"Ich schließe das aus"
Psychiatrie-Professor glaubt nicht an Depression zur Tatzeit bei Germanwings-Pilot

09.07.2017 | Stand 29.07.2023, 21:53 Uhr
−Foto: n/a

Der renommierte Münchner Psychiatrie-Professor Florian Holsboer bezweifelt, dass Germanwings-Pilot Andreas L. zum Zeitpunkt der Tat eine schwere Depression hatte.

MÜNCHEN Dem Nachrichtenmagazin Focus sagte Holsboer: "Ich schließe das aus." Ein "schwer Depressiver wäre zu so komplexen Handlungsabläufen, wie der Flugvorbereitung, dem Aussperren des Kapitäns und der Tat selbst gar nicht fähig und wäre seinem Piloten als fluguntauglich aufgefallen". Nur weil der Mann mal eine Depression gehabt habe, könne man nicht darauf schließen, dass er diese Tat aus einer Depression heraus verübt habe. "Ein solches Handeln ist absolut depressionsuntypisch", so der langjährige Leiter des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie.

Im Grunde, so Holsboer weiter, seien eher zwei Varianten denkbar: "Es gibt Persönlichkeitsstörungen, bei denen ein hohes Aggressionspotenzial vorliegt. Diese Menschen sind sehr kränkbar und impulsiv und haben auch einen gewissen Verlust an Realitätsbindungen. In der Extremform, bei Menschen mit Wahn, passiert Ähnliches: Der Täter kann die Konsequenzen nicht mehr realistisch bewerten."

Im Gespräch mit Focus kritisierte der 69-Jährige, Mediziner seien etwa bei Tauglichkeitsprüfungen "zu sehr darauf angewiesen, dass ein Probant immer die Wahrheit sagt". Das tue er aber nicht, wenn für ihn daraus negative Konsequenzen entstehen könnten. "Es wäre schon sehr hilfreich, endlich die Labor-Diagnostik in die Psychiatrie einzuführen, die Dinge für uns objektiviert und die uns frühzeitig Hinweise geben kann, wenn sich beim Patienten beispielsweise im Stresshormonhaushalt Entscheidendes ändert."

Regensburg