Tod auf leisen Rädern
Mähroboter sind oft tödlich für viele Gartenbewohner und gefährden die Artenvielfalt – nicht nur Igel betroffen

29.06.2020 | Stand 03.08.2023, 19:28 Uhr
−Foto: n/a

Igel in bayerischen Gärten schweben zunehmend in Gefahr. Mit der ansteigenden Nutzung von motorisierten Mähwerkzeugen wie Mährobotern oder Fadenmähern werden die kleinen Säugetiere nicht nur in ihrer Lebensweise bedroht, sondern häufig auch schwer verletzt. Selbst an Rückzugsorten im Garten sind sie dank Freischneidern oder Motorsensen oft nicht mehr sicher. Laufen Mähroboter nach Einbruch der Dämmerung, sind die nachtaktiven Tiere besonders gefährdet.

Hilpoltstein. „Die meisten Mähroboter erkennen kleine Tiere wie junge Igel, Reptilien oder Amphibien nicht als Hindernis. Sie fahren deshalb oft einfach über die Tiere hinweg und fügen ihnen grausame Verletzungen und Verstümmelungen zu“, weiß die LBV-Igel-Expertin Annika Lange. „Nicht selten sterben die Igel bei solchen Unfällen oder an den daraus resultierenden Wunden, die sich häufig infizieren.“ Darüber hinaus finden sie auf den so geschaffenen sterilen Rasenflächen auch keine Nahrung mehr. „Wo Mähroboter regelmäßig fahren wächst keine Blüte mehr. In der Folge bleiben die Insekten fern, die für den Igel ein Hauptbestandteil der Ernährung sind.“

Die Artenschützer des LBV beschäftigen sich seit dem Start ihres Projekts „Igel in Bayern“ 2014 intensiv mit der Bedrohung der sympathischen Stachelritter in unseren Gärten. Mähroboter gewinnen in Bayern von Jahr zu Jahr zunehmend an Beliebtheit. Heutzutage kommen die automatischen Rasenmäher in vielen Nachbarschaften vor. Was vielen Roboterbesitzern dabei nicht bewusst ist: welchen Schaden sie damit an der Natur im eigenen Garten anrichten. Regelmäßig werden nämlich Tiere von den vermeintlich hilfreichen Gartenmaschinen verstümmelt oder getötet. „Und da viele Roboter-Opfer einfach in der Mülltonne entsorgt werden, gehen wir von einer hohen Dunkelziffer aus“, so Lange weiter.

Die Gefahr, die von den Geräten ausgeht, bestätigt auch ein aktueller Testbericht von Stiftung Warentest: Seit dem letzten Test hätten die Hersteller zwar nachgebessert, trotzdem beschädigten alle elf getesteten Geräte einen auf dem Boden ausgestreckten, hölzernen Kinderarm und erzielten damit bestenfalls ein „ausreichend“ in der Kategorie „Sicherheit“. Zwei Roboter überfuhren sogar hölzerne Füße und wurden deshalb als „mangelhaft“ eingestuft. „Ein Mähroboter, der Körperteile von Kindern überfahren würde, stellt auch eine Gefahr für kleine Tiere wie junge Igel, Blindschleichen, Eidechsen, Insekten und Spinnentiere dar“, weiß die LBV-Expertin. „Und da Igel bei Gefahr meist nicht davonlaufen, sondern sich zu einer Stachelkugel zusammenrollen, sind sie den stets überlegenen Maschinen schutzlos ausgeliefert und von der Gefahr besonders betroffen.“ Einige der Hersteller weisen sogar darauf hin, dass ihre Mähroboter nicht unbeaufsichtigt laufen sollten. „Leider ist das aber oft einer der Hauptgründe für die Anschaffung eines Mähroboters – er arbeitet ganz allein, ohne dass man danebenstehen muss,“ so Lange. Deshalb hielten sich viele Roboterbesitzer nicht daran. „Viele Leute lassen den Roboter sogar nachts laufen, weil dann weder Kinder noch Haustiere im Garten sind.“ An die tödliche Gefahr für die nachtaktiven Igel und andere nächtliche Gartenbewohner denken dabei jedoch die wenigsten.

Davon abgesehen wird durch den Einsatz von Mährobotern auch verhindert, dass ein stabiles Ökosystem entstehen kann, das für einen gesunden Garten steht und dem Gärtner Arbeit abnehmen kann. „In Rasen, der fast täglich von Mährobotern gemäht wird, haben Wildblumen wie Klee keine Chance Blüten zu bilden oder sich weiter auszusäen. Auch wird der Rasen so dicht, dass sich kaum neue Wildblumen ansiedeln können“, so Annika Lange. Was viele als Vorteil empfinden hat für die Natur jedoch nur Nachteile: Wildblumen ernähren zahlreiche Insektenarten, denen in einem Mähroboter-Rasen dann die Nahrungsgrundlage fehlt. Zierblumen wie gefüllte Rosen, Dahlien oder Chrysanthemen hingegen sind für bestäubende Insekten oft wertlos und können die Wildblumen nicht ersetzen. „Die wenigen Insekten, die sich doch auf den Rasen verirren, werden dann oft in den Mähroboter eingesogen und zerhäckselt. Deshalb stellen Mähroboter eine Gefahr für die Artenvielfalt dar. Die Nutzung eines Mähroboters ist somit mit einer naturnahen Gartengestaltung nicht zu vereinen“, sagt Lange.

Doch auch andere motorisierte Gartengeräte schaden den Igeln. „Dort, wo sich Igel am liebsten zum Schlafen zurückziehen – also unter Hecken und ins Gestrüpp – wird gerne mit Freischneidern und Motorsensen gearbeitet. Diese Geräte sind oft stark genug, um kleine Bäume zu durchschneiden. Entsprechend kann man sich vorstellen, was sie mit Igeln und anderen Tieren machen“, warnt Lange. Am besten sei es, auf solche Geräte ganz zu verzichten und Mut zum Wildwuchs unter Hecken zu zeigen. Falls man das nicht wolle, solle man vor der Nutzung dieser Geräte die Flächen gründlich nach Tieren absuchen. „Für die Natur ist es am besten, auf solche scheinbar wertvollen Gartenhelfer zu verzichten und sich stattdessen die Zeit zu nehmen einmal genauer hinzusehen“, rät die LBV-Expertin. In der Stille eines naturbelassenen Gartens lassen sich viele spannende Entdeckungen machen. „Wenn man dann Nützlinge wie Marienkäfer oder Florfliegenlarven dabei beobachtet, wie sie Blattläuse verzehren, lernt man die Vorteile eines ausgeglichenen Ökosystems kennen und schätzt und achtet die Natur.“

Um einen besseren Eindruck von der Zahl der verletzten Tiere zu erhalten, bittet der LBV alle Tierfreunde, durch Mähroboter oder Freischneider verletzte Igel und andere betroffene Tiere per Mail an igel@lbv.de zu melden.

Regensburg