Der Tausendsassa der Lüfte:
In 20 Jahren mehr als einmal um die Erde

10.07.2017 | Stand 13.09.2023, 1:50 Uhr
Stefan Brandl
−Foto: n/a

Ballon-Pilot Michael Neukirchinger legte seinen Ballonstart Nummer 2000 hin.

PASSAU Jubiläum hoch droben im Bayernhimmel: Michael Neukirchinger (48), Ballon-Pilot und Passaus Tausendsassa der Lüfte, feierte jüngst seinen 2000. Start mit dem Heißluftballon innerhalb von 20 Jahren. Bei diesen 2000 Fahrten verbrachte Neukirchinger 3000 Stunden im Ballon, beförderte rund 16000 Passagiere und fuhr dabei mit über 48000 Kilometern mehr als einmal um die Erde. Und weil für Neukirchinger jede Ballonfahrt einzigartig ist, kam es in diesen 20 Jahren zu manch einzigartigen Erlebnissen und Anekdoten – atemberaubende, lustige und auch mal haarige.

Dabei hatte Michael Neukirchinger mit dem Erbe der Montgolfière eigentlich gar nix am Hut. Bis er eine Ballonfahrt geschenkt bekam – die er aber nie angetreten hat, weil ihm das gleich gar nicht geheuer war. „Ich steig da nur ein, wenn ich selber fahre“, sagte er zu seinen Gönnern. Und weil die tatsächlich keine Ruhe gaben, er solle doch endlich den Gutschein einlösen, packte sich Neukirchinger selber bei der Ehre und lernte das Ballonfahren.

Seinen ersten Start in der Ausbildung legte er im Sommer 1995 im Allgäu hin. Was den Metallbaumeister dabei am meisten beschäftigte, war nicht etwa die Aufregung, sondern ob die Karabiner am Ballon auch wirklich halten würden und das Ding nicht abstürzt. Alles hielt natürlich – und ihn hält seitdem die Leidenschaft für das Ballonfahren fest im Griff. Ein Jahr später hatte er den Schein, war damals Passaus erster gewerbsmäßiger Ballon-Pilot. Heute unterhält er mit seiner Firma „Bayernhimmel“ zwei Ballone für zwölf bzw. sieben Personen. Und Sohn Felix steht seit heuer als Bayerns jüngster Ballonpilot ebenfalls bereits am Gashebel.

20 Jahre Leben im Himmel, da hat Neukirchinger allerhand erlebt. Und mit ihm seine Passagiere: Der Michi sah schon Tränen der Rührung nach luftigen Heiratsanträgen und entführte später die Bräute im Ballon. Er ließ über dem Passauer Dom die Neujahrsanbläser trompeten, ließ seiner Frau Ulli in 3000 Metern Höhe ein Geburtstags-Dinner servieren oder versetzte Passau in Staunen, als an Weihnachten Rentiere seinen Ballon übers Oberhaus zogen. Er ließ als James Bond verkleidet einen Basejumper aus dem Ballon springen; und legendär-spektakulär war, als er mit dem Ballon Maibäume klaute. Und die Kripo verfolgte ihn im Ballon, weil er mal eine Puppe aus dem Korb warf und die Passanten in der Passauer FuZo glaubten, das wäre echt. Und einmal wäre Neukirchinger beinahe zur TV-Show „Wetten, dass…“ gekommen, nämlich mit seiner Wette, dass Feuerspucker seinen Ballon aufrichten könnten. Die Wette hätte geklappt, das hat er bei der Taufe seines neuen Ballons bewiesen, aber die Show wurde bekanntlich abgesetzt, bevor er an der Reihe war.

Punktlandung vor dem Eisverkäufer

Ein rechtes „Gankerl der Lüfte“ ist Neukirchinger also auch – und das macht seinen Fahrgästen riesen Spaß. Zumal Neukirchinger sein Luftgefährt stets bedacht und mit gebotener Coolness steuert. Und so kommt es, dass er schon mal einen spontanen Zwischenstopp einlegt, wenn einen ein dringendes Bedürfnis drückt oder – wie in Otterskirchen – an einem brütend heißen Tag der Eisverkäufer unter dem Ballon auftaucht und sich die Passagiere so schnell ein Eis für die Weiterfahrt holen konnten.

Ballonfahrtechnisch spektakulär war zum Beispiel die Zwischenlandung auf dem Dachsteingletscher – wobei sich aber keiner für ein Foto aussteigen traute, aus Angst in eine Gletscherspalte zu fallen. Ebenso die Landung auf dem zugefrorenen Simssee hinterm Wilden Kaiser: Neukirchinger ließ den Ballon mit dem Wind übers Eis ans Ufer gleiten. Oder die Zwischenlandung direkt auf der Halser Ilz-Brücke: Neukirchinger musste wegen drohendem Gewitter kurz mal das Wetter checken. Und natürlich seine weiteste Fahrt vom Passauer Oberhaus über die Alpen bis vor die Tore Mailands in knapp fünfeinhalb Stunden – 6000 Meter hoch, 75 km/h schnell. Für ihn ein persönliches Piloten-Highlight war der Start in Filzmoos – denn nach einer Alpenrunde via Salzburg und Ramsau bei Schladming landete er nämlich exakt wieder am Startpunkt. „So was glaubt dir kein Mensch“, schmunzelt Neukirchinger.

Brenzlig: Drei Mal blieb ihm die Luft weg

Denn einen Ballon kann man ja bekanntlich nicht wirklich lenken – der Wind bestimmt die Richtung, wo‘s lang geht und wo man am Ende landet. Und gerade das macht das Erlebnis Ballonfahren so spannend. „Jede Fahrt ist eine andere. Das ist eben nicht wie auf einer festgelegten Strecke im Flugzeug“, sagt Neukirchinger. Und der Wind bestimmt eben manchmal auch, wann es ungewollt noch unten geht – nämlich, wenn er ausbleibt. Dreimal hat Neukirchinger eine solche Flaute erlebt und das brenzlige „Not-Landemanöver“ mit Bravour gemeistert – zweimal ging‘s mitten in den Wald, einmal mitten auf die Donau. „Der Fischer Hartl hat uns dann ans Ufer geschoben“, erinnert sich Neukirchinger. Von seinen 16 000 Passagieren ist in den 20 Jahren nicht einer zu Schaden gekommen.

Und das soll so bleiben. Keine Frage: Sicherheit hat im Ballon stets Vorrang. Ob sie ihre Passauer Heimat von oben betrachten konnten oder spektakulär über die Alpen schwebten – Neukirchingers 16000 Fahrgäste haben alle ein nachhaltiges Erlebnis nach der Fahrt mit nach Hause genommen. Und vielleicht sogar eine Leidenschaft entdeckt. Eine Leidenschaft, die einen nicht mehr loslässt, mit Erlebnissen, die nie erlöschen. So wie Michael Neukirchinger nach 20 Jahren von seinem schönsten Erlebnis schwärmt: „Wenn du im Finstern über Schloss Neuschwanstein im Ballon aufsteigst und dann der Sonnenaufgang in 6000 Metern Höhe die Berge der Alpen komplett in Rot taucht – das ist einfach gigantisch!“

Passau