Justiz
Finanzskandal von Wenzenbach: Ex-Bürgermeister beteuert seine Unschuld

10.07.2017 | Stand 13.09.2023, 2:59 Uhr
−Foto: Foto: Eckl

Anklage: Haben der Bürgermeister und sein Kämmerer 80.000 Euro veruntreut? Josef Schmid und Johann E. stehen vor dem Schöffengericht.

WENZENBACH Kaum einer hätte es ihm zugetraut, viel zu beliebt war der ehemalige Bürgermeister von Wenzenbach, Josef Schmid: in seinen zwölf Jahren Amtszeit blieb der Freie Wähler und frühere Postbote ein Mann des Volkes. Ganz anders sah das mit dem mächtigen Geschäftsführer und Kämmerer, Johann E. aus: der Mann, der in Wenzenbach als Beamter seit 1976 die Fäden zog, war bei vielen Bürgern verhasst.   Jetzt, zwei Jahre nachdem der junge SPD-Mann Sebastian Koch ins Rathaus einzog und mit einem unfassbaren Bericht der kommunalen Rechnungsprüfer konfrontiert war, stehen mit Schmid und E. zwei Vertreter des alten Rathaus-Regimes vor Gericht. Am heutigen Mittwoch, 29. Juli, ab 9 Uhr müssen sich Schmid und der zwischenzeitlich suspendierte E. vor dem Regensburger Schöffengericht verantworten - der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet auf Untreue.

Die Anwälte des angeklagten Bürgermeisters Schmid zündeten unmittelbar nach der Verkündung der Anklage ein Feuerwerk an Beweisanträgen. Schmids Anwälte erklärten auch umgehend, dass sie auch in Form eines Rechtsgesprächs über eine mögliche Strafhöhe „nicht bereit sind, eine mögliche Strafbarkeit unseres Mandanten zu akzeptieren.“ Schmid plädiert also auf unschuldig – und zwar in allen Anklagepunkten.

Schmids Anwälte wollen Zeugen, vor allem aus der Gemeindeverwaltung, vorladen, die Aussagen darüber treffen sollen, dass die Gemeinde faktisch personell völlig unterbesetzt war. Nie sei es zu Beanstandungen gekommen, insbesondere auch nicht bezüglich von Auszahlungen aufgelaufener Urlaubstage. Dafür wollen die Anwälte Schmids einen Vertreter der Rechnungsprüfungsstelle des Landratsamtes vorladen lassen.

Schmid sei eine Reisekostenpauschale vom Gemeinderat genehmigt worden, ohne ein Fahrtenbuch zu führen. Hierfür wollten Schmids Anwälte sogar den damals zweiten Bürgermeister Rudolf Ebneth laden lassen. Zudem sollten Beamte der Gemeinde aussagen, dass Schmid jegliche Urlaubsabwicklung von Angestellten und Beamten ohnehin der Verwaltung überlassen habe. Schmid, auch das sollen Zeugen belegen, habe noch nicht einmal über einen PC verfügt. „Aus aktuellem Anlass, insbesondere durch die Presseberichterstattung, weisen wir darauf hin, dass hier nicht eine persönliche Vorteilsnahme oder ein Wirtschaften in die eigene Tasche angeklagt ist“, sagte Schmids Rechtsanwalt Bernhard Mühlbauer. „Wir haben es zu tun mit sehr komplexen verwaltungsrechtlichen Vorgängen, aus denen die Ermittlungsbehörden ein strafrechtliches Vorgehen ableiten“, so Mühlbauer weiter.

Auch E.s Rechtsanwalt Michael Haizmann versuchte, die Anklage der Staatsanwaltschaft zu zerlegen. „Der griffigste Anklagepunkt ist der mit der Nachversteuerung“, so Haizmann. Hier zahlte die Gemeinde insgesamt 30.000 Euro an das Finanzamt, die aber eigentlich persönlich von Schmid und E. zurückgefordert wurden. „Alles andere ist sowohl straf- als auch verwaltungsrechtlich völlig ungeklärt“, so Haizmann. Er habe seinem Mandanten geraten, dieses Geld zurückzuzahlen. Deshalb habe E. insgesamt etwa 19.000 Euro im Juni 2016 an die Gemeinde Wenzenbach überwiesen.

Um insgesamt mehr als 80.000 Euro Schaden geht es, die aufgrund von E. vorbereiteter und von Schmid unterzeichneter Anweisungen ausgezahlt wurden. Dabei sind es nicht nur E. und Schmid gewesen, die laut Staatsanwaltschaft einen Vorteil von den Unterschriften Schmids gehabt haben sollen, sondern auch andere Beamte der Gemeinde. Die Staatsanwaltschaft betont in der Anklage, dass Schmid als Bürgermeister lediglich über 12.000 Euro ohne Zustimmung der Gemeinderates verfügen durfte. E.s Position umschreibt die Anklage als vielfältig, ja vom Haushalt über die Sitzungsdienste bis hin zu Rechtsangelegenheiten ging ohne E. faktisch nichts in der Gemeinde. Das führte dazu, dass er seinen ihm zustehenden Jahresurlaub nie vollends nahm. Und hier sieht die Anklage einen Straftatbestand, denn E. ließ sich offenbar mittels Schmids Segen 90 Urlaubstage, insgesamt mehr als 20.000 Euro auszahlen. Heikler ist für beide sicher ein anderer Vorwurf: nach einer Prüfung des Finanzamtes forderte der Fiskus von E. wegen der Urlaubsauszahlung und von Schmid wegen einer zwar überhöhten, aber vom Gemeinderat gebilligten Reisekostenpauschale Steuern in Höhe von 30.000 Euro nach.

  Die aber sollen aus dem Gemeindesäckel entnommen worden sein, obwohl das Finanzamt E. und Schmid ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass es private Steuerschulden seien.

  Ein weiterer Punkt der Anklage: von E. angeblich angeregt, veranlasste Schmid erhöhte Leistungszulagen an mehrere Beamte. Hier sollen unrechtmäßig 27.000 Euro geflossen sein. Schweigegeld, um die Beamten dem System E.-Schmid weiter gewogen zu halten? Der Verteidiger E.s, der renommierte Strafrechtler Michael Haizmann, hatte schon vor Wochen gegenüber unserer Zeitung angemahnt, dass doch die Ankläger zunächst das anhängige Verfahren vor dem Verwaltungsgericht abwarten sollten. Dort klagt die Gemeinde Wenzenbach auf den Schaden, will sich das Geld von E. und Schmid zurückholen.

Doch wie das Wochenblatt von einem Gerichtssprecher erfuhr, steht hier noch nicht einmal ein Termin fest. Die Meinung in der Gemeinde Wenzenbach scheint übrigens auseinander zu gehen. Während man E. nach wie vor für den Strippenzieher hält, erscheint Schmid vielen als Marionette, die mit den rechtlichen Anforderungen des Amts überfordert war. Pikant: das Personal musste im Rathaus aufgestockt werden, da E. viele Tätigkeitsbereiche in seiner Person vereinte. Mancher sagt, das koste der Gemeinde nun mehr, als E. aufgelaufener Urlaub gekostet habe.

Regensburg