Flughafenprozess geht in die Verlängerung
FMG-Manager hielten Minijob-Modell für „koscher”

09.07.2017 | Stand 29.07.2023, 19:17 Uhr
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Die Brisanz des Minijob-Modells für Mitarbeiter der FMG-„Sicherheitstochter” CAP wurde in Managerkreisen offenbar völlig unterschätzt. Das bestätigt sich immer wieder im Rahmen der Zeugenvernehmungen im so genannten Flughafenprozess vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landshuter Landgerichts. Ein ehemaliger FMG-Jurist brachte es auf den Nenner: „Wir hatten damals ganz andere Probleme.”

FLUGHAFEN/LANDSHUT.  Wie mehrfach berichtet, soll im Mammutprozess vor der Wirtschaftsstrafkammer geklärt werden, ob die CAP, die für die Sicherheit am Airport zuständige FMG-Tochter von September 2004 bis August 2009 auf sehr kreative Weise Steuern und Sozialabgaben in Höhe von insgesamt 3,4 Millionen Euro „gespart” haben soll. Das funktionierte so: Fest angestellte CAP-Mitarbeiter - im fraglichen Zeitraum rund 490 - hatten gleichzeitig bei anderen, kleineren Sicherheitsfirmen einen Minijob. Wenn es viel zu tun gab, lieh sich die CAP ihre eigenen Leute aus und die Überstunden wurden über die Minijobs abgerechnet. Laut Anklage dienten die CAP-Subunternehmer als reine „Zahlstellen”, um Steuern und Abgaben zu sparen, aber auch für die Minijobber rechnete sich dieses „Lohnsplitting-Modell”, bis 2009 die Zollfahnder mit einem Durchsuchungsbeschluss anrückten.

Nach dreieinhalbjährigen Ermittlungen sitzen jetzt drei ehemalige CAP-Manager, denen die Anklage Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in Tateinheit mit Steuerhinterziehung vorwirft, sowie vier führende Mitarbeiter der Subunternehmen wegen Beihilfe dazu, auf der Anklagebank. Sie bestreiten die Vorwürfe und berufen sich darauf, dass das „Modell” u.a. vom Finanzamt Erding, vom bayerischen Finanzministerium und von den Sozialversicherungsträgern sowie von Gutachten eines Fachanwalts „abgesegnet” worden sei.

Im Rahmen der aufwändigen Beweisaufnahme wurde inzwischen auch der inzwischen pensionierte ehemalige kaufmännische FMG-Geschäftsführer Walter F. (67) gehört, der seit 1999 auch als Aufsichtsratsvorsitzender der CAP fungierte. Er räumte ein, dass das „Modell” mehrfach Thema im Aufsichtsrat gewesen sei. Aber nach der Rückmeldung vom Finanzamt Erding, dass es nicht zu beanstanden sei, wenn zwei Arbeitgeber vorhanden seien und separate Lohnkonten geführt würden, habe man keine Veranlassung gesehen, näher einzusteigen.

Eine neuerliche Diskussion sei dann erst durch eine ver.di-Anfrage, bei der es in erster Linie aber um die Arbeitszeiten gegangen sei, ausgelöst worden. Allerdings hätten die Gewerkschaft, die auch im Aufsichtsrat vertreten gewesen sei, und der Betriebsrat das Modell nicht nur mitgetragen, sondern verlangt, dass es weitergeführt werde. Als dann 2004 ein Mitarbeiter der Personalabteilung Bedenken geäußert und das Modell als illegal bezeichnet habe, sei ein renommierter Fachanwalt eingeschaltet worden, der in zwei Gutachten die Bedenken ausgeräumt habe. „Damit war das Thema für uns erledigt, im Aufsichtsrat wurde es formell noch fünf Minuten behandelt und wir waren der Meinung, dass alles rechtskonform läuft.”

Weitgehend mit seiner FMG-Karriere bediente der pensionierte ehemalige Chef der Rechtsabteilung Thomas R. (66) die Prozessbeteiligten. 1992 sei der Rechtsabteilung dann die „Sicherheit” zugewachsen, weil bei der CAP viele Dinge schief gelaufen seien. Einer der Skandale sei die Einstellung von ehemaligen MfS-Mitarbeitern („Auf Anraten der Staatsverwaltung” gewesen, ein anderer das Eindringen eines Hackerteams über den Sicherheitsbereich auf das Vorfeld, wo man sich dann am Steuerknüppel eines Fliegers fotografieren ließ.

Zum Minijob-Modell allerdings hatte er wenig beizutragen. Schließlich, so argumentierte er, sei die CAP nach der Razzia 2009 ein papierloses Unternehmen gewesen, alles was er an Erkenntnissen habe, stamme aus CAP-Aufsichtsratsprotokollen. „Die Behördenauskünfte und die Gutachten waren alle positiv, also wurde das Modell als ,koscher’ bewertet. Die Minijobs standen nicht im Zentrum der Beratungen, die Tragweite des Themas wurde nicht erkannt.” „Es wurde immer Wert darauf gelegt, dass alles rechtmäßig läuft”, so Manfred H., der für das Finanzministerium im CAP-Aufsichtsrat saß. Das „Modell” sei seit 1993 praktiziert worden, sei eine eingespielte Praxis gewesen und im Aufsichtsrat ein Thema unter vielen gewesen: „Was hätten wir nach den positiv verlaufenen Prüfungen durch die Finanzbehörden und den Sozialversicherungsträgern noch tun sollen? Der Aufsichtsrat nimmt doch nicht die Aufgaben der internen Revision wahr!”

Der Rechtsanwalt, der von der CAP mit der Gutachtenerstellung beauftragt war, meinte bei seiner Aussage, er habe damals nicht das Gefühl gehabt, dass es um etwas Essenzielles für die CAP gehe und sei offensichtlich auch nicht mit dem gesamten Sachverhalt „bedient” worden. In seinem Gutachten habe er allerdings darauf hingewiesen, dass noch Gespräche mit der AOK geführt werden sollten, um verbindliche Rechtssicherheit zu erhalten. Dem Vorschlag sei man aber ebenso wenig nachgekommen wie seiner Anregung, das Thema in einer größeren Runde zu besprechen. Der Prozess wird am 20. Januar fortgesetzt und geht anschließend - nachdem die zwölfköpfige Verteidigerriege mehrere Beweisanträge gestellt hat, in die „Verlängerung”. Zunächst sind weitere Termine für den 26. Januar und den 9. Februar angesetzt.

Erding