Bundesgerichtshof hob Urteil gegen Amerikaner auf
Heroinkurier bekommt doch noch Rabatt

10.07.2017 | Stand 03.08.2023, 20:41 Uhr
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Aufklärungshilfe soll sich lohnen: Die 1. Strafkammer des Landshuter Landgerichts „schenkte” einem 34-jährigen amerikanischen Heroinkurier zehn Monate Haft. Für den Schmuggel von knapp 2,6 Kilogramm Heroingemisch muss er trotzdem für fünf Jahre und acht Monate hinter Gitter.

FLUGHAFEN MÜNCHEN / LANDSHUT Der aus Chicago stammende Fabrikarbeiter mit nigerianischen Wurzeln war am 16. Oktober letzten Jahres aus Johannesburg kommend auf dem Münchner Flughafen zwischengelandet und wollte noch am gleichen Tag nach Rom weiterfliegen. Bei der Routinekontrolle seines als Transitgepäck aufgegebenen Koffers fanden die Zollbeamten im doppelten Boden knapp 2,6 Kilogramm Heroingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von rund 50 Prozent – das 884-fache der so genannten nicht geringen Menge.

Bereits nach seiner Festnahme hatte der 34-Jährige ein Geständnis abgelegt. Im Prozess vor der 4. Strafkammer präzisierte er es dann unter Tränen. Er habe sich, so berichtete er, in finanziellen Nöten befunden, seine Miete nicht bezahlen können und außerdem habe die Stadt Chicago ihm mit der Beschlagnahme seines Autos gedroht, weil Strafzettel nicht bezahlt worden seien.

Ein nigerianischer „Bruder” habe ihm dann den Kontakt zum „großen Boss”, ebenfalls Nigerianer, im südafrikanischen Pretoria vermittelt und er habe ihn dann für den Kurierflug engagiert, der ihm 2.000 Euro einbringen sollte, so der Fabrikarbeiter. Nach seiner Ankunft sei er beim „großen Boss” einquartiert worden und habe dann auch den bereits gepackten Koffer bekommen, den er nach Rom bringen sollte: „Ich wusste zwar, dass es um Drogen geht, aber nicht um welche und nicht um wieviel.” Der Abnehmer in Rom, den er dort am Bahnhof treffen sollte, habe seine Beschreibung gehabt.

Nachdem er sich bei seinen ersten Vernehmungen äußerst zurückhaltend gegeben hatte, packte er im Prozess vor der 4. Strafkammer aus, als es darum ging, den „großen Boss” der Schmugglerconnection zu identifizieren. So nannte er nicht nur dessen (Alias-)Namen, sondern beschrieb auch dessen luxuriöses Anwesen, die Wohnumgebung und erinnerte sich schließlich daran, dass der „Boss” einen kleinen Sohn habe, dessen Geburtstag während seines Aufenthaltes gefeiert worden sei.

Und tatsächlich: Nach aufwändigen Recherchen im Internet konnte noch während des Prozesses der mutmaßliche Hintermann ausfindig gemacht werden. Zumindest identifizierte ihn der 34-Jährige auf einem Foto auf Facebook, das von der Geburtstagsfeier stammte. Aber auch die Beschreibung der Wohnumgebung und des Hauses passten, wie ein virtueller „Besuch” in Pretoria per Google Maps und Street View ergab.

Trotzdem verhängte die 4. Strafkammer gegen den Kurier wegen versuchter illegaler Durchfuhr und Beihilfe zum Drogenhandel in nicht geringer Menge eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten. Ausschlaggebend dafür war nicht nur die große Heroinmenge in seinem Gepäck, sondern auch, dass er bereits einschlägig vorbestraft war. 2009 war er nämlich in Venezuela mit fünf Kilogramm Kokain im Gepäck erwischt und zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden.

Gegen das Urteil ging Verteidiger Dr. Thomas Krimmel, der eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren für ausreichend erachtet hatte, in die Revision. Und hatte Erfolg: Der Bundesgerichtshof hob das Landshuter Urteil auf und begründete dies insbesondere damit, dass die von dem Amerikaner geleistete Aufklärungshilfe im schriftlichen Urteil nicht ausreichend gewürdigt worden sei und möglicherweise sogar ein „minder schwerer Fall” in Betracht komme.

Bei der Neuauflage des Prozesses vor der 1. Strafkammer des Landgerichts stellte sich heraus, dass die Aufklärungshilfe des 34-Jährigen von Erfolg gekrönt war. In der Zwischenzeit konnte sogar der Klarname des Hintermannes ermittelt und an die südafrikanischen Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden. Allerdings gebe es bisher keine Rückmeldungen über einen Fahndungserfolg, geschweige denn, dass er vor Gericht gestellt sei.

Staatsanwalt Dr. Benedikt Berger sah weder die Voraussetzungen eines „minder schweren Falles” noch einen Anlass gegeben, das Strafmaß zu lindern. Letzteres käme nur in Betracht, wenn der Angeklagte bereits bei seinen Vernehmungen und nicht erst in der Hauptverhandlung Aufklärungshilfe geleistet hätte. Verteidiger Dr. Krimmel führte ins Feld, es müsse schon im Hinblick auf künftige Kurierprozesse mit einer Strafmilderung ein Zeichen gesetzt werden, dass sich Aufklärungshilfe lohne.

Zu diesem Ergebnis kam auch die 1. Strafkammer und reduzierte das Strafmaß um zehn Monate. Dies, so Vorsitzender Richter Markus Kring, sei ein Signal, dass es sich lohne, auszupacken.

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