Bayerisches Landesverzeichnis
Die Oberpfälzer Zoiglkultur wird immaterielles Kulturerbe

13.03.2018 | Stand 24.07.2023, 23:48 Uhr
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Vom Augsburger Friedensfest über die Berchtesgadener Weihnachtsschützen bis zur Oberpfälzer Zoiglkultur: Insgesamt zwölf lebendige Traditionen, Bräuche und Handwerkstechniken, die das Leben und die Gesellschaft überregional prägen, werden 2018 in das Bayerische Landesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.

OBERPFALZ Das gab Kunstminister Dr. Ludwig Spaenle heute nach der Ministerratssitzung in München bekannt. „Mit ihrem Engagement und ihrem Enthusiasmus füllen die Menschen Traditionen und Bräuche mit Leben, geben sie an nachfolgende Generationen weiter und garantieren so den Erhalt unseres immateriellen Kulturerbes. Die Neuaufnahmen in das Bayerische Landesverzeichnis spiegeln dabei die vielfältige Bandbreite der immateriellen Schätze im Freistaat wider“, betonte der Minister.

Folgende neun Traditionen, Bräuche und Handwerkstechniken werden in das Bayerische Landesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen:

•Agnes Bernauer Festspiele Straubing

•Augsburger Friedensfest

•Traditionelle Dörrobstherstellung und Baumfelderwirtschaft im Steigerwald

•Drechslerhandwerk

•Erhalt der Jurahäuser – traditionelle Baukultur im Altmühljura

•Bäuerliche Gemeinschaftswälder im Steigerwald

•Schafhaltung in Bayern

•Weihnachtsschützen im Berchtesgadener Land

•Oberpfälzer Zoiglkultur

Die Neuaufnahme der folgenden drei kulturellen Ausdrucksformen aus der vorhergegangenen Bewerbungsrunde in das Landesverzeichnis wurde bereits Anfang 2018 bekanntgegeben:

•Nürnberger Epitaphienkultur

•Fürther Michaeliskirchweih

•Wirken der Nürnberger Naturhistorischen Gesellschaft

„Gerade in Bayern genießen die Pflege und der Erhalt immaterieller kultureller Ausdrucksformen einen besonders hohen Stellenwert. Die Vielzahl an Bewerbungen um die Aufnahme in das Landes- und Bundesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes zeigt, wie stark die vielfältigen Bräuche, Rituale, Feste und sonstigen Ausdrucksformen im Bewusstsein der Bevölkerung verankert sind“, so Minister Spaenle.

Für eine Aufnahme in das Bundesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes steht dem Freistaat Bayern ein reguläres Kontingent von vier Nominierungen zu. Auf Anregung von Minister Spaenle hat der Ministerrat entschieden, die folgenden vier Traditionen und Bräuche vorzuschlagen: Augsburger Friedensfest, Weihnachtsschützen im Berchtesgadener Land, Erhalt der Jurahäuser – traditionelle Baukultur im Altmühljura, Bäuerliche Gemeinschaftswälder im Steigerwald.

Die Verzeichnisse auf Bundes- und Landesebene sind Teil der Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes, das 2013 in Deutschland in Kraft getreten ist. Fachexperten begleiten die Entscheidungsprozesse auf Bundes- und auf Landesebene. Eine Eintragung in das bundesweite Verzeichnis ist zudem Voraussetzung für eine internationale Nominierung.

Kurzbeschreibungen der im Jahr 2018 neu aufgenommenen kulturellen Ausdrucksformen

Agnes Bernauer Festspiele in Straubing

Der Agnes-Bernauer-Festspielverein in Straubing führt im Innenhof des herzoglichen Schlosses im vierjährigen Turnus ein Freilichttheater auf, das seit 1935 in verschiedenen Tableaus die in den lebensgeschichtlichen Details legendäre, 1435 in Straubing hingerichtete Baderstochter Agnes Bernauer darstellt. Bei der von rund 200 Laiendarstellern aus Stadt und Umland getragenen Inszenierung, die eine wiederholte Neubearbeitung erfahren hat, wird insbesondere bei der Ausstattung auf historische Detailtreue Wert gelegt und trägt so zur Identifikation mit der Stadt- und bayerischen Landesgeschichte bei.

Augsburger Friedensfest

Das Augsburger Friedensfest entstand im Jahre 1650 anlässlich der Wiedererlangung der freien protestantischen Religionsausübung nach dem Dreißigjährigen Krieg. Seit dem 20. Jahrhundert stellt das mittlerweile ganz bewusst überkonfessionell und interreligiös ausgerichtete Fest mit gegenwärtig über 60 Veranstaltungen die wechselseitige Achtung des Anderen und die Friedenssicherung in den Mittelpunkt. Als Deutschlands einziger städtischer gesetzlicher Feiertag (8. August) ist das Augsburger Friedensfest das zentrale gesellschaftliche Festereignis.

Traditionelle Dörrobstherstellung und Baumfelderwirtschaft im Steigerwald

Das traditionelle Dörren von Obst erfolgt im Steigerwald mittels holzbefeuerter Öfen auf sogenannten Därren. Verbunden ist diese seit vielen Generationen überlieferte handwerkliche Technik mit der Baumfelderwirtschaft, bei der auch die Flächen unter den Obstbäumen (Birne, Apfel, Zwetschge, Kirsche) landwirtschaftlich genutzt werden. Die seit Generationen bestehende Herstellung von Dörrobst und Baumfelderwirtschaft verbindet ein Wissen im Umgang mit der Natur mit tradierten Fähigkeiten der Lebensmittelkonservierung.

