Theodor Kempkes
Pop-up Ausstellung in Viechtach mit Auflösung und Verkauf der Kunstsammlung

12.02.2018 | Stand 20.07.2023, 16:10 Uhr
−Foto: Foto: Tourist-Info Viechtach

Dem Viechtacher Künstler Reinhard Schmid ist es gelungen, den Verkauf der Sammlung mit Werken von Theodor Kempkes (1905 – 1993) nach Viechtach zu holen. Im Alten Rathaus Viechtach findet hierzu vom 23.-25. Februar 2018 eine Pop-up Ausstellung mit Verkauf der Werke von Theodor Kempkes aus der umfangreichen Sammlung des Münchner Kunstsammlers Reinhard Peterhans statt.

VIECHTACH Die Ausstellung wird am Freitag, 23. Februar, um 18.30 Uhr eröffnet. Bereits ab 16 Uhr kann sie bei freiem Eintritt besichtigt werden. Samstag und Sonntag läuft die Ausstellung mit Verkauf dann jeweils von 10 – 17 Uhr. Unter www.theodor-kempkes.de hat Reinhard Schmid eine kleine Übersicht zum umfangreichen Werk Kempkes zusammengestellt. Fragen rund um die Ausstellung sowie zu Terminvereinbarungen nimmt Reinhard Schmid unter Tel. 09942/8095312 gerne entgegen.

Theodor Kempkes war Maler und Grafiker und vor allem eins: ein Paradoxum par excellence. Ein jugendlicher Romantiker – Idealist (vielfacher Illustrator für die Münchner Künstler-Faschingsbälle) –und aufmüpfiger Pazifist bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges.

Nach Kriegsende verarbeitet er seine traumatischen Erfahrungen mit geradezu missionarischer Hingabe und Enthusiasmus als kämpferischer Pazifist und radikaler Umweltschützer. Politik-, Religions- und Wirtschafts-Machtmissbrauch sind immer wieder Reizthemen für ihn, „den Unbeugsamen“ wie er sich gerne selbst sah. Er prangerte mit seinen Werken die Ungerechtigkeiten seiner Zeit an. Expressiv, rebellisch und quer. Aber oftmals auch mit einem satirischen Anstrich. Theodor Kempkes, 1905 in Köln geboren, war kein akademischer Maler – von kurzen Aufenthalten unter Olaf Gulbranson an der Kunstakademie einmal abgesehen. Er war Autodidakt und ließ sich auch nicht gerne in künstlerische Korsetts zwängen. Bereits als Jugendlicher begann er zu malen. Mit Künstlerkollegen tauschte er sich intensiv im niedersächsischen Worpswede, der Wiege der deutschen Expressionisten, aus. Im Dritten Reich flieht er erst in die Schweiz, wird von den Nationalsozialisten aber als Kriegsberichterstatter und –zeichner für die Ausgaben des VÖLKISCHEN BEOBACHTER und des STÜRMER zurückbeordert. Ansonsten hätte seiner Familie die Sippenhaft gedroht. Es liegen exorbitante Welten zwischen diesen Pflicht- bzw. Zwangsaufträgen in den 40er Jahren des Krieges und seinen späteren Werken, in denen er die Gräueltaten im Dritten Reich auf beklemmend-bedrückende Weise anprangerte - vergleichbar dem krassen Elendsrealismus eines Otto Dix, jedoch in dem unverkennbaren Theodor Kempkes eigenen Malstil der zeichnerisch-graphischen Farbgestaltung. Das rein graphische Pendant zu diesen meist großformatigen Gemälden sind die quasi Fortsetzungen „wie‘s weitergeht“, ein Milieustudienkonvolut auf losen Blättern und in kleinen Notitzheften des Nachkriegsdeutschlands nach dem Vorbild des Karikaturisten Heinrich Zille. Dieser erreichte mit Zeichnungen und Radierungen mit sozialkritischen, aber auch humorvollen Milieudarstellungen von der Kaiserzeit bis hin in die Weimarer Republik in Berlin eine enorme Bekanntheit, Beliebtheit und Akzeptanz.

