„The Who and the What“
Mutig und wichtig – Theater Regensburg inszeniert besondere Auseinandersetzung mit Religion(en)

20.01.2020 | Stand 13.09.2023, 0:28 Uhr
−Foto: Foto: Martin Kaufhold

Es geht um Liebe, eine besondere Vater-Tochter-Beziehung, das Verhältnis zweier Schwestern – und um die Frage, was Eltern dürfen und was nicht. Und: Es geht um die Frage der Religion(en) und inwieweit sie Einfluss haben dürfen auf das menschliche Leben. Am Theater Regensburg hat man sich mit „The Who and the What“ von Ayad Akhtar, einem Autor mit pakistanischen Wurzeln aus den USA, an ein besonderes Stück gewagt. Am Samstag, 18. Januar, feierte das mutige Stück Premiere im Theater am Haidplatz.

REGENSBURG „Afzal, ein strenggläubiger Pakistani, ist in den USA bestens integriert. Angefangen hat er als einfacher Taxifahrer, nun gehören ihm 30 Prozent aller Taxis in Atlanta. Der liebevolle Vater wünscht sich nach dem Tod seiner Ehefrau vor allem eins: Seine beiden Töchter sollen „den richtigen Mann“ heiraten. Während bei der jüngeren Mahwish schon seit Jahren ein geeigneter Verlobter in Aussicht ist, verbringt seine ältere Tochter Zarina viel Zeit in der Bibliothek, wo sie an einem geheimnisvollen Buch schreibt und dabei keinen Gedanken an Männer verschwendet. Da kommt Afzal die Dating-Plattform Muslimlove.com wie gerufen. Schnell ist ein Fake-Profil seiner störrischen Tochter erstellt und potenzielle Heiratskandidaten werden angeschrieben“, so heißt es im Programmheft zu „The Who and the What“. So gerne würde der Vater seine Älteste verheiraten, denn auch die Zweitgeborene will heiraten, kann aber erst, wenn die ältere Schwester den Bund fürs Leben eingegangen ist. Afzal „datet“ den weißen und sehr gläubigen Konvertiten Eli, der ist völlig überrascht, ein Treffen mit dem Vater einer Internetbekanntschaft hatte er jetzt auch noch nicht. Doch der Plan des Vaters scheint aufzugehen – Zarina trifft den jungen Mann und scheint sich zu verlieben. Es wird geheiratet. Doch dann der Bruch: Durch einen unglücklichen Zufall fällt Afzal Zarinas fertiges Manuskript in die Hände. Die junge Frau hatte lange an einem Buch geschrieben – über den Propheten und dessen Liebesleben, das schockiert den strenggläubigen Mann. Er bricht mit seiner Tochter, will sie nie wieder sehen ...

Es ist ein Stück voller innerer Zerrissenheit, nur vier Personen stehen auf der Bühne – Zarina, gespielt von Verena Maria Bauer, Mahwish, gespielt von Inga Behring, Afzal (Gerhard Hermann) und Eli (Philipp Quest). Diese vier aber schaffen es, die gesamte Bandbreite der inneren Zerrissenheit der Menschen zu verkörpern. Zarina, die ausbrechen will aus der strenggläubigen Familie, die schreiben will, der die Ehe nicht wichtig ist. Mahwish, die ihren Verlobten, mit dem sie trotz Verbots sexuellen Kontakt hat, heiraten möchte, aber Gefühle für einen anderen Mann hat. Eli, der erst spät zum muslimischen Glauben gefunden hat, jetzt aber Vorsteher einer Moschee ist und natürlich alles richtig machen will. In Zarina findet er eine „Gegenspielerin“, die er nach Kräften zu unterstützen versucht. Und Afzal, der als strenggläubiger Mann das Beste für seine beiden Töchter will, und doch den Propheten letztlich über alles stellt.

Es ist ein Stück voller Religionskritik, nein, nicht nur Islamkritik, denn auch das Christentum muss mit dem ein oder anderen Seitenhieb leben. Es ist ein Stück über Moralvorstellungen und die Tricks, diese irgendwie zu umgehen, ohne auffällig zu werden. Es ist ein Stück über Familienbande, die durch äußere Einflüsse Schaden nehmen. Es ist ein Stück über Wertvorstellungen und die Flucht aus diesen. Und es ist ein Stück darüber, dass Wertvorstellungen ganz unterschiedlich sein können und in Konkurrenz treten. Die Bewertung der Vorstellungen allerdings übernimmt der Mensch – und diese kann eben ganz unterschiedlich ausfallen.

Am Ende lehrt uns „The Who and the What“, dass das Leben mehr ist als Religion, das Leben besteht aus vielen Facetten – und selbst der strenggläubigste Mensch gerät irgendwann an seine Grenzen. Das kann uns verzweifeln lassen, so wie Afzal, der sich am Ende zumindest wünscht, dass das ungeborene Kind Zarinas ein Junge wird. „Es wird ein Mädchen!“, sagt seine Tochter ... und der Vorhang fällt ...

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