Fünfjähriger schilderte bereits 2010 schier unglaubliche Vorfälle
Missbrauchsprozess: Zunächst alles unter (Familien-)Decke gehalten

07.07.2017 | Stand 02.08.2023, 1:02 Uhr
−Foto: Foto: Grießer

Erschütternde Details im Simbacher Missbrauchsprozess vor der Jugendschutzkammer des Landshuter Landgerichts kamen im Rahmen der Vernehmungen des damals fünfjährigen mutmaßlichen Opfers und seiner Mutter (32) ans Tageslicht.

SIMBACH/LANDSHUT Wie berichtet, wird einem 34-jährigen Restaurantfachmann und Cousin der Mutter, der zuletzt hauptsächlich als Kellner tätig war, u.a. schwerer sexueller Missbrauch von Kindern vorgeworfen.

Aufgeflogen war er, nachdem er sich im Mai 2012 bei einer Hochzeitsfeier in einem Reisbacher Gasthof an zwei damals sieben und neun Jahre alte Buben herangemacht und sie u.a. aufgefordert haben soll, seinen nackten Penis anzufassen. Die beiden Buben liefen davon, doch der 34-Jährige schnappte sich am Abende noch einmal den Neunjährigen, trug ihn auf die Toilette und forderte ihn auf, vor ihm zu urinieren. Aber dem Buben gelang erneut die Flucht.

Im Rahmen der Ermittlungen deutete dann einer der Buben bei seiner Vernehmung an, dass der „Onkel” auch mit seinem jüngeren Bruder „was gemacht” habe. Dass es bereits 2010 den schlimmen Verdacht gegen den Cousin gegeben habe, bestätigte die Mutter des Fünfjährigen bei ihrer gestrigen Vernehmung vor der Jugendkammer.

Aufgeflogen sei das damals per Zufall: Sie sei mit ihrem Buben kurz vor dessen 5. Geburtstag auf dem Weg nach Dingolfing gewesen, um Geschenke einzukaufen. Als man an einem Waldstück vorbeigefahren sei, habe der Sohn unvermittelt berichtet, dass er am Tag zuvor schon mit dem Onkel in diesem Wald gewesen sei, der ihm auf seinem Handy Fotos von nackten Männern gezeigt habe, wonach es - was sich in der Kindersprache natürlich ganz anders anhörte - zu sexuellen Übergriffen gekommen sei.

Bei späteren Gesprächen mit ihm und bei seinen Vernehmungen sei nur nach und nach klar geworden, dass der Cousin sein Patenkind über Monate hinweg und sogar zum Oral- und Analverkehr missbraucht hatte. Sein Patenonkel sei sein „bester Freund” und mit ihm habe er ein „großes Geheimnis, das er nicht weitersagen darf”, habe er zunächst Fragen abgewiegelt.

Nach und nach seien ihm dann Details zu entlocken gewesen. So habe der Bub von einer „weißen Milch” gesprochen, die er damals bei dem „Onkel” gesehen habe und von anschließend benutzten Tempo-Taschentüchern. „Die lagen damals, als ich mit dem Sohn im besagten Waldstück war, noch herum”, so die Mutter. Zu einem weiteren Vorfall sei es dann 2012 gekommen, als ihr Sohn auf dem Dingolfinger Kirta einen aufblasbaren Baseballschläger bekommen und den dann „abgeschleckt” habe. Das, so habe er berichtet, habe er beim „Onkel” auch gemacht.

Erst im Februar dieses Jahres habe ihr Sohn über alle Vorkommnisse offen gesprochen, dabei auch erzählt, dass er als „Belohnung” immer ein Wassereis bekommen hätte. Schon 2010 habe es wegen des Verdachts erheblichen Stress in der großen Familie gegeben, so die Mutter. Sie habe jeglichen Umgang des Buben mit seinem Onkel unterbunden. Aus heutiger Sicht bereue sie, nicht schon damals - aus Rücksicht auf die Familie - Anzeige erstattet zu haben.

Allerdings sei sie sich auch nicht sicher gewesen, ob die Erzählungen des Buben auch stimmten: „Er hat eine reiche Fantasie.” Eines Besseren belehrt worden sei sie, als sie von der Vorstrafe des Kellners (Anm.d.R.: Geldstrafe wegen Besitzes von Kinderpornografie auf einem Laptop) und schließlich Einsicht in das Chat-Protokoll erhalten habe, in dem sich der Kellner mit einem gleichgesinnten Hamburger u.a. über abartige Sexpraktiken mit „kleinen Jungs” ausgetauscht hatte.

Zum Prozessauftakt hatte der 34-Jährige - wie berichtet - sein polizeiliches Geständnis widerrufen und beteuert, dass „ich nichts zugeben kann, was ich nicht getan habe.” Damit blieb seinem heute siebenjähriges Opfer eine Aussage - unter Ausschluss der Öffentlichkeit - nicht erspart.

Dabei, so war am Rande des Prozesses zu erfahren, bestätigte er die Anklagevorwürfe und sprach von seinem einst „besten Freund” als „bösen Mann”, der ihm auch Schmerzen zugefügt habe. Seine Mutter hatte geschildert, dass der Bub schon immer „etwas schwierig” gewesen sei, inzwischen lege er aber besonders auffällige Verhaltensweisen an den Tag, sei aggressiv und bekomme Wutanfälle.

Der Prozess wird heute mit weiteren Zeugenvernehmungen fortgesetzt. Das Urteil soll es voraussichtlich am kommenden Dienstag geben.

Dingolfing-Landau