Zankapfel Salzburger Flughafen:
Nachbarschaftliche Zerreißprobe

08.07.2017 | Stand 25.10.2023, 12:03 Uhr
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Ramsauer ändert DVO und fordert mehr Südanflüge, Österreichs Politiker wollen Angela Merkel einschalten. Mit Kommentar von Tanja Weichold.

FREILASSING/SALZBURG Der Aufschrei in Salzburg war abzusehen. Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer greift durch und setzt Österreich das Messer auf die Brust: Er verlangt das Anflug-Verhältnis beim Salzburger Flughafen von derzeit 90 Prozent über Freilassinger Gebiet auf 70 Prozent zu reduzieren. Dazu legte er nun den zuständigen Behörden in Wien den Entwurf der „253. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrs-Ordnung – Festlegung von Flugverfahren für Anflüge nach Instrumentenflugregeln zum Flughafen Salzburg“ (DVO) vor.

Scharfe Kritik übte Freilassings Bürgermeister Josef Flatscher am Montagabend in der Stadtratssitzung an den Aussagen von österreichischer Seite wie „Luftkrieg“ und an der Stimmungsmache, wonach Ramsauer mit seinen Plänen die Existenz des Salzburger Flughafens gefährde.

Absurde Vergleiche aus Salzburg

Tourismusreferent Harald Preuner (ÖVP) wird von den Salzburger Nachrichten zitiert, dass er den bayerischen Entwurf mit der „1000-Mark-Sperre der Nazis in den 30er Jahren“ verglichen haben soll.

Ingo Strater, Pressesprecher von Bundesverkehrsminister Dr. Ramsauer, erklärt gegenüber dem Wochenblatt: „Die Belastungen durch den Flughafen müssen fairer verteilt werden. Hierzu wurden bereits neue innovative Anflugverfahren von Süden über österreichisches Gebiet entwickelt und eingeführt. Die österreichische Seite hat jedoch bislang zu wenig getan, dass diese neuen Verfahren genutzt werden.“

Die DVO solle in Summe zu einer strukturellen Verlagerung der Anflugrichtungen über österreichisches Gebiet – also aus südlicher Richtung – führen. „Mit der DVO wird weder die Wirtschaftlichkeit des Flughafens infrage gestellt, noch dieser gefährdet.“

Den Entwurf der neuen DVO erstellte das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) in Abstimmung mit dem Bundesverkehrsministerium. Die Abstimmung innerhalb Deutschlands sei abgeschlossen, der neue Entwurf liegt der österreichischen Regierung zur Stellungnahme vor.

Die EU-Kommission prüft den Entwurf

Am Freitag vergangener Woche fand laut Strater ein „Abstimmungsprozess auf Fachebene“ in Wien statt. Das deutsche Bundesjustizministerium prüfe nun die Rechtsförmlichkeit des DVO-Entwurfes. Anschließend werde er der EU-Kommission zur Prüfung vorgelegt.

Die in den Medien bereits hoch gekochten Nachrichten, wonach künftig laut Plänen Ramsauers so gut wie keine Flüge mehr über den Norden – also über Freilassinger Gebiet – durchgeführt werden dürfen, relativiert das Verkehrsministerium, indem es vehement auf das geforderte Verhältnis von 70:30 hinweist – bei dem letztlich immer noch über zwei Drittel der Anflüge über bayerisches Gebiet erfolgen würden.

Der Weg dorthin wird vom Mininsterium mit deutlichen Vorgaben eingefordert: Anflüge nach Instrumentenflugregeln von Norden über deutschem Hoheitsgebiet sollen laut Strater nur noch durchgeführt werden, wenn Flieger und Personal nicht die Voraussetzungen für den anspruchsvolleren Südanflug besitzen, das Wetter den Südanflug nicht zulässt oder es sich zum Beispiel um Notlagen und besondere Gefahrensituationen handelt.

Dem laut Flatscher „rotweißroten Sturm“ und der „Hetzkampagne“ setzt er entgegen: „Auch in Salzburg ist endlich die Botschaft angekommen: In Sachen Fluglärm gibt es akuten Handlungsbedarf.“ Und fügt hinzu: „Wir fordern nichts anderes als eine gerechte Verteilung der An- und Abflüge. Und das seit Jahren. Verbesserungen wurden uns versprochen, Spürbares war allerdings nicht zu verzeichnen.“

Weiter sagte er vor dem Stadtrat: „Ich kann immer wieder nur wiederholen: Freilassing bekämpft nicht den Flughafen, sondern den Fluglärm. Und jetzt ist Salzburg endlich gefordert, wirklich was zu tun.“

Selbst Grüne/Bürgerliste sprechen von einem „Hoffnungsschimmer“ und stellen sich hinter das Vorgehen des CSU-Ministers Ramsauer. Sie verlangen sogar „kein Einknicken bei weiteren Gesprächen“.

Kommentar von Tanja Weichold:

Gerechtigkeit

Um es vorweg zu schicken: Ja, ich nutze den Salzburger Flughafen. Ja, ich bin froh, nur eine Viertelstunde bis zum Flughafen fahren zu müssen. Und nein, mich persönlich stört noch nicht einmal der Fluglärm, obwohl ich direkt in der Einflugschneise in Freilassing wohne. Aber es gibt hunderte Anwohner in und um Freilassing und übrigens auch Salzburger, zum Beispiel in Liefering, die der Fluglärm massiv stört. Kein einziger Politiker – auch Dr. Ramsauer, von dem die österreichischen Medien süffisant schreiben, dass auch er den Salzburger Flughafen regelmäßig nutzt – stellt den großen Nutzen des Salzburger Flughafens infrage! Wir alle – auch auf bayerischer Seite – sind froh, diesen Flughafen zu haben. Es geht einzig um eine gerechtere Verteilung – bei der Forderung statt 90 „nur“ noch 70 Prozent über Norden anzufliegen, bleibt immer noch der Großteil auf bayerischer Seite. Nach jahrzehntelangem Verhandeln, Diskutieren, leeren Versprechungen und Zahlenspielereien ist anhand der jetzigen Reaktionen aus Salzburg nur eines klar: Niemand hat in Österreich damit gerechnet, dass Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer ernst macht und die DVO ändert. Sobald sich echte Aufregung, Wahlkampfgepänkel und sonstiges öffentlichkeitswirksames Gedöhns gelegt hat, besteht nach Jahrzehnten vielleicht das erste Mal die Chance, auf eine vernünftige Einigung, den Fluglärm gerechter zu verteilen.

Tanja Weichold

Berchtesgadener Land