Drechslerhandwerk

Die Handwerkstradition des Drechselns ist eine sehr alte Form der mechanischen Bearbeitung von Werkstoffen. Heute wird das Handwerk neben meist kleinen Betrieben, die sich auf Einzelstücke oder Kunsthandwerk spezialisiert haben, als Hobby oder künstlerisch motiviert betrieben. Mit der Berufsschule in Bad Kissingen (einer von zwei verbliebenen in ganz Deutschland) und der Stadt Fürth als Sitz des Drechslerfachverbandes ist Bayern ein wichtiges Zentrum im Hinblick auf die Weitervermittlung der handwerklich-tradierten Fähigkeiten und Techniken.

Fürther Michaeliskirchweih – Beispiel für die Tradition der Stadtkirchweihen in Franken

Die Fürther Michaeliskirchweih zählt zu den größten Stadtkirchweihen in Bayern. Mit ihren Elementen des überkonfessionellen Kirchweihgottesdienstes, dem Kirchweihmarkt, der Wirtshauskerwa, dem Unterhaltungsbereich und dem in den Medien übertragenen Erntedankumzug steht sie mit einer großen historischen Tiefe stellvertretend für Kirchweihfeste in den Städten Frankens.

Die Tradition der bäuerlichen Gemeinschaftswälder im Steigerwald

Im Steigerwald findet man seit Jahrhunderten gemeinschaftlich bewirtschaftete sogenannte „Stockausschlagwälder“. Laubbäume werden dabei – vor allem zur Gewinnung von Brennholz – im Abstand von einigen Jahrzehnten auf den Stock gesetzt (abgeschlagen). Die Bewirtschaftung der rund 100 bäuerlichen Gemeinschaftswälder mit etwa 2.600 Waldrechtlern erfolgt auf Basis eines breiten Spektrums an genossenschaftlichen Rechtsformen mit zum Teil Jahrhunderte alten überlieferten Praktiken der Vermessung, des Einschlagens sowie Regelungen zur Verteilung des Holzes.

Nürnberger Epitaphienkultur

Die reich gestalteten metallenen Relieftafeln auf den liegenden Grabsteinen der Nürnberger Friedhöfe St. Johannis und St. Rochus machen diese zu einem wichtigen Erinnerungsort und geben Zeugnis über die bis ins 16. Jahrhundert zurückreichende Nürnberger Epitaphienkultur. Die historischen Neuschöpfungen und Neuinterpretationen stellen eine moderne Form der Trauerarbeit dar.

Oberpfälzer Zoiglkultur

Charakteristisch für die Oberpfälzer Zoiglkultur ist das gemeinschaftliche Brauen im lokalen Kommunbrauhaus sowie der von intensiver Kommunikation begleitete Ausschank und Konsum des handwerklich gebrauten Bieres bei (Laien)Wirten. Die traditionell geringen Produktionschargen bedingen einen nur temporären Ausschank in wechselnden Lokalitäten. In der Oberpfalz lassen sich Belege für das Kommunbrauwesen und die Zoiglkultur bis in das Jahr 1415 (Neuhaus) zurückverfolgen.

Schafhaltung in Bayern

Als traditionelle Form der Tierhaltung hat die Schäferei gerade auch in Bayern seit Jahrhunderten eine prägende Wirkung auf verschiedene Kulturlandschaften (Wacholderheiden, Trocken- und Magerrasen) mit gegenwärtigen Schwerpunkten in Franken und Schwaben. Heutzutage im „Landesverband Bayerischer Schafhalter“ mit seinen rund 1.500 Schafhaltern organisiert, lassen sich die Schäfervereinigungen auf die seit dem 15. Jahrhundert belegbaren Schäferzünfte zurückführen. Für den sozialen Zusammenhalt von zentraler Bedeutung sind vielfältige tradierte Brauch- und Festformen wie Schäferläufe, Hütewettbewerbe oder Schäfertänze.

Die Weihnachtsschützen im Berchtesgadener Land

Die 17 Mitgliedsvereine umfassenden „Vereinigten Weihnachtsschützen des Berchtesgadener Landes e. V.“ mit über 3.300 Mitgliedern üben den Brauch des Böllerschießens mit ihren Hand- und Schaftböllern aus. Dabei verstärkt der Widerhall im Berchtesgadener Talkessel die akustische Wirkung auf besonders eindrucksvolle Weise. Seit 1666 belegt, findet das Böllerschießen anlässlich hoher christlicher Festtage und aus besonderen Anlässen wie Hochzeiten oder regionalen Festen statt.

Wirken der Nürnberger Naturhistorischen Gesellschaft

Die Nürnberger Naturhistorische Gesellschaft vereinigt einen aufklärerischen Vermittlungsimpetus mit einer breitenwirksamen, auf ehrenamtlicher Basis gründenden Vermittlungsarbeit. Neben der Tradierung historischer Sammlungen stehen eigene Schwerpunkte im Sinne einer „Citizenscience“ im Mittelpunkt, womit die Aktivitäten an der Schnittstelle von akademischer Wissenschaft und bürgerlicher Wissensgenerierung stehen.

Erhalt der Jurahäuser

Der Erhalt der traditionellen Baukultur von Jurahäusern im Altmühltal, von denen sich noch etwa 3.000 erhalten haben, stellt vor allem handwerklich eine große Herausforderung dar. Die historischen Jurahäuser sind geprägt durch eine Dachdeckung aus dünnen, nur an einer Kante gerade gehauenen Jurakalksteinplatten und einen schlichten kubischen Baukörper. Der 1984 gegründete Jurahausverein e. V. mit ca. 800 Mitgliedern hat es sich zur Aufgabe gemacht, durch das in Eichstätt gegründete Museum „Das Jurahaus“ und eine Vielzahl von Aktivitäten wie Vorträge, Führungen, Workshops und Publikationen die Erhaltung der regionalen Baukultur zu sichern.

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