Betreuung
Kreisjugendamt sucht Pflegefamilien für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

11.07.2017 | Stand 20.07.2023, 15:09 Uhr
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Das Kreisjugendamt sucht Pflegefamilien, die unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bei sich aufnehmen möchten.

LANDKREIS REGENSBURG Im Landkreis Regensburg sind derzeit 115 junge Menschen aus Afghanistan, Syrien, dem Tschad, Eritrea, dem Irak und dem Iran als sogenannte unbegleitete minderjährige Asylbewerber untergebracht. Von ihnen sind 30 jünger als 16 Jahre, die jüngsten, die alleine aus ihren Ländern fliehen mussten, sind jetzt 14 Jahre. Hauptsächlich flüchteten sie vor Krieg, Terrorgruppen, sexueller und familiärer Gewalt oder vor Ausgrenzung, weil sie einer Minderheit angehörten. Aber auch die Angst vor einer Rekrutierung als Kindersoldaten spielt eine große Rolle. Die minderjährigen Flüchtlinge, bei denen es sich ausschließlich um Jungen handelt, werden nach ihrer Ankunft in den Kinderheimen in Regendorf, Pielenhofen, Kallmünz sowie in der Stadt Regensburg untergebracht und bekommen einen gesetzlichen Vormund. Mittlerweile wohnen die meisten von ihnen schon zwischen einem und zwei Jahren in Kinderheimen. In dieser Zeit macht sich unter ihnen oft starkes Heimweh breit.

Sehnsucht nach Geborgenheit 

Nach Worten von Fabian Reichel, der im Kreisjugendamt die Teamleitung des Fachdienstes für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge innehat, hatten viele von ihnen keinen familiären Kontext. "Einige unserer Jungs sehnen sich nach einer engen Bezugsperson, Geborgenheit und emotionaler Sicherheit." Pflegeeltern sollten den Flüchtlingen vor allem Unterstützung in der Schule und bei der Ausbildung bieten. Außerdem müssen sie emotional belastbar und wirtschaftlich abgesichert sein, sowie genügend Wohnraum haben. Auch ein polizeiliches Führungszeugnis wird vom Jugendamt gefordert. "Darüber hinaus müssen die Pflegeeltern mit uns zur Zusammenarbeit bereit sein. Das Jugendamt unterstützt bei Fragen und Problemen; und der gesetzliche Vormund wird die Jugendlichen auch besuchen", ergänzt die Sozialpädagogin des Kinderpflegedienstes, Renate Klemm.

Dass sich manche jungen Flüchtlinge nach einer Pflegefamilie sehnen, zeigt der Fall des 14-jährigen Navid (Name geändert), der in Afghanistan geboren wurde. Seine Mutter starb bereits bei seiner Geburt. Als Navid sechs Jahre war, kam auch sein Vater ums Leben. Deshalb floh er mit seiner Schwester, seinem Bruder und seiner Schwägerin in den Iran, wo sie zu viert in einem kleinen Zimmer lebten. Mit zwölf Jahren floh Navid mit dem Geld, das sein kurz zuvor verstorbener Bruder zusammengespart hatte, nach Europa. Navid konnte nie zur Schule gehen. Stattdessen verdiente er sich als Hilfskraft bei einem Handwerker zwischen einem und zwei Euro pro Tag. Seit Juli 2015 ist er nun im Landkreis untergebracht und geht auch zur Schule. Dort zeigt er sehr gute Leistungen. Nun merkt er jedoch, dass er nie eine richtige Kindheit hatte und wünscht sich nochmal eine Familie. „Dieser Fall zeigt, dass wir die Jungs kennen, die wir in Pflegefamilien geben würden", sagt Reichel. Navid sei "ein aktiver, junger Kerl, der auch seine Grenzen austestet". Er brauche ein stabiles Umfeld und Bezugspersonen, da er seine eigene Familie bereits sehr früh verloren hat. "Auf der einen Seite sehnen sich unsere Jugendlichen nach einem sicheren Rückzugsort. Andererseits wollen aber auch sie Kontakt zur Außenwelt haben. Mögliche Gasteltern sollten also Verständnis haben, wenn sie auch Mal ihre Freunde einladen wollen", erklärt Klemm.

Die Jugendlichen in die Selbstständigkeit begleiten

Ziel der Unterbringung in Pflegefamilien sei laut Renate Klemm, eine Bindung zwischen dem Jugendlichen und den Pflegeeltern zu entwickeln, den Spracherwerb noch zu verbessern, alltagspraktische Fähigkeiten zu fördern und den jungen Flüchtling in der Schule bzw. in der Ausbildung zu unterstützen. "Die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sollen in den nächsten Jahren zur Selbstständigkeit geführt werden und ein Netzwerk aufbauen können", erläutert Reichel. Die Jugendlichen, die in Pflegefamilien wollen, sind zwischen 14 und 17 Jahre alt und haben laut Reichel das Ziel, sich zu integrieren. "Die meisten sind außerdem dankbar, ehrgeizig und bereit, sich in den Familie einzubringen", erläutert er, "wir würden niemanden in eine Pflegefamilie geben, den wir nicht ausreichend kennen". Ihr Wunsch sei vor allem Nähe, da so vermittelt werden könne, wie es ist, eine Familie zu haben. Des Weiteren sei dies für alle eine Bereicherung, da auf diesem Wege verschiedene Kulturen ausgetauscht werden können. Die Jugendlichen selbst sprechen schon gut Deutsch und kennen bereits die Grundstruktur der Gesellschaft hier in Deutschland. Das Wichtigste sei dennoch, dass die Pflegeeltern wie richtige Eltern mit aller Zeit und Verantwortung sein sollen. Es gehe in erster Linie nicht darum, den Jugendlichen zu viele Vorschriften zu machen, viel mehr bräuchten sie ein emotional stabiles Umfeld. Falls das Zusammenleben nicht funktionieren sollte, könne das Verhältnis von beiden Seiten auch beendet werden.

Sehr gute Erfahrungen gemacht

Aktuell sind drei unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, zwei Syrer und ein Afghane, in Pflegefamilien untergebracht. „Sie sind zwischen 16 und 18 Jahre alt. Mit ihnen funktioniert das sehr gut, sie haben sich sehr gut eingefügt. Einer von ihnen beginnt seine Ausbildung jetzt, die beiden anderen werden schon ausgebildet“, gibt Klemm einen Einblick. Für sie seien die Pflegeeltern bereits zu einem echten Familienersatz geworden.

Wer Interesse hat, einem minderjährigen Flüchtling eine Pflegefamilie zu bieten, kann sich gerne beiRenate Klemm vom Kreisjugendamt unter der Telefonnummer 0941/ 4009-610 oder per Mail an renate.klemm@lra-regensburg.de wenden. 

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