Mit seinen Werken stellte Kempkes sich zeitlebens intellektuell und künstlerisch auf die Seite der Unterdrückten und der Leidenden: Der Arbeiter, die angesichts der Industrialisierung um ihren Lebensunterhalt kämpfen müssen. Sein Engagement für die Gewerkschaften war beispielgebend und wurde mit der Verleihung des Jerg-Ratgeb-Preises für kritische Malerei geadelt. Der von Kriegen und Unterdrückung in aller Welt Gebeutelten. Er zeigt als einer der ersten Maler das Elend in Afrika. Das Leiden der Chilenen in der Militärdiktatur Pinochet. Er prangerte die weltweite Umweltzerstörung an – und das alles bereits in der Mitte des letzten Jahrhunderts. Der Mensch steht im Mittelpunkt von Kempkes Werk. Er kämpfte darum, diesen Menschen eine Stimme zu geben. Kempkes klagte an, ermahnte, wiegelte auf – oft mit beißend-satirischem Ton. Kempkes war ein Visionär, der es auch nicht scheute, sich mit den Großen seiner Zeit aus Politik, Wirtschaft und Kirche anzulegen. Kempkes – das hieß Protest und Aufrütteln mit dem Pinsel und dem Bleistift. Ein Künstler, der zeitlebens zum Nachdenken und Umdenken anregen wollte.

Daneben gab es aber auch einen Kempkes, der sich gut bezahlte Aufträge mit gefälligen Genre und Landschaftsmalereien sicherte. Um diesen Spagat von der existenziellen Notwendigkeit des Geldverdienens zum Lebensunterhalt und der geradezu besessenen Obsession, in der Gesellschaft und bei den Menschen das Bewusstsein zur Erkenntnis von Verantwortung, Wachrüttelung und Aufklärung zu meistern, bediente sich Kempkes eines ganz einfachen Tricks: Die sogenannten angenehmen Gefälligkeitsbilder brachte Kempkes nach Aussage seiner Tochter unter dem Künstlerpseudonym „len lerk“ auf den Markt und in den Handel.

Die freie maltechnische Umsetzung der Themen von künstlerischen Weggefährten wie Berthold Brechts „Dreigroschenoper“ oder „Wenn es Nacht wird in Harlem“, ebenso der Zyklus „Thomas Münzer“ aus „der Bauernkrieg“ und „Geschlagen gehen wir nach Haus“ gaben Kempkes das Gefühl, sich selbst und seine Ideale nicht nur verkaufen zu müssen.

Ein Großteil dieses außergewöhnlichen künstlerischen Lebenswerks, das inhaltlich auch im Jahr 2018 nichts an Brisanz verloren hat, steht jetzt ab 23. Februar in Viechtach in einer Pop-up-Ausstellung zum Verkauf. Der Münchner Kunstsammler Reinhard Peterhans vertraut dem Viechtacher Künstler Reinhard Schmid seine Sammlung an, um die ca. 400 Gemälde, 3000 Zeichnungen und 1000 Graphiken neuen Besitzern zuzuführen.

Peterhans war leidenschaftlicher Kunstsammler. Als er Anfang der 90er auf den renommierten Maler und Graphiker Theodor Kempkes aufmerksam wird, der in den 70er/80er Jahren in der Münchner Leopoldstraße 54 eine ständige Ausstellung hatte und in Stockdorf im Würmtal erfolgreich sein Atelier betrieb, kauft er dessen ganzes Lebenswerk auf. Ziel war es, die Werke Kempkes zusammen mit anderen Objekten aus der Sammlung Peterhans (z. B. Original-Dali Werke und Leihgaben von Bildhauer Joachim Berthold) in einer Galerie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der Landkreis Rosenheim, in dem Kempkes zuletzt wohnhaft war, hatte den Erwerb dieses Lebenswerks zuerst ausgeschlagen. Nach dem Kauf und aufgrund des mysteriösen Verschwindens einiger wesentlicher Werke Kempkes kam es nach Kempkes Tod 1993 zu einem jahrelangen Rechtsstreit zwischen Kunstkäufer Peterhans und dem Landratsamt Rosenheim in Vertretung der Erben, welche ihre Ansprüche aus dem Nachlass Kempkes an den Landkreis Rosenheim abgetreten und übertragen haben, so dass die im Sinne des Malers geplante Galerie leider nicht realisiert werden konnte. Weil Rosenheim auf Nachfrage auch nach über 10 Jahren weiterhin keine Aktivitäten und finanzielle Aufwendungen für die dem Künstler zugesicherte Publikation und öffentliche Präsentation seines Lebenswerkes gewährt, werden auf diesem Wege nun Werke in den Verkehr gebracht. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass das Wirken, die Leistung, das Streben und Kämpfen und der Erfolg Theodor Kempkes in den digitalen Medien bis dato keinen Niederschlag fanden.

Nun will sich Peterhans, der früher sehr erfolgreich einen naturnah produzierenden Lebensmittelbetrieb in München betrieben hat, auch aus Altersgründen von der Sammlung Kempkes trennen. Viechtachs Bürgermeister Franz Wittmann freut sich sehr, dass Peterhans über den Kontakt zu Reinhard Schmid den Weg in die Bayerwaldstadt Viechtach gefunden hat, die er bereits von zahlreichen Ausstellungen, an denen Reinhard Schmid mitgewirkt hat, kennt und schätzt.

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