Forschung
Mukoviszidose besser verstehen

03.06.2020 | Stand 03.08.2023, 16:07 Uhr
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Eine neu entdeckte Erkrankung liefert Ideen für eine bessere Behandlung der altbekannten Stoffwechselerkrankung.

Regensburg. Mukoviszidose ist die häufigste schwer-verlaufende Erbkrankheit weltweit. Jedes Jahr werden mehrere hundert Familien mit dieser Diagnose konfrontiert. Bis heute gibt es keine Heilung für diese Erkrankung, die in erster Linie die Atemwege betrifft. Neben einer unterstützenden Behandlung bleibt als letzter Ausweg häufig nur eine Lungentransplantation, um das Leben der Patientinnen und Patienten zu retten. Ein Forscherteam der Universitäten Münster und Regensburg hat nun eine Erkrankung entdeckt. Neben der Erstbeschreibung der Erkrankung eröffnen die Befunde auch neue Wege für ein besseres Verständnis der Mukoviszidose und neue Möglichkeiten für deren Therapie. Die Ergebnisse sind nun in der Fachzeitschrift Journal of Medical Genetics erschienen.

Ursache der Mukoviszidose ist eine Veränderung im sogenannten CFTR--Gen (Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator). Dieses Gen ist der Bauplan für einen Chloridkanal an der Oberfläche von Körperzellen. Der Kanal ermöglicht im Normalfall die Anreicherung von Salz und Wasser auf der Oberfläche der Luftwege, wodurch eine kontinuierliche Reinigung der Atemwege ermöglicht wird. Ein Defekt im CFTR-Kanal verhindert den Transport von Chloridionen. Hierdurch entfällt die Befeuchtung der Luftwege, mit der Folge, dass es bei den betroffenen Patientinnen und Patienten zur Bildung eines zähen und wasserarmen Atemwegsschleims kommt, der die Luftwege verschließt. Dies nimmt den Mukoviszidose-Patienten buchstäblich die Luft zum Atmen.

An der Universität Münster hat eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Prof. Thorsten Marquardt hat nun eine neue Erkrankung entdeckt, bei der ein anderer Chloridkanal mit dem Namen TMEM16A nicht funktioniert. Dieser ist ebenfalls in den Zellen der Luftwege vorhanden. In Zusammenarbeit mit dem Physiologischen Labor der Universität Regensburg unter der Leitung von Prof. Karl Kunzelmann wurden die zellulären Auswirkungen der neuen Erkrankung untersucht, die zu einem völligen Funktionsverlust des TMEM16A-Kanals führt. Überrascht stellten die Forscher fest, dass ohne TMEM16A auch der CFTR-Kanal nicht mehr funktioniert. Das Aufregende daran: Die Forscher sind sicher, dass sich die Erkenntnisse über die neue Erkrankung auch für die Behandlung von Mukoviszidose nutzen lassen.

„Zu unserer großen Überraschung zeigen Kinder, die am TMEM16A-Defekt leiden, keinerlei Atemwegssymptome, und das obwohl beide Chloridkanäle in ihrer Funktion drastisch eingeschränkt sind. Bei den Kindern führt ein Funktionsverlust von CFTR, bei gleichzeitiger Abwesenheit der TMEM16A-Funktion offensichtlich nicht zu einer Mukoviszidose“, sagt Dr. Julien Park, der Erstautor der Studie, der bei Prof. Marquardt in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Münster tätig ist. Für die Studie lieferte die Regensburger Arbeitsgruppe um Prof. Kunzelmann zusätzlich eine Vielzahl von Laborbefunden. „Erst kürzlich konnten wir nachweisen, dass der doppelte Funktionsverlust von TMEM16A und CFTR keine Lungenerkrankung in Mäusen hervorruft“, erklärt Prof. Dr. Karl Kunzelmann.

Zusammengenommen werfen diese überraschenden Ergebnisse eine wichtige Frage auf: Kann die medikamentöse Hemmung von TMEM16A die Atemwegssymptome von Mukoviszidose-Kranken verbessern? Eine deutliche Unterdrückung der Schleimproduktion und Schleimsekretion durch Hemmung von TMEM16A wurde in experimentellen Voruntersuchungen bereits gezeigt. Diese spannende Frage soll nun in zukünftigen Studien untersucht werden. „Als nächsten Schritt planen wir klinische Studien, um die mögliche Behandlung der Mukoviszidose mit TMEM16A-Hemmern zu bewerten“, blickt das Team bereits nach vorn. Die Ergebnisse könnten die Behandlung der Mukoviszidose deutlich verändern. Die Arbeiten in Regensburg wurden aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG KU756/14-1) und des CF-Trust UK (SRC013) finanziert.

Regensburg