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Oh, wie doof sind wir Deutschen eigentlich?

09.07.2017 | Stand 13.09.2023, 2:54 Uhr
−Foto: Foto: ce

Wochenblatt-Autor Christian Eckl befindet in "Meiner Woche": Wie dumm wir Deutschen doch sind. Bekommen keine Maut hin, während die Nachbarn kräftig abkassieren.

REGENSBURG Oh, sind wir doof! Wenn einer eine Reise tut, hat er einiges zu erzählen. So wird mein Herbst-Trip in das Nachbarland Österreich nicht nur landschaftlich und kulturell, natürlich auch kulinarisch ein Erlebnis, sondern auch politisch eine Lehrstunde. Wer wissen will, wie doof wir Deutschen wirklich sind, tut gut daran, auf der Autobahn durch das Nachbarland zu fahren. Gutgläubig, wie ich bin, finde ich die Vignette für 8,50 Euro eigentlich recht günstig und denke mir: Was haben die denn alle mit der Maut, wenn die Autobahn keine Schlaglöcher hat, dann zahle ich gerne. Im Laufe meiner Anreise wird mir dieser Gedanke aber schnell abhandenkommen. Denn die Österreicher sind echte Raffgiere, wie ich finde. Denn schnell kommt eine weitere Mautstation, dort werden mir nochmal fünf Euro abgenommen. Und nicht weit davon entfernt ist ein Tunnel, für den ich erneut 8,50 Euro abdrücken darf. Insgesamt kassiert mich also der österreichische Staat auf der Hin- und Rückfahrt mit 44 Euro ab. Das ist ungefähr die Hälfte von dem, was ich Kfz-Steuer in Deutschland zahle. Dem Fass den Boden schlägt dann noch eine Werbung an einem Geldautomaten aus: Die hiesige Bank bietet den Österreichern an, die komplette Jahresvignette zu übernehmen, wenn man sich bei ihnen Kfz-versichert. Das ist modernes Raubrittertum und eine „Maut für Ausländer“ ist es obendrein, wenn sich die Herrschaften im Nachbarland gegenseitig die Vergünstigungen in Form von Versicherungs-Nachlässen zuschieben. Und wir Deutschen? Wir sind zu blöd, eine EU-konforme Maut hinzubekommen, nur weil sich Mutti Merkel im Wahlkampf nicht einig war mit der CSU, die aber auf die „Maut für Ausländer“ besteht, ein saublöder Ausdruck, bei dem auf einem Schlag jeder EU-Bürokrat in Brüssel sofort aus dem Sessel gehievt wird. Wie doof sind wir eigentlich?

Noch blöder ... Man kann es ja schon fast nicht mehr lesen, aber ein, zwei Bemerkungen in Sachen Flüchtlinge aus österreichischer Perspektive möchte ich doch noch los werden. Erstens: Dort nennt die Unterkünfte für die Ankommenden aus Ungarn und Kroatien kein Mensch Erstaufnahmeeinrichtungen. Sie heißen Transitunterkünfte. Damit gleich mal klar ist, dass man die Menschen einfach weiter schickt. Zweitens: Die Regierungspartei von SPÖ-Kanzler Faymann hat 24 Prozent, während in den Umfragen die rechtspopulistische FPÖ auf ein Drittel der Stimmen kommt. Das ist Wahnsinn und sollte eine Warnung für alle sein, die hier keinen klaren Kurs haben. Der muss doch sein: in der Not helfen, Kriegsverfolgten helfen, aber solidarisch auf Europa verteilen – und wirklich prüfen, wer kommt!

Grenzkontrollen? Nö! Ach, genau, und noch was zum Thema: Bei der Ausreise aus Österreich stehe ich natürlich im Stau. Grenzkontrollen, denke ich. Vor genau einer Woche war ich hier und habe mir zusammen mit Journalisten-Kollegen ein Bild gemacht. Da wurde jedes passierende Auto beleuchtet und verdächtig erscheinende Fahrzeuge aus dem Verkehr gezogen. Geblieben sind eigentlich nur noch die Fahrzeuge der Bundespolizei, es steht kein Beamter mehr da, der in die Autos leuchtet, faktisch fand eine Kontrolle nicht statt, zumindest in dem Moment, in dem ich die Grenze passiere. Geblieben sind also gelangweilte Bundesbeamte, die ich beim Kaffeetrinken und beim Spielen mit dem Handy beobachte, sowie der Stau, der ist auch geblieben. Da fragt man sich halt: Ist das alles nur Scheinpolitik? Gibt es diese Grenzkontrollen überhaupt? Mit uns fahren drei hinten abgedunkelte Kleintransporter durch, die ich verdächtig fand ...

Die Welt im iPad Beim Besuch der größten Wasser führenden Tropfsteinhöhle Österreichs herrscht Fotografierverbot. Allerdings nicht, weil man irgendetwas schützen müsste vor dem hellen Blitz. Der Höhlenführer erklärt, warum: „Wir hatten zu viele Verletzte.“ Als ich erstaunt nachfrage, was das mit dem Fotografieren zu tun hat, sagt er: „Jeder hat nur noch seinen Handy-Display gesehen und wir hatten hier Leute, die sind einfach die Treppen runter gefallen. Einer ist mit seinem iPad durch die Höhle gelaufen und hat nichts anderes gesehen als das Display.“ Seit dem Fotografierverbot hat der Höhlenführer weitaus weniger Stress, er muss nur manchmal einem Besucher Hammer und Meißel abnehmen: „Sie glauben gar nicht, wer alles kommt und einen Tropfstein mit nach Hause nehmen will. Die besonders Lustigen sagen, wenn ich sie erwische, die wachsen doch eh wieder nach!“ Ich bin ... fassungslos.

Per SMS Bescheid sagen Oft ärgere ich mich ja darüber, dass ich kein passendes Kleingeld am Parkautomaten dabei habe und man mittlerweile in vielen Städten Deutschlands bereits per Handy zahlen kann – nur bei uns scheint das noch nicht zu funktionieren. Bei Freunden zu Besuch staune ich allerdings Bauklötze: In Straubing bekommt man vom Müllzweckverband eine SMS, wenn am nächsten Tag die Biotonne abgeholt wird. Das nenne ich mal Bürgerservice und ich kann nur alle Bürgermeister unserer Region auffordern, sich mal selbst zu fragen: Wie weit ist unsere Kommune mit der digitalen Revolution wirklich?

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