Rassismus
Giovana (14) will einen neuen Namen für die Drei-Mohren-Straße

03.08.2020 | Stand 13.09.2023, 6:26 Uhr
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Giovana Cardoso Baer aus Regensburg ist erst 14 Jahre alt. Doch wenn man mit ihr spricht, spielt ihr junges Alter plötzlich überhaupt keine Rolle mehr, man kann sich mit ihr besser und tiefgründiger über ernste Themen unterhalten als mit so manchen Erwachsenen. Und ernst nimmt sie das Thema Rassismus sehr. So ernst, dass sie sogar eine Petition gestartet hat.

Regensburg. Es geht um die Regensburger Drei-Mohren-Straße. „Ich gehe öfter durch die Straße und der Name ist mir schon immer aufgefallen“, erzählt die junge Gymnasiastin. „Der Begriff ,Mohr‘ ist eine Beleidigung. Erst wurde er für Leute aus Mauretanien verwendet, doch mit der Zeit wurde er als Stereotypisierung für Dunkelhäutige verwendet“, erklärt Giovana die Etymologie. Bisher hat sie Petitionen immer nur selbst unterschrieben, doch das habe ihr nicht gereicht. Sie entschloss sich, eine Petition zur Umbenennung der Drei-Mohren-Straße im Internet unter change.org ins Leben zu rufen: „Gertrud Maltz-Schwarzfischer, benennen Sie die Drei-Mohren-Straße Regensburg um!“, fordert Giovana dort. Über 500 Unterschriften hat sie bereits gesammelt, das nächste Ziel seien 1.000 Unterschriften. Außerdem wolle sie noch einen Brief an die Oberbürgermeisterin und die Stadt senden.

Leider musste Giovana Rassismus bereits am eigenen Leib erfahren. Ihr Vater kommt aus Deutschland, ihre Mutter aus Brasilien. In Brasilien habe sie noch nie Rassismus erlebt, doch in Deutschland fast täglich: an der Bushaltestelle, im Supermarkt, in der Schule ... Giovana wurde aufgrund ihrer dunkleren Hautfarbe oder ihrer Haare schon oft beleidigt. Ihre Mutter habe sie immer bekräftigt und unterstützt, weshalb Giovana selbst nie Probleme mit ihrer Hautfarbe oder ihrem Aussehen hatte. Doch sie weiß: „Viele Kinder wünschen sich, ,weiß‘ zu sein und dieser Wunsch kommt ja nicht von irgendwo.“ In sehr vielen Schulen hänge das Schild „Schule ohne Rassismus“, doch Giovana fragt sich, in welcher Schule dies tatsächlich der Fall ist. Ihre Erfahrung sei, dass Rassismus in der Schule kaum thematisiert wird: „Man sollte zum Beispiel viel mehr Vorträge organisieren und zum Beispiel über Themen wie Sklavenhandel sprechen.“ Die 14-jährige Schülerin liest und bildet sich deshalb sehr viel selbst – und das merkt man. Sie kennt nicht nur geschichtliche Hintergründe, sondern kann auch differenzieren: Wenn an Menschen erinnert werde, sei das etwas anderes, sagt Giovana und nennt als Beispiel den Bismarckplatz oder eine Mitschülerin, die mit Familiennamen „Mohr“ heißt.

Leider habe sie das Gefühl, dass viele junge Menschen in dem Thema einen Trend sehen und deshalb an Demos wie „Black Lives Matter“ teilnehmen, ohne die eigentlichen Hintergründe zu kennen oder zu verstehen. „Aber das ist kein Trend, man sollte das ernst nehmen“, betont die 14-Jährige. „Viele nehmen mich und meine Petition nicht ernst“, erzählt sie. Doch sie wolle etwas verändern und vor allem ihre Stimme nutzen. Sie gebe sich deshalb – auf ihrem Instagram-Profil genau wie im realen Leben – die Mühe, ihre Mitmenschen mit dem Thema zu konfrontieren. Und wenn sie etwas miterlebt, dann sagt sie auch etwas und wehrt sich dagegen, denn „es reicht nicht, nur kein Rassist zu sein, man muss ein Anti-Rassist sein“, erklärt Giovana ihre Einstellung.

Mit ihrer Petition will die 14-Jährige nicht nur die Umbenennung der Straße und des Drei-Mohren-Cafés erreichen: „Ich will vor allem auch, dass die Leute gezwungen werden, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.“ Für einen neuen Namen würde sie gerne Dunkelhäutige befragen und ihnen die Entscheidung überlassen. Und gut fände sie auch, wenn eine Art „Stolperstein“ gegen Rassismus in der Straße platziert werden würde. Aktionen wie die vor etwa fünf Jahren, als jemand fast alle Schilder in der Straße mit weißen Pünktchen zur „Drei-Möhren-Straße“ umgestaltete, finde sie zwar gut, doch man solle keine Witze darüber machen, sondern das ganze Thema hinterfragen, fordert die 14-Jährige. Die Petition läuft noch und kann im Internet unter change.org unterschrieben oder kommentiert werden.

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