Italiener zockte Kaufinteressenten ab
Moderate Strafe für schwer kranken Internetbetrüger

16.01.2018 | Stand 25.07.2023, 0:57 Uhr
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Knapp drei Jahre Freiheitsstrafe

EITTING/LANDSHUT Die bei der Staatsanwaltschaft Bamberg angesiedelte „Zentralstelle Cybercrime Bayern“ ging ursprünglich davon aus, dass sich ein in Eitting lebender Italiener mit Internetbetrügereien im großen Stil ein Leben in Luxus finanzierte. Dagegen wehrte sich der krebskranke Autoverkäufer vor der 1. Strafkammer des Landgerichts mit Erfolg: Er habe seine Lebensgefährtin nicht mit Schulden zurücklassen wollen. Ob er die vom Gericht verhängte Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten tatsächlich verbüßen muss, hängt von seiner gesundheitlichen Zukunft ab.

Laut Anklage verkaufte der 50-Jährige zwischen Ende Januar und Ende Juli 2015 über eBay vor allem hochpreisige (Leder-) Bekleidung und Armbanduhren. Von 250 Käufern bekam er per Banküberweisung oder über Paypal insgesamt 190.500 Euro überwiesen, für die er nie Waren lieferte. Diese hatte er zu keinem Zeitpunkt im Besitz, so der Anklagevorwurf. Er wollte sich mit den Deals nur selbst bereichern, um seinen aufwändigen Lebensstil zu finanzieren. Allerdings, der Schaden für die Käufer habe sich in Grenzen gehalten: In einer Vielzahl der Fälle seien die Schäden vom sogenannten Käuferschutz von Paypal bzw. eBay getragen worden.

In einem weiteren Anklagepunkt wurde dem Italiener vorgeworfen, im Juli 2015 über eBay und seinen Account bei einem Ebersberger Händler zwei hochwertige Uhren, darunter eine „Rolex- Submariner Ref. 16610“, für insgesamt 8.200 Euro geordert und zunächst auch über Paypal bezahlt zu haben. Nach der Übergabe der Uhren habe er die Zahlungen aber wieder rückgängig gemacht, sodass letztlich das Paypal-Konto des Verkäufers entsprechend belastet worden sei.

Zum Prozessauftakt legte der Angeklagte ein weitgehendes Geständnis ab, machte dagegen aber auch geltend, auch eine hohe „Ausfallquote“ gehabt zu haben: In mindestens 30 der in der Anklage aufgelisteten Fälle habe er gar kein Geld gesehen. Das führte im Prozessverlauf dazu, dass eine Reihe von Fällen eingestellt wurden, so auch der Uhrenkauf. Übrig blieben noch 214 Betrugsfälle mit einem Gesamtschaden von 170.000 Euro.

Als Baby mit den Eltern nach Deutschland gekommen, absolvierte der heute 50-Jährige nach der Mittleren Reife eine Ausbildung zum Handelsfachwirt, um sich im Jahr 2000 mit einem Autohandel selbstständig zu machen. Von 2004 bis 2012 sei er dann mit einem Bekleidungs- und Schuhhandel erfolgreich gewesen.

Finanziell in die Bredouille geraten sei er, als er sich in dieser Zeit zusammen mit zwei Männern in der Schweiz im Immobilienbereich engagiert habe. Da hätten nicht nur seine Geschäftspartner Geldforderungen gestellt:

„Ich habe ihnen 120.000 Euro zurückbezahlt und dann kamen auch noch Steuerschulden dazu, denn ich hätte für die GmbH Mehrwertsteuer abführen müssen. Letztlich beliefen sich die Schulden aus dem Immobilieninvest auf rund 700.000 Euro.“

2012 kehrte er wieder nach Deutschland zurück und habe versucht, „um die Runden zu kommen.“ Seine Ex-Geschäftspartner hätten ihn weiterhin unter Druck gesetzt. „Als ich dann auch noch von meiner Krebserkrankung erfahren habe, wollte ich meine Lebensgefährtin vor ihnen schützen. Die Internetgeschichte war eine Art Panikreaktion.“

Seinen aktuellen Schuldenstand taxierte der 50-Jährige auf etwa 200.000 Euro. Trotzdem sah er optimistisch in die Zukunft: Er habe inzwischen eine Halbtagsstelle als Autoverkäufer. Ihm stünden zwar noch Operationen und Krankenhausaufenthalte bevor, danach sei ihm eine Vollzeitstelle in Aussicht gestellt, bei der er mit Gehalt und Provisionen monatlich bis zu 8.000 Euro verdienen könne. Ob er die allerdings je antreten kann, ist mehr als fraglich: Das Gericht verhängte für die verbleibenden Betrügereien in besonders schwerem Fall eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten und ordnete gleichzeitig die Einziehung von 170.000 Euro an. Das lag aufgrund der angeschlagenen Gesundheit weit unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft.

Verteidigerin Lena Hingerl hatte eine Bewährungsstrafe im Bereich von zwei Jahren beantragt und eine Kurzschlussreaktion ihres Mandanten ins Spiel gebracht, weil er seiner Lebensgefährtin nicht einen Schuldenberg hinterlassen wollte. Zu Beginn der Betrügereien, so der Vorsitzende Richter, sei die Krebsdiagnose noch nicht gestellt gewesen. Straferschwerend seien auch die hohe Intensität, die Vielzahl der Geschädigten und der hohe Schaden ins Gewicht gefallen. Zudem sei der Mann bereits wegen Vermögensdelikten einschlägig vorbestraft gewesen.

Erding