Seit 30 Jahren tatkräftig im Einsatz
Frauennotruf in Regensburg: 24171 – die Nummer feiert Geburtstag

08.07.2017 | Stand 28.07.2023, 5:01 Uhr
−Foto: n/a

Jede siebte Frau in Deutschland erlebt sexuelle Gewalt mindestens einmal im Leben. Mehr als jede zweite Frau wurde schon einmal sexuell belästigt. Jährlich werden rund 11.000 Fälle von sexuellem Missbrauch zur Anzeige gebracht. Und trotzdem: Über sexuelle Gewalt spricht man nicht. Nicht mit Freundinnen oder dem Partner, nicht mit den Eltern. Das Thema ist tabu. Nicht aber beim Verein Frauennotruf in Regensburg, denn der spricht über nichts anderes.

REGENSBURG Der Frauennotruf Regensburg bietet seit 30 Jahren anonyme Beratung und Unterstützung für Frauen und Mädchen, die sexuelle Gewalt erlebt haben. "Das Spektrum ist breit. Wir sind Ansprechpartnerinnen zum gesamten Themenkomplex. Das bedeutet, zu uns kommen Frauen, die gerade eben eine Vergewaltigung erlebt haben. Ebenso wie Frauen, die in ihrer Kindheit einen sexuellen Missbrauch erfahren mussten und sich vielleicht erst Jahrzehnte später trauen, sich Unterstützung zu holen. Auch Angehörige und Personen, die einen Verdacht auf sexuellen Missbrauch haben, werden von uns begleitet", berichtet Petra Siegrün Diplom Pädagogin und Leiterin des Frauennotruf. 

Die mit lediglich 1,5 Personalstellen ausgestattete Beratungsstelle bietet neben der Beratung noch weitere Unterstützungsangebote im Kampf gegen sexuelle Gewalt. Der Frauennotruf bietet Raum für mehrere Selbsthilfegruppen. Darüber hinaus leistet der Verein auch Öffentlichkeits- und Präventionsarbeit, zum Beispiel mit Fortbildungen und Vorträgen und engagiert sich auf politischer Ebene für die Verbesserung der Bedingungen von Opfern sexueller Gewalt.

Seit sich vor 30 Jahren eine Handvoll Frauen dazu entschlossen haben Betroffene zu unterstützen, hat sich viel getan. Diese Frauen haben damals absolutes Neuland betreten, denn das Thema wurde im Grunde in der Öffentlichkeit totgeschwiegen. "Dem unermüdlichen Einsatz dieser Frauen ist es zu verdanken, dass dieses Tabuthema in den Blick der Öffentlichkeit gerückt wurde. Durch die Skandale in den letzten Jahren und die dadurch angestoßene Diskussion hat das Thema sexuelle Gewalt eine neue Dimension erfahren und wird jetzt endlich auch von der Politik mehr beachtet. Das war nicht immer so! Wir können uns noch gut erinnern, dass von 'Einzelfällen' und 'Übertreibungen' gesprochen wurde", erinnert sich Petra Siegrün.

Der Verein kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Zwei Jahre nach dem Zusammenschluss als Arbeitsgruppe erfolgte die Vereinsgründung. Ab 1989 war der Regensburger Frauennotruf Modellprojekt der bayerischen Staatsregierung und wird seitdem auch finanziell bezuschusst. Das Frauenprojekt etablierte sich stetig zur professionellen Fachberatungsstelle und konnte Mitarbeiterinnen einstellen. "Natürlich gab es auch Rückschläge zu meistern. Vor zehn Jahren waren wir von großen Kürzungen der Kommunen betroffen und waren knapp vor dem Aus. Die Rettung kam in letzter Minute durch Spenden von Privatleuten und Unternehmen. Aber letztendlich war die Kürzung einer halben Personalstelle unausweichlich. Wir konnten auch bis heute leider nicht mehr aufstocken", berichtet Heike Pfefferkorn, Diplom Psychologin und Vorständin des Vereins.

Die Enttabuisierung schreitet voran und immer mehr Menschen holen sich Unterstützung und Hilfe beim Frauennotruf. Im Jahr 2012 konnten z. B. 273 Personen in knapp 900 Gesprächen begleitet werden. Für die Mitarbeiterinnen ist es auch ein Erfolg zu sehen, dass sich Betroffene immer zeitnaher zum Geschehen an den Frauennotruf wenden und somit früher Unterstützung erfahren.

Auch zukünftig wollen die Mitarbeiterinnen des Frauennotrufs, Petra Siegrün und Andrea Erl, den Betroffenen zur Seite stehen und sich neuen Aufgaben und Themen öffnen. Jedoch stoßen die Pädagoginnen bereits jetzt an Grenzen. „Die Kapazitäten sind voll ausgelastet, mehr ist für die Mitarbeiterinnen nicht leistbar. Auch der finanzielle Rahmen ist ausgeschöpft, denn trotz Förderung durch Stadt und Landkreis Regensburg muss der Verein einen hohen Eigenanteil aufbringen“, informiert Heike Pfefferkorn.

Ausblick 2014 – mit Kunst und Kultur einem Tabu entgegentreten

"Wir haben es bis hierher geschafft und davon war vor 30 Jahren nicht auszugehen. Das soll nun auch entsprechend gefeiert werden", freut sich Petra Siegrün. "Unser Jubiläumsjahr möchten wir verstärkt dazu nutzen, sexuelle Gewalt sichtbar werden zu lassen und ganz konkrete Hilfen für betroffene Frauen anzubieten." In Kooperation mit der VHS Stadt Regensburg und einer Regensburger Künstlerinnengruppe wird vom 8. März bis 4. April die eigens für das Jubiläum kreierte Kunstausstellung "my sweet love" in der Sigismundkapelle im Thon Dittmer Palais präsentiert. Den künstlerischen Aspekt aufgreifend wird mit einen kunsttherapeutischen Workshop ein direktes Angebot für betroffene Frauen geboten. Des Weiteren soll ein Selbstbehauptungskurs die Gelegenheit geben, die eigene Wehrhaftigkeit und Kraft wieder zu spüren und zu fühlen.

Nähere Informationen können in Kürze auf der Homepage des Frauennotrufs unter www.frauennotruf-regensburg.de abgerufen oder unter der Telefonnummer 0941/ 24171 erfragt werden. Wer die Angebote unterstützen will und somit seinen Teil für die Betroffenen sexueller Gewalt beisteuern möchte, kann dies in Form einer Spende tun: Konto bei der Sparkasse Regensburg, BLZ 75050000, Kontonummer 30155. 

Regensburg