konrad Silberbauer Gedanken. „Obwohl schon viel geforscht wurde, konnte noch keine tatsächlich praktikable Lösung gefunden werden. Das einzige, was meiner Meinung tatsächlich helfen würde, wäre ein Gerät, das man vor dem Mähen an den Traktor anbringt und das beim Erkennen der Tiere im Bereich der Mähwerke optisch oder akustisch „Alarm“ gibt. Doch so ein Gerät muss erst erfunden werden“, weiß Konrad Silberbauer.

Regen