Organspende geht uns alle an
Diesen beiden Männern wurde ein neues Leben geschenkt

04.12.2018 | Stand 31.07.2023, 19:04 Uhr
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Organe spenden? Dafür werben Hermann Anwander und Josef Rossak mit ihren eigenen Erfahrungen

LANDKREIS. Hermann Anwander hatte mit seinem Leben abgeschlossen: „Ich war sicher, dass ich Weihnachten 2012 nicht mehr erleben würde. Nur ein Wunder konnte mich noch retten.“ Das Wunder geschah. Der Dialysepatient erhielt einen Anruf seines Bruders: „Er sagte, ich spende dir eine Niere! Einfach so, als würde er mir eine Semmel abgeben.“

Schon am Tag nach der Transplantation war er wieder im Leben zurück. Heute, sechs Jahre nach der Organverpflanzung, geht es dem Garchinger richtig gut. Seine Gesundheitswerte sind bestens. Er geht bergsteigen, kann radfahren und viel Zeit mit seinen Enkeln verbringen, die er, ohne neue Niere, gar nicht erlebt hätte.

„Weil es mir so gut geht, mache ich mich für Organspenden stark, bin bei der Selbsthilfegruppe Dialysepatienten und Transplantierte“, erklärt der 67-Jährige, der seine schlechten Zeiten nicht vergessen hat. Er hat ein Buch geschrieben, erzählt seine Geschichte auf Vorträgen und jedem, der sie hören will.

Josef Rossak (67) aus Marktl war drei Jahre auf Dialyse angewiesen. 1995 bekam er eine Spenderniere, die 19 Jahre lang „hielt“: „Diese 19 Jahre waren ein Gottesgeschenk.“ Nach einer Leisten-OP wurde die Niere aber immer schlechter. Seit viereinhalb Jahren muss er wieder zur Dialyse, dreimal die Woche für jeweils vier Stunden. Und er steht wieder auf der Warteliste für eine Niere – nach dem Prinzip „old for old“, wobei Nieren von Spendern über 65 Jahren gezielt an gleichaltrige Empfänger vergeben werden.

Leben mit Dialyse bedeutet viele Einschränkungen. Ein halber Liter Flüssigkeit pro Tag war für Anwander und ist für Rossak das Maximum: „Da zählt alles dazu. Der Frühstückskaffee, eine Suppe, ein Apfel. Beim Essen ist man wegen des Kaliumgehalts von Gemüse zusätzlich eingeschränkt.“

Bei der Hochzeit seines Neffen saß Hermann Anwander in der Sommerhitze den ganzen Tag über vor einem viertel Liter Wasser. Nur so konnte er sich abends zur Feier des großen Tages ein kleines Bier leisten. Auch Josef Rossak muss seine geliebten Wandertouren und Ausflüge sorgfältig planen, obwohl er, trotz „Rationierung“ fast nie von Durstgefühl geplagt ist.

Beide haben bei der Dialyse Menschen kennengelernt, die aufgegeben haben. Denen das Warten auf ein rettendes Organ zu lange wurde. Sie stellten die Dialyse ein und starben schnell. Denn, ohne Dialyse werden die Patienten täglich schwächer und leben noch rund vierzehn Tage.

Organspende ist ein immer wieder heiß diskutiertes Thema. Für die beiden Männer ist es aber unerträglich, wenn Gesunde über Kranke richten: „Die einen halten einem vor, dass erst ein Mensch sterben muss, damit ein Kranker gerettet werden kann. Andere rechnen vor, dass eine Transplantation teuer und das Leben eines Kranken das gar nicht wert sei!“ Dabei sind die Kosten einer Nierenverpflanzung nach drei Jahren Dialyseeinsparung wieder drin.

Erst, wenn es bei den Kritikern von Organspende selbst oder bei einem ihrer Angehörigen ums Überleben gehe, würden die allermeisten vom Saulus zum Paulus.

Wer ein Organ bekommen hat, muss es hüten wie seinen Augapfel, damit es nicht abgestoßen wird. „Medikamententreue ist das A und O“, betonen beide. „Denn ohne diese Tabletten wird ein Organ wieder abgestoßen.“ Einnahme immer zur gleichen Zeit, ständige Kontrolle der Werte, immer wieder Abwägen mit dem Arzt, ob z.B. bei starken Schmerzen eine Schmerztablette geht.

Selbstverständlich haben Anwander und Rossak und ihre Familien Organspenderausweise – „alles außer unserer Nieren ist ja gut und eine Altersgrenze für Organspenden gibt es nicht“, lachen die gut gelaunten Ruheständler. Ein 75-jähriger Nachbar, der Josef Rossaks Dialyse miterlebt hatte, hat nach seinem Tod seine Nieren zur Spende freigegeben.

Damit in Deutschland endlich mehr Spenderorgane zur Verfügung stehen, wünschen sich die zwei die Widerspruchslösung. Das heißt: Wer zu Lebzeiten nicht widerspricht, ist nach seinem Ableben automatisch Organspender. Die beiden Transplantierten rühren unermüdlich die Werbetrommel, damit noch mehr Todkranken mit einer Organspende geholfen werden kann.

Ein paar Fakten zur Organspende aus der Kreisklinik:

- Im Jahr 2018 gab es in den Kreiskliniken Altötting-Burghausen nur einen Organspender (!), 2017 gar keinen.

- In Deutschland warten mehr als 10.000 schwer kranke Menschen auf ein Spenderorgan.

- Für Organspenden gibt es kein Mindest- oder Höchstalter.

- Abgesehen von Lebendspenden kann nur der Organe spenden, der auf einer Intensivstation stirbt – es sind organschützende Intensivmaßnahmen und Tests nötig, die z.B. ohne Beatmungsgerät nicht möglich sind.

- Ein einziger Mensch kann Herz, Lunge, Leber, Nieren, Pankreas (Bauchspeicheldrüse), Darm und Gewebe spenden.

- Den Hirntod eines möglichen Spenders stellen in den Kliniken Altötting und Burghausen eigene Ärzte fest – immer ein Neurologe zusammen mit einem Arzt der Intensivstation.

- Die Zustimmung des Verstorbenen oder seiner Angehörigen ist unabdingbare rechtliche Voraussetzung zur Organentnahme.

- Das Gespräch mit den Angehörigen dient der Klärung des geäußerten oder mutmaßlichen Willens des Verstorbenen. Für dieses Gespräch werden Ärzte von der Deutschen Stiftung Organtransplantation ausgebildet.

Diese Informationen haben wir von den Kreiskliniken Altötting-Burghausen erhalten.

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