Benedikt
Kritik am Islam, Vernunft als Glaubensbasis: Als der Papst in Regensburg Geschichte schrieb

10.07.2017 | Stand 13.09.2023, 0:49 Uhr
−Foto: Foto: Christian Eckl

Vor zehn Jahren besuchte Papst Benedikt XVI. seine bayerische Heimat. Wochenblatt-Autor Christian Eckl war dabei, als er die berühmt gewordene Regensburger Rede hielt. Eine persönliche Betrachtung dessen, was seither geschah.

REGENSBURG Es gibt Momente, in denen wird Geschichte geschrieben – und kaum einer, der dabei ist, bemerkt es sofort. So einen Moment gab es vor zehn Jahren – in Regensburg. Nicht etwa, weil sich mit Joseph Ratzinger erstmals ein Papst seit vielen hundert Jahren in der Domstadt ankündigte. Es war ein Manuskript, das Benedikt XVI. zuvor keinem Kurienkardinal zeigte, das wohl nur wenige, höchst wahrscheinlich sogar nur Erzbischof Georg Gänswein, sein Privatsekretär, damals „nur“ einfacher Monsignore, kannte: Es ist die zwischenzeitlich berühmt gewordene Regensburger Rede, die Benedikt am 12. September 2006 an der Universität Regensburg hielt, die Geschichte schrieb. Ich war damals als Autor für das Wochenblatt mit dabei.

Kurz vor Beginn, bevor der Papst eintraf, verteilte der damalige Sprecher der Uni Regensburg das Redemanuskript. Darin war die Passage bereits enthalten. Ich kann mich gut erinnern, als ich sie las – denn ich dachte mir: Das wird er doch so nicht sagen, oder? Das ist ja ein Hammer! Denn die Kritik am Islam zitierte der Papst in Regensburg zwar nur über Bande – indem er nämlich mit Manuel II. einen byzantinischen Kaiser zitierte, der den Islam im 14. Jahrhundert als Bedrohung für sein Reich empfunden haben muss. Wörtlich sagte Benedikt dies: „Ohne sich auf Einzelheiten wie die unterschiedliche Behandlung von ‚Schriftbesitzern‘ und ‚Ungläubigen‘ einzulassen, wendet er (der Kaiser) sich in erstaunlich schroffer, uns überraschend schroffer Form ganz einfach mit der zentralen Frage nach dem Verhältnis von Religion und Gewalt überhaupt an seinen Gesprächspartner. Er sagt: ‚Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.‘“

Obwohl der Gedanke – wie kann er das so offen ansprechen? – schon beim Lesen des Manuskripts aufkam, war mir zu dem Zeitpunkt nicht bewusst, dass die Sätze des Papstes Geschichte schreiben würden. Dementsprechend kurz habe ich diese Passage für das Wochenblatt 2006 auch zitiert – immerhin erwähnten wir sie, denn viele der anwesenden, teils internationalen Journalisten bauten ihre Berichte völlig ohne diese Passage auf. Sicher ist jedenfalls: Niemandem war an jenem 12. September 2006 klar, welche Folgen die Regensburger Rede weltweit haben würde.

Denn einige Tage nach der Rede, der Papst war längst wieder in Rom, eskalierte die Lage plötzlich: Gewaltsame Übergriffe in der muslimischen Welt, aufgehetzt durch radikale Prediger, brachten Christen den Tod.

Dass Benedikt XVI. mit seiner Rede Geschichte geschrieben hat, auch wenn ihm die für manchen tödlichen Auswirkungen nicht bewusst sein konnten, merkte ich, als die berühmten Wikileaks-Papiere veröffentlicht wurden. Die US-Geheimdienste hatten zahlreiche Depeschen an die US-Regierung gesandt, in der sie die Lage im Nahen Osten auch im Hinblick auf die „Regensburg Speech“, wie sie in den CIA-Papieren heißt, bewerteten. Man befürchtete einen vom Papst ausgelösten Flächenbrand. Aber warum war die Rede visionär? Weil es darin eigentlich um Glauben ging, der vernunftbegründet sein muss. „Dieser innere Zusammenhalt im Kosmos der Vernunft wurde auch nicht gestört, als einmal verlautete, einer der Kollegen habe geäußert, an unserer Universität gebe es etwas Merkwürdiges: zwei Fakultäten, die sich mit etwas befaßten, was es gar nicht gebe – mit Gott“, sagte Benedikt damals 2006 an der Uni.

Heute wissen wir auch in der Auseinandersetzung mit der islamischen Welt – dem friedlichen Teil, wohlgemerkt: Vernunft muss Glauben begründen. Nicht umgekehrt.

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