Diagnose Borderline
Ich will doch nur ein normales Leben”

05.07.2017 | Stand 13.09.2023, 4:23 Uhr
−Foto: n/a

Depressionen, Selbstverletzungen, Suizidgedanken – eine junge Straubingerin leidet unter einer schweren Erkrankung der Psyche: Borderline. Im Wochenblatt erzählt die 33-Jährige von ihrem Leben mit der tückischen Krankheit

STRAUBING Immer wenn sie allein ist mit ihren Gedanken, den quälenden Erinnerungen an die Vergangenheit und der Furcht vor einer ungewissen Zukunft, dann wird Silvia K. (Name geändert) zur Gefahr. Zur Gefahr für sich selbst, ihre eigene Gesundheit, ihr eigenes Leben. Seit ihrer Jugend leidet die 33-jährige Straubingerin unter einer Erkrankung der Psyche: Borderline.

Borderline (deutsch: Grenzlinie) ist eine Störung der Persönlichkeit, die mit fatalen Symptomen einhergehen kann: schwere Depressionen, Selbstverletzungen, Gedanken an Suizid. Silvia K. erzählt, dass sie mehrere Selbstmordversuche verübt hat. Beide Unterarme sind vernarbt. Es ist die Folge des jahrelangen „Schneidens“. Ein blutiges Ritual, sobald die kranke Seele nach Hilfe schreit. „Ich schäme mich dafür“, sagt Silvia K., „doch ich weiß jetzt, ich habe keine Schuld.“

Ihre Kindheit, so berichtet die Straubingerin, sei geprägt  gewesen von Gewalt und sexuellen Übergriffen ihres Vaters. Vermutlich liegt in der zerrütteten Jugend die Ursache für die Krankheit. Silvia K. will der Realität  entkommen. Als Teenager werden Drogen- und Alkoholexzesse zur Normalität. Heute sagt sie: „Ich wollte die grausamen Bilder aus dem Kopf bekommen.“ In den folgenden Jahren wird die junge Frau regelmäßig in Sucht- und Nervenkliniken behandelt. Bis heute nimmt sie Psychopharmaka, ist in neurologischer Behandlung. 

Und dennoch gibt es Phasen, in denen die Borderline Persönlichkeitsstörung das Kommando übernimmt. „Wenn ich nachdenke, wird es schlimm“, weiß Silvia K. Seit zwei Jahren führt sie eine Beziehung, lebt mit ihrem Freund in einer gemeinsamen Wohnung in Straubing. Zum ersten Mal, so erzählt sie, hat sie zu einem Mann Vetrauen aufgebaut. Fatal: Trotz oder gerade durch die zuvor nicht gekannte Nähe wird sie gepeinigt von der Furcht, ihren Lebensgefährten zu verlieren. Und wenn die Ängste zu groß werden,  sich verbinden mit den Erlebnissen der Jugend, verfällt die junge Frau wieder in ihr selbstzerstörerisches Tun. Dann ritzt sie ihre Unterarme oder schnüffelt Haarlack. Es ist ein innerer Zwang. „Dann muss ich mich wegmachen“, sagt die 33-Jährige.

Jeden Tag verliert sie ein Stück Hoffnung, doch Silvia K. will sich nicht aufgeben. Sie will raus aus der Isolation, ihre Kontaktängste überwinden, ein Teil der Gesellschaft sein. Ein neuer Job wäre ein wichtiger Schritt. Seit gut zwei Jahren lebt sie von Hartz IV, war aber in der Vergangenheit bereits an verschiedenen Arbeitsplätzen tätig. Deshalb weiß sie: „Wenn ich arbeite, hänge ich mich voll rein, dann bleibt keine Zeit, mich mit mir selbst zu beschäftigen.“ 

Leider hat es bislang nicht mit einer Stelle geklappt. Silvia K. will es weiter versuchen. Ein Arbeitsplatz, da ist sie ganz sicher, wäre für sie wie eine Therapie. Trotz Borderline: „Ich will ein normales Leben führen“, sagt sie. Dafür kämpft die 33-Jährige. Jeden Tag. 

Straubing-Bogen