Schwurgerichtskammer geht Beweisantrag der Verteidigung zur Schuldfähigkeit nach
Notzing-Morde: Welche Rolle spielte der „Drachentöter“?

07.07.2017 | Stand 27.07.2023, 23:09 Uhr

War ein „Drachentöter“-Computerspiel der letzte Auslöser für den grausamen Notzinger Doppelmord? Die Schwurgerichtskammer beim Landgericht Landshut will jedenfalls einem entsprechenden Beweisantrag der Verteidigung nachgehen, der für die Frage einer verminderten Schuldfähigkeit eine Rolle spielen könnte.

NOTZING Verteidiger Winfried Folda hatte, wie am Rande der Vernehmung des Sachbearbeiters der Erdinger Kripo, Anton Wegmaier, bekannt wurde, an einem der vorausgegangenen Verhandlungstage in einem Beweisantrag festgestellt, dass der des Mordes an einem Notzinger Ehepaar angeklagte Anlagenmechaniker Christoph W. (22) aus Freising in der Nacht vor der Tat über mehrere Stunden hinweg exzessiv am Computer mit dem Spiel „Skyrim“ beschäftigt habe. Bei diesem Spiel gehe es um die Bekämpfung bzw. das Töten von Drachen. Das könne, so der Verteidiger, der letzte Auslöser für die von seinem Mandanten vollumfänglich eingeräumte Tat gewesen sein und damit bei der Beurteilung seiner Schuldfähigkeit eine Rolle spielen. Wie im Vorfeld bereits bekannt wurde, bescheinigt der renommierte Psychiater Prof. Dr. Norbert Nedopil bislang dem 22-Jährigen zwar eine Persönlichkeitsstörung, allerdings keine Einschränkung der Schuldfähigkeit. Die Prozessbeteiligten wollen sich jetzt mit einem „Augenschein“ einen Eindruck von dem Spiel, das übrigens ab 16 Jahren freigegeben ist, verschaffen: Die Mutter von Christoph W. hat sich bereit erklärt, Konsole und Spiel zur Verfügung zu stellen. Am 25. Februar wollen sich dann die Prozessbeteiligten im Rahmen der Beweisaufnahme damit beschäftigen. Im Verlauf des Verhandlungstages standen dann die Ergebnisse der Spurensicherung im Mittelpunkt. So berichtete ein Chemiedirektor vom Landeskriminalamt, dass an den Textilien des Mordopfers, in dem Tuch, in das er zum Abtransport eingewickelt wurde und in dem Pumpensumpf im Neubau in Lengdorf Benzin als Brandbeschleuniger festgestellt worden sei. Auch eine Lungengewebeprobe des Ermordeten habe Benzin enthalten. Dieser Befund lasse sich mit den Verletzungen des 60-Jährigen am Brustkorb in Einklang bringen. Bekanntlich hatten der Anlagenmechaniker und seine Ex-Verlobte, die Tochter des ermordeten Ehepaares, versucht, am Abend des Tattages, des 30. März 2012, die Leichen zu beseitigen. Der Vorschlag, sie zu verbrennen, war von der Tochter gekommen, nachdem die Eltern früher einmal den Wunsch geäußert hatten, nach ihrem Tod feuerbestattet zu werden. Die Leiche des Vaters hatten sie in ein Auto geschleppt und waren dann damit nach Lengdorf gefahren, wo Christoph W. ein eigenes Haus baute, das zum Tatzeitpunkt im Rohbau fertiggestellt war. Laut Anklage versuchten sie, die Leiche im Pumpensumpf – einer würfelförmig betonierten Vertiefung im Keller – zu verbrennen. Dazu sollen sie sie mit Benzin und Spiritus übergossen und dann noch Holzreste nachgelegt haben. Der Tochter des Ehepaares bescheinigte Sachbearbeiter Wegmaier ein unerschütterliches Alibi: Bis zum frühen Nachmittag – also während der Tatzeit – sei sie nachweislich in der Berufsschule gewesen, habe dann gegen 15.30 Uhr darauf gewartet, dass sie ihr Vater abgeholt würde. Statt dessen kamen kurz hintereinander SMS von den Handys der Mutter und des Vaters: „Musst mit dem Bus nach Hause fahren, gehen spazieren.“ Zu diesem Zeitpunkt waren die Eheleute schon tot, die SMS hatte Christoph W. abgeschickt.

Erding