Dokumentarfilm „Das System Milch“:
Die Mär von der glücklichen Kuh und das blutige Geschäft dahinter

10.10.2017 | Stand 31.07.2023, 5:37 Uhr
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„Das System Milch“ – Regisseur am 22. September im Cineplex

PASSAU Auf fast jeder Milchpackung prangt das Bild glücklicher Kühe, doch die Wirklichkeit sieht schon lange anders aus. Aus der Milchviehwirtschaft ist eine milliardenschwere Industrie geworden, die dafür sorgt, dass der Milchkonsum weltweit konstant ansteigt. Der Dokumentarfilm „Das System Milch“ wirft einen Blick hinter die Kulissen der Milchindustrie und zeigt eindringlich die Konsequenzen für Menschen, Tiere und Umwelt auf und stellt dar, welche Verantwortung Politik und Verbraucher in einer globalisierten Welt tragen. Am Freitag, 22. September (20 Uhr), ist Andreas Pichler zu Gast im Passauer Cineplex. Die PaWo sprach vorab mit ihm über das System Milch.

Trinken Sie Milch? Nein. Seit Jahren nicht mehr. Ich vertrage sie nicht. Ich esse aber sehr gerne Käse.

Rund 4,3 Millionen Milchkühe leben in deutschen Betrieben. Was ist dran an der Mär von der glücklichen Kuh? Diese Mär stimmt wohl schon lange nicht mehr. Wobei die Stallhaltung, die die am weitesten verbreitete Haltungsform in der intensiven Viehhaltung in Deutschland ist, nicht automatisch bedeutet, dass Kühe misshandelt werden.

Wie lebt eine „Hochleistungskuh“? Eine Hochleistungskuh gibt 10.000 bis 12.000 Liter im Jahr. Also mehr als doppelt so viel wie eine Kuh, die einfach nur Gras oder Heu frisst. Diese Tiere sind sehr sensibel und genetisch auf diese Hochleistung getrimmt. Dazu brauchen sie Turbofutter, das sehr proteinreich ist und meistens aus Getreide, Soja oder Mais stammt. Ein Züchter im Film sagt: „Die sind wie Formel Eins Autos.“ Sie leben knapp fünf Jahre, denn häufig gibt es dann Probleme mit der Fruchtbarkeit und dann werden sie „ausrangiert“, denn ohne Fruchtbarkeit keine Milch gleich keine Existenzberechtigung.

Hohe Selbstmordrate bei Bauern

Warum war Ihnen dieser Film ein Anliegen? Ich wollte mich schon länger mit dem Thema Lebensmittel und unserer Art, sie zu produzieren, beschäftigen. Zum Thema Milch kamen wir ins Gespräch mit einem der Produzenten. Mein Anliegen war es dann, das ganze absurde System, diese skandalösen globalen Zusammenhänge aufzuzeigen, die niemand bei einem so scheinbar so banalen und „unschuldigen“ Produkt wie Milch vermutet.

Was ist für Sie das Schlimmste? Das Schlimmste und für mich wirklich Überraschende – da ich glaubte die Bauernwelt einigermaßen zu kennen – war es diesen brutalen Konkurrenzkampf zwischen den Milchbauern zu sehen, die heute alle einzelne Unternehmer sind. Da gibt es keine Solidarität mehr, mit wenigen Ausnahmen bei Bauern, die sich gegen diese Zustände wehren. Die fressen sich gegenseitig auf, wie es einer der Protagonisten im Film sagt. Nicht zufällig gibt es eine extrem hohe Selbstmordrate bei Bauern.

Sterben Kühe/Kälber wegen Ihrer Haltung? Die Milch-Kühe leben heute im Durchschnitt kaum fünf Jahre, sie könnten ohne Weiteres 15 oder 20 Jahre alt werden. Das hat aber weniger mit der Haltung zu tun, als vielmehr mit der Tatsache, dass sie durch den Stress der ständigen Überproduktion schon nach wenigen Jahren nicht mehr richtig fruchtbar sind und daher für die Milchproduktion nicht brauchbar. In einigen Ländern werden die männlichen Kälber gleich nach der Geburt getötet, da sie „Abfallprodukte“ sind; Milch geben ja nur die weiblichen Tiere. In Europa ist das verboten, wird aber dennoch ab und zu praktiziert.

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