A g‘miatlicher Boarisch-Unterricht:
Oachkatzlschwoaf“ oder so geht Integration auf boarisch!

10.07.2017 | Stand 13.09.2023, 1:49 Uhr
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Einmalig! Dialektkurs für Flüchtlinge.

PASSAU „Oachkatzlschwoaf“ – der Klassiker für alle jenseits des „Weißwurschtäquators“ Geborenen. Oachkatzlschwoaf, eine linguistische Meisterleistung und zugleich gnadenloser Erkennungstest, denn „Für Sprecher, die nicht im bairischen Sprachraum geboren sind, ist es sehr schwierig, das Wort auch nur ansatzweise im jeweils lokalen Dialekt richtig wiederzugeben; eine Aussprache hinzubekommen, die sich nicht von der der Einheimischen unterscheidet, ist praktisch unmöglich.“, heißt es dazu bei Wikipedia.

Ganz meistern auch Sinan und Walid diese Sprachhürde noch nicht – aber sie sind schon nahe dran. Dank Daniela Uhrmann! Seit rund einem halben Jahr gibt sie, im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes beim gemeinnützigen Verein „Gemeinsam leben und lernen in Europa“, den beiden syrischen Flüchtlingen auf ihren Wunsch hin, seit einem halben Jahr bayerisch- äh, Boarisch-Unterricht. Übrigens: ein besonderer Sprachkurs, den es so tatsächlich nur in Passau gibt.

Sinan Ibrahem (27) und Walid Airifaei (25) sind Uhrmanns einzige Schüler. Und sie sind sehr fleißig. „I ram‘d Kich z‘am“ flutscht schon gut; genauso: „I ho scho gessen“. „Anfangs habe ich mit den beiden Englisch gesprochen, bis sie sich beschwert haben: ‚Wir wollen nicht Englisch lernen, sondern Deutsch und Bayerisch!“ Und zwar genau in dieser Reihenfolge.

„Ich dachte, ich kann Deutsch und jetzt verstehe ich wieder nichts“, erinnert sich Walid an seine Anfänge in bajuwarischen Gefilden. Aber er wollte verstehen und Sinan genauso. Vor allem Walid – früher mal Jurastudent, bis ihn den Krieg aus seinem Land vertrieb – ist äußerst sprachbegabt. „Er saugt einfach alles auf“, meint seine Bayerisch-Lehrerin stolz. Irgendwie scheint Walid ein Narren am Boarischen gefressen zu haben. „Ich hatte zwölf Jahre lang englisch in der Schule. Aber deutsch finde ich als Sprache einfach viel interessanter. Und Bayerisch ist wie Musik!“, meint Walid in gut Verständlichem Deutsch.

„Mia san vom Woid“, tönt es aus dem CD-Player auf urboarisch. Liedgut für einen „g‘miatlischen Boarisch-Unterricht“, wie es Daniela Uhrmann formuliert. „Im Deutsch-Unterricht ist die ganze Woche lang von morgens bis abends Pauken angesagt. Bei mir geht es darum, die bayerische Sprache zu erleben, Spaß an ihr zu haben.“ Und ihre Rechnung scheint aufzugehen. „Was ich auf deutsch lerne vergesse ich viel leichter – auf bayerisch merke ich mir irgendwie alles besser“, gibt Walid zu.

Wie Walid wohnt Sinan derzeit in Vilshofen – in einer kleinen, eigenen Wohnung. Beide flohen vor dem Krieg in ihrer Heimat, alleine, mussten Eltern und Geschwister zurücklassen. Nur die Stärksten schaffen den Weg in den Frieden! Im Februar 2017 absolvieren Senan und Walid den letzten Sprachtest und können auf Arbeitssuche gehen. Senan hat in seiner Heimat bereits eine Lehre „Tourismus und Management“ begonnen und würde in Deutschland gerne eine Ausbildung zum Reiseverkehrskaufmann machen. Walid war in Syrien an der Uni, nun möchte er in Passau Jura studieren. Ihr großer Traum: später einmal in München leben und arbeiten. Bis dahin leben beide von Hartz IV, gezahlt vom Jobcenter, genauso wie die Miete und das Essen. Der bayerische Grundstein ist gelegt, ebenso wie die Faszination geweckt für eine völlig fremde Sprache und ihre abenteuerlichen Wortkürzel: Für das Wort „auch“ reicht auf bayerisch schließlich ein knappes „a“!

Passau