Medizin
Klinik-Manager sind entsetzt über ein neues Gesetz: Exodus der Krankenhäuser

09.07.2017 | Stand 13.09.2023, 2:24 Uhr
−Foto: Foto: Goldberg Klinik

Klinik-Manager sind entsetzt über ein neues Gesetz, das gerade kleinere Häuser in ihrer Existenz bedroht. Hilft der Protest auch aus dem Landkreis Kelheim in Berlin?

KELHEIM_25MAINBURG_25BERLIN Ein Gesetzentwurf des Gesundheitsministers Herrmann Gröhe bringt derzeit Klinik-Manager, Ärzte und Pfleger in ganz Deutschland auf die Barrikaden. Und auch Lokalpolitiker sind sich einig: Das, was auf dem Tisch liegt, gefährdet die Zukunft der lokalen Krankenversorgung. Dabei hat die Politik ohnehin bei der letzten großen Welle der Krankenhaus-Schließungen ihre Hausaufgaben gemacht. Das ist nicht immer ohne Geburtsschmerzen von statten gegangen. Vor allem die Mainburger litten sehr darunter, dass ihr Haus zunächst verkleinert werden musste – doch die strategische Partnerschaft mit dem Landkreis Pfaffenhofen versprach eine Zukunft. Heute schreibt das Haus im Jahr einen Millionenverlust – zuletzt drei Millionen Euro 2014. Landrat Hubert Faltermeier warnte deshalb in einem Brief an die Bundesregierung vor den Folgen für den Landkreis Kelheim. Allein die Bürokratiekosten – Diagnosen müssen codiert und in sogenannten Fallpauschalen abgerechnet werden – beliefen sich für die beiden Häuser auf knapp eine Million Euro im Jahr. Mitarbeiter müssten aufgrund des „wirtschaftlichen Drucks abgebaut werden“, käme es zu diesem Gesetz.

Jetzt bekommen die Landkreis-Krankenhäuser auch Schützenhilfe von den großen Kliniken in Regensburg, die sich in ungewohnter Einigkeit zusammengeschlossen haben, um die Öffentlichkeit gegen den Gesetzentwurf zu sensibilisieren. Die Krankenhaus-Finanzierung soll reformiert werden – und da sind sich die Vertreter der Regensburger Kliniken aber einig: „Wir sehen die Wirtschaftlichkeit und die Existenz unserer Häuser durch dieses Gesetz bedroht“, so Klaus Fischer, kaufmännischer Geschäftsführer des Uniklinikums. Fischer räumte dann auch ein, „dass wir drei Jahre Defizite gemacht haben. Jetzt sind wir wieder in den schwarzen Zahlen und haben uns konsolidiert. Und nun soll der Kostendruck auf Ärzte und Pfleger nochmals steigen, mit dem gleichen Geld mehr behandelt werden“, so Fischer.

Christian Kuhl von den Barmherzigen Brüdern erklärte, warum das viele Geld, das im Gesundheitssystem unterwegs ist, für die Krankenhäuser hinten und vorne nicht reicht. Zum einen liege das an der sogenannten „Fixkosten-Degression.“ Umso mehr Patienten von Krankenhäusern behandelt werden, desto weniger zahlen die Kassen für den einzelnen Patienten, „und zwar mit dem Argument, dass unsere Kosten nicht linear steigen würden“. Behandle ein Krankenhaus viele Patienten, bekommt man für den ersten noch 100 Prozent des Satzes für eine bestimmte „Fallpauschale“ (das sind Diagnosen, die verschlüsselt und mit der Kasse abgerechnet werden). Dann werde es immer weniger, „zum Beispiel nur noch 60 Prozent für einen anderen Patienten“. Das sei aber, laut Kuhl, falsch. Zudem sieht der Chef der Barmherzigen eine immer größere Kluft zwischen dem, was Land und Bund an Geld zur Verfügung stellen. Während die Kosten der Krankenbehandlung aus Kassengeldern finanziert werden, ist für die Ausstattung der Krankenhäuser eigentlich das Bundesland verantwortlich. Hier müsste das Geld herkommen, um Investitionen zu tätigen. „Die Gelder der Länder sind seit 1991 um 37 Prozent gesunken, während das Brutto-Inlandsprodukt im selben Zeitraum um 79 Prozent gestiegen ist.“

„Wie viel sind uns kranke Menschen noch wert?“ Kuhl war sich mit seinem Kollegen Florian Glück (Josefs-Krankenhaus) einig: „Das ist eine menschliche Frage, wie wir mit einer alternden Gesellschaft umgehen, wie viel uns die Versorgung von Kranken, aber auch von Behinderten und alten Menschen wert ist.“ Den „Exodus“, den medbo-Geschäftsführer Kurt Häupl herauf beschwor, machte er auch an Zahlen fest. „Wenn das so kommt, wie es im Gesetzesentwurf steht, dann hätte ein kleines Krankenhaus mit einem Budget von 50 Millionen Euro im Jahr wohl Einbußen zwischen 400.000 und 500.000 Euro. Man kann sich ausrechnen, was das für das Personal, aber auch für das Krankenhaus insgesamt bedeutet.“ Die Pfleger würden ohnehin schon auf Anschlag arbeiten. Mehr wolle und könne man dem Personal nicht zumuten. Nun mag all dies für ländliche Krankenhäuser gelten weitab von den Metropolen – und man fragt sich natürlich, ob jeder Landkreis unbedingt ein eigenes Krankenhaus braucht. Sind also nur diese Kliniken bedroht? Immerhin: Ein Drittel aller Häuser machen in Deutschland Defizite. „Auch bei uns würde das nachhaltige Auswirkungen haben“, konstatierte Klaus Fischer von der Uniklinik. Auch Faltermeier, dessen Sohn selbst Arzt ist und der sich in der Materie als Chef der Verwaltung seit vielen Jahren hervorragend auskennt, schreibt von schmerzhaften Auswirkungen – und macht der Politik schwere Vorwürfe. So sei der „Eindruck nicht von der Hand zu weisen, dass unter dem Schlagwort der Qualitätsverbesserung (...) viele Krankenhausbenachteiligungen ,verpackt‘ werden sollen. Die damit angestrebten Ziele sind offensichtlich eine radikale Ausdünnung der Krankenhausversorgung ohne Rücksicht auf die Gegebenheiten vor Ort“. Der Landrat spricht damit vielen, die in den örtlichen Krankenhäusern harte Arbeit verrichten, förmlich aus der Seele – und den Kranken wohl auch.

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