Regensburger Band wird erwachsen
Mehr als nur Geschrei – „The Edge of Reason“ stellt zweites Album vor

05.12.2019 | Stand 02.08.2023, 17:59 Uhr
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Ist es nur Geschrei? Sind es herausragende Sreams and Growls? Die Regensburger Band „The Edge of Reason“ trifft auch mit ihrem zweiten Album vielleicht nicht den Geschmack der breiten Masse, jedoch lohnt es sich, die Band kennenzulernen. Das Wochenblatt unterhielt sich mit dem Leadsänger Ro Seven.

REGENSBURG „Das ist doch nur Geschrei“, denken sich vielleicht viele Mainstream-Musikliebhaber, wenn sie sich zufällig einmal auf Youtube zu den Videos der Regensburger Band „The Edge of Reason“ „verirren“ sollten. Freunde von Metal und Hardcore Punk werden dann vielleicht erbost kontern: „Das sind super Screams und Growls!“ Und was sagt der Leadsänger der Band selbst bei solch „schnöder Herabsetzung“? „Ich sage selbst scherzhaft ‚Geschrei‘. Das finde ich nicht schlimm, wenn es andere auch tun“, so Ro Seven von „The Edge of Reason“ schmunzelnd. Der junge Mann mit den Tattoos und Piercings, den dunkel geschminkten Augen, den sich vermutlich kein Vater zum Freund seiner Tochter wünscht, ist Student der Wirtschaftsinformatik. Er zeigt Humor, viel Empathie und eine Prise von Nervosität beim Interview mit dem Regensburger Wochenblatt. Wer hätte das gedacht? So kann das Erscheinungsbild oft trügen.

Seit der Schulzeit machen Roland, wie Ro Seven, mit bürgerlichem Vornamen heißt, und sein Kumpel Dani schon Musik. Zusammen sind sie in die Realschule in Regensburg gegangen und haben ihre ersten Schritte in der Welt der Musik in der Schulband gemacht. „Wir wurden 2012 eingeladen, in eine Band einzusteigen. Jedoch waren alle Mitglieder ziemlich ziellos bei der Sache“, erinnert sich Ro. Die Band nannte sich „The Edge of Reason“, doch statt durchzustarten, brach ein Mitglied nach dem anderen weg und schließlich standen Ro und Dani mit ihrer Motivation und sechs angefangenen Songs wieder alleine da. Ro Seven gab seinen Traum vom ersten selbstproduzierten Album jedoch nicht auf und schrieb beharrlich weitere Songs. Die Ausdauer sollte sich auszahlen. Bis 2017 lernte das Duo ganz neue Leute kennen, die Gitarristen Billy Oldboy aus Regensburg und Alexander Gorst aus Dingolfing sowie den Drummer Niko van Laak aus Dingolfing. Zu fünft arbeiteten die jungen Musiker unermüdlich an den begonnenen Bruchstücken und weiteren Songs, bis das Album 2017 schließlich veröffentlicht werden konnte. Das zweite Album wurde am 25. Oktober bei einer Releaseparty im Kulturzentrum Alte Mälzerei in Regensburg präsentiert und zeigt die neue Geschlossenheit der Band. Treibende Rhythmen treffen in dem neuen Album „Sting“ auf sehr eingängige Melodien mit teilweise punkigen, rockigen und synthetischen Elementen. Die dynamische Verbindung von Screams mit der außergewöhnlichen Clean-Stimme von Ro Seven verleiht der Band ihren unverkennbaren Charakter.

An den sogenannten Screams hat das neue Album allerdings wesentlich weniger zu bieten als das Debüt. In „Broken but not torn“ waren es circa 40 Prozent an Screams and Growls, in „Sting“ nur noch um die zehn Prozent, so die Band. „Das ist auch angenehmer für die Stimme“, schmunzelt Ro Seven. Neben harten Gitarrensounds finden sich zunehmend auch elektronische Elemente auf dem Album. Das zweite sei auch weniger aggressiv und nicht so schnell. „Vielleicht kommt das daher, dass wir alle älter werden“, kokettiert der gerade 26-Jährige.

„Music is self defence“ ist ein Motto der Band, für die ihre Musik mehr ist, als nur ein Hobby, sondern auch zum Teil „Therapie“. Die Texte von „The Edge of Reason“ handeln viel von psychischen Krankheiten, dem Umgang mit Stress, Druck und Wettbewerb. „In unserer Gesellschaft wird uns tagtäglich eingetrichtert, dass Erfolg darin besteht, besser als andere zu sein. Anstatt uns gegenseitig zu unterstützen, bekämpfen wir uns, nur um irgendeinen Vorteil zu erlangen. Psychische Krankheiten befinden sich auf dem Vormarsch, werden aber weiterhin banalisiert und ignoriert. Unsere Intention ist es daher auch ein wenig, unsere Fans – Gleichgesinnte mit den gleichen Problemen – anzusprechen und zusammenzubringen“, so Ro Seven. Jeder habe Probleme, sei irgendwann einmal in einer Phase, in der alles „aussichtslos“ und schlecht erscheine und hier würde die Fan-Community helfen, darüber hinweg zu kommen. Es sei der Band wichtig, diejenigen zu erreichen, die mit ihrem Leben zweifeln. Ro Seven weiß dies aus eigener Erfahrung, war er selbst schon mit nur 18 Jahren bereits in Therapie, um über seine psychischen Probleme hinweg zu kommen. Musik , egal welcher Art, ist eine großartige Möglichkeit negative Dinge zu verarbeiten und zu überwinden. Sie birgt die Kraft, verdrängte negative Energien zu befreien und in etwas Positives und Schönes zu verwandeln, findet die Band.

„Ich bin sehr dankbar über alle Unterstützung, von Fans, Bandkollegen, Produzenten“, merkt Ro Seven an.

Die Band spielt ab und an in der „Mälze“, war auch schon beim „Metal United Festival“ in Obertraubling mit von der Partie und ist häufig bei Festivals und Open-Airs in Tschechien und Polen zu Gast. „In den Ländern im Osten scheint man offener für unterschiedliche Musikrichtungen zu sein, die Festivals sind gemischter“, findet Ro, der sich besonders gerne an den Auftritt der Band beim Rock Festival „Woodstock Ukraine 2018“ erinnert, wo die fünf eine energiegeladene und mitreißende Show abgeliefert haben.

Wer jetzt Lust bekommen hat, sich selbst ein Bild von „The Edge of Reason“ und ihrer Musik zu machen, der findet Musikvideos auf der Webseite der Band unter www.the-edge-of-reason.de.

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