Brisantes Gutachten:
Regensburger Professor: Elterngeld ist verfassungswidrig

05.07.2017 | Stand 13.09.2023, 6:08 Uhr
−Foto: Foto: Uni Regensburg

Thorsten Kingreen, Jura-Professor an der Uni Regensburg, hat im Auftrag der ÖDP ein Gutachten mit brisantem Inhalt erarbeitet: Der der Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht, Sozialrecht und Gesundheitsrecht hält das Elterngeld für verfassungswidrig.

REGENSBURG „Es handelt sich um den einmaligen Fall einer steuerfinanzierten Sozialleistung, die gut Situierten zugute kommt”, erklärt der Professor. Das sei zwar populär, weil eine breite Mittelschicht davon profitiere – das ändere aber nichts daran, dass die Regelung ungerecht sei und vor allem ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot darstelle: „Der Staat darf nicht bestimmte Familien-Leitbilder vorgeben.”

Jahrzehntelang sei die Hausfrauen-Ehe mit dem Mann als Alleinverdiener das Leitbild gewesen, erwerbstätige Frauen hätten als Rabenmütter gegolten. „Kaum haben wir das überwunden, hat sich das Leitbild komplett gedreht. Jetzt steht die erwerbsorientierte Erziehung im Vordergrund. Das ist ein Schwarz-Weiß-Denken, ich vermisse die Grautöne”, meint Kingreen.

Das alte Erziehungsgeld sei viel gerechter gewesen: „Diejenigen, die das Geld wirklich gebraucht haben, haben was bekommen. Wer gut verdient hat, hat nichts gekriegt. Auch das hat sich durch das Elterngeld komplett gedreht: Wer von Hartz IV lebt, bekommt 300 Euro, während Besserverdiener 1.800 Euro als steuerfinanzierte Entgelt-Ersatzleistung kassieren.” Das vermutlich in dieser Regelung „versteckte” Staatsziel à la „Die klugen Köpfe sollen Kinder kriegen, die sozial Schwachen bekommen eh zu viel” hält der Professor ohnehin für fragwürdig.

War es also keine gute Idee, mehr gut ausgebildete „Karriere-Paare” zur Familiengründung zu bewegen und ihnen staatlicherseits bei der Erhaltung ihres lieb gewonnenen hohen Lebensstandards unter die Arme zu greifen? Kingreen hat dazu eine klare Meinung: „Wer als Doppelverdiener gut lebt und sich nur des Geldes wegen für ein Kind entscheidet, der soll’s besser bleiben lassen.”

Jetzt ist der Regensburger Professor gespannt, ob und wie sein Gutachten bei künftigen Klagen gegen das Elterngeld berücksichtigt wird. „Das kann Jahre dauern”, weiß Kingreen um das langsame Mahlen der Justiz-Mühlen. Wenn am Ende aber auch das Bundesverfassungsgericht eine Verletzung des Neutralitätsgebots sehen sollte, hätte er ein sozialpolitisches Erdbeben ausgelöst …

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