27-Jähriger wird wegen Diebstahls mit Waffen in Erdinger Spielothek verurteilt
Knast für die „Schnapsidee“

08.07.2017 | Stand 28.07.2023, 9:27 Uhr
−Foto: n/a

Als „Schnapsidee“ hatte ein 27-jährige Werkarbeiter den „Überfall“ auf die Servicekraft einer Erdinger Spielothek heruntergespielt.

ERDING/LANDSHUT Auch die 1. Strafkammer des Landshuter Landgerichts sah „nur“ einen Diebstahl mit Waffen und eine Unterschlagung verwirklicht. Trotzdem landet der 27-Jährige für fünfeinhalb Jahre hinter Gitter.

Der Werkarbeiter hatte am 8. März letzten Jahres gegen 3.30 Uhr, mit dunkler Jacke und Kapuze vermummt, die Spielothek in der Franz-Brombach-Straße aufgesucht, sich sofort hinter die Theke begeben und versucht, mit einem „länglichen Gegenstand“ – wie es in der Anklage hieß – die Wechselgeldschublade aufzuwuchten, um sich daraus zu „bedienen“.

Allerdings wurde er dabei von der 43-jährigen Servicekraft aus Berglern, die sich kurzfristig in einem Lagerraum aufgehalten hatte, überrascht. Als diese in Richtung Ausgang floh, stolperte sie und fiel zu Boden. Danach machte ihr der „Räuber“ klar, dass er Geld wolle und die Servicekraft öffnete – wie es auch ihre Dienstanweisung für einen solchen Fall vorsah – die Geldschublade und warf insgesamt 974 Euro in Münzen und Scheinen in die vom Werkarbeiter mitgebrachte Plastiktüte. Der verlor dann auf seiner Flucht, wie sich im Prozessverlauf herausstellte, über 90 Zwei-Euro-Münzen.

In den Fokus der Ermittler war der 27-Jährige durch die Aufmerksamkeit der Erdinger Geschäftsführerin (38) der Spielothek geraten. Die hatte etwa drei Wochen vor dem „Überfall“ einen neuen Stammgast registriert, der stets freundlich gewesen sei, „kontrolliert“ gespielt und höchstens 100 Euro an einem Abend verloren habe, berichtete sie vor der 1. Strafkammer.

Am Abend vor dem Überfall sei der Automat, an dem er gespielt habe, kaputt gegangen. „Ich habe ihm gesagt, dass er am nächsten Tag wieder kommen und seine Freispiele samt Gewinn einlösen soll“, so die Geschäftsführerin. Als sie dann von dem Überfall verständigt worden sei, sei er ihr als möglicher Täter gleich durch den Kopf „geschossen“ und als er dann an den nächsten Tagen seine Freispiele nicht eingelöst habe, habe sich der Verdacht verfestigt.

Der 27-Jährige, dem die ursprüngliche Anklage schwere räuberische Erpressung vorwarf, hatte zum Prozessauftakt über eine Erklärung seines Verteidigers lediglich einen versuchten Diebstahl eingeräumt und von einer „Schnapsidee“ gesprochen. Mit welchem Gegenstand er die Geldschublade öffnen wollte, darüber schwieg er sich aus. Für eine Überraschung hatte die „überfallene“ Servicekraft gesorgt, die aussagte, dass sie zwar „schockiert“ über den Mann hinter der Theke gewesen sei, aber die Situation letztlich nicht als bedrohlich empfunden habe.

Eine nicht unbeachtliche Rolle spielte im Prozessverlauf das kriminelle Vorleben des 27-Jährigen, der sich als Marihuana-Dealer versucht hatte, dabei aber beim Einkauf mit schlechter Ware gelinkt war. Weil er sich sein Geld dann auch noch gewaltsam mit Waffeneinsatz zurückholen wollte, landete er für knapp zehn Jahre hinter Gitter.

In der JVA Straubing, wo er seine Strafe verbüßte, wurde er dann im Oktober 2008 Zeuge eines Mordes unter der „Russen-Mafia“. Ein Mitgefangener wurde erstochen, ein anderer, dem der Werkarbeiter durch sein Eingreifen das Leben rettete, schwer verletzt. Im Prozess vor dem Landgericht Regensburg packte er dann über die Täter und die organisierte Kriminalität aus. Dafür wurden ihm über drei Jahre Haft „geschenkt“ – auf Bewährung versteht sich. Glücklich wurde er nicht: Er und seine Familie, so berichtete er vor der 1. Strafkammer, seien ihres Lebens nicht mehr sicher, ob auf freiem Fuß oder zuletzt in der Untersuchungshaft, er würde ständig bedroht.

Nach mehreren Rechtsgesprächen zwischen den Prozessbeteiligten wurde der Vorwurf der schweren räuberischen Erpressung gegen den 27-Jährigen fallen gelassen. Die Kammer verhängte für einen Diebstahl mit Waffen und Unterschlagung eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Allerdings muss der Werkarbeiter auch mit dem Widerruf der offenen Bewährungsstrafe rechnen, sodass er für insgesamt fünfeinhalb Jahre hinter Gittern landet.

Was die rechtliche Würdigung anging, entsprach die Kammer dem Antrag von Staatsanwalt Andreas Steiger: Der „längliche Gegenstand“, den der 27-Jährige mit sich geführt habe, sei als Waffe zu sehen, mit der auf die Servicekraft zumindest psychischer Druck ausgeübt worden sei. Ob es sich um ein Messer oder einen Schraubenzieher gehandelt habe, lasse sich nicht mehr klären. Im Strafmaß blieb die Kammer allerdings unter dem Antrag des Anklagevertreters, der drei Jahre und drei Monate gefordert hatte. Verteidiger Hubertus Werner sah lediglich den Tatbestand eines Diebstahls in besonders schwerem Fall verwirklicht und sah eine Freiheitsstrafe von unter zwei Jahren als ausreichend an. Strafmildernd wollte er vor allem die mutige Aufklärung, die sein Mandant im JVA-Mordfall geleistet habe, gewertet wissen und kritisierte, dass sich die Justizbehörden danach nicht mehr um ihn gekümmert hätten.

Erding