Jetzt wollen sie anderen helfen!
Die Männer mit der „Blech-Stimme“ haben den Krebs einfach weggelacht!

11.07.2017 | Stand 21.07.2023, 5:23 Uhr
−Foto: Foto: Stefan Brandl

Olaf Pint und Rudolf Bauer hatten eine Kehlkopf-Total-OP – Sie wollen Gleichbetroffene wachrütteln

Wenn Olaf Pint (66) und Rudolf Bauer (65) kernige Witze reißen und sich dabei gegenseitig hochnehmen, klingt ihr Lachen, als würde man mit dem Löffel in einer Blechdose scheppern. Das kommt daher, dass die beiden vor dem Sprechen auf einen Knopf drücken müssen, der dort sitzt, wo einst ihr Kehlkopf war. Die beiden Männer hatten Krebs. Und sie haben ihn besiegt. Aber seitdem können sie via Stimm-Prothese nur noch unnatürlich verzerrt wie Roboter reden. Doch die zwei haben ihr Leiden, ihre Probleme, ja den Krebs einfach weggelacht – und diese positive Einstellung wollen sie nun auch anderen Betroffenen vermitteln und dazu eine Selbsthilfegruppe gründen.

Rudolf Bauer aus Obernzell war vor seiner Rente als Elektrotechniker weltweit für Siemens unterwegs. 2009 war er in Dubai, als er plötzlich heiser wurde. Der Gelegenheitsraucher hat das aufs Wetter geschoben, auf die Wüstensandstürme. Als er aber daheim beim Arzt sein „Guten Morgen“ krächzte, war für den Mediziner die Diagnose klar: Das sei Kehlkopf-Krebs verdächtig!

Ähnlich ging es Olaf Pint aus Passau. Er dachte damals, seine plötzliche Heiserkeit wäre wegen Arbeitsüberlastung psychosomatisch. Die Diagnose war schlimmer: Kehlkopf-Krebs! Und das, nachdem er 15 Jahre lang nicht mehr geraucht hatte. Passaus wohl bekanntester Berufskraftfahrer Pint, der jahrzehntelang auf dem Bock in seinen 20-Tonnern und hinterm Steuer eines Busses saß, glaubt daher, dass Diesel-Abgase der Krebsauslöser gewesen sein könnten.

2010 lernten sich Bauer und Pint in der Straubinger Klinik kennen, dort wurde beiden zur gleichen Zeit der Kehlkopf total entfernt – ihre einzige Rettung. Beide lagen im selben Krankenzimmer. Und da haben sich wirklich zwei Originale gefunden! Denn wer glaubte, die Männer würden nach dem schwerwiegenden Eingriff, der den Verlust ihrer Stimme mit sich brachte, sie nichts mehr riechen, nicht mehr essen und nicht mehr anständig atmen ließ, ins tiefe Tal der Depression fallen, der irrte: Sie machten Gaudi, hörten Rockmusik im Krankenbett und trieben ihre Späße mit den Schwestern. Der Auftritt des „irren Gespanns“ im Krankenhausgang mit ihrem „Stehimbiss“ – Nahrungsversorgung per Schlauch-System – ist bis heute Legende am Straubinger Klinikum. Die Ärzte bewunderten die beiden wegen ihrer optimistischen Grundeinstellung im Kampf gegen den Krebs und eine Pflegerin hat sie deshalb sogar als Vorbild in ihrer Abschluss-Arbeit aufgenommen. Aber es gab auch dunkle Tage. „Das Schlimmste waren Chemo-Therapie und Bestrahlung vor der OP“, erinnert sich Rudolf Bauer. Sie verbrannte sein Gesicht, zerstörte seine Zähne, er konnte nicht mal mehr lauwarmes Wasser trinken und magerte zum Skelett ab – für „nix und wieder nix“, wie Bauer heute sagt. Die Folgen von Chemo und Bestrahlung haben ihn bis heute gezeichnet.

Die gleiche Erfahrung mit der chemischen Keule machte auch Olaf Pint: „Diese Zeit war der Horror!“ Aber der Innstädter Faschingsfreund und stadtbekannte Hansdampf in allen Gassen hat seine Frohnatur schnell wieder gefunden: „Ich fühle mich nicht als halber Mensch, nur weil ich ein Loch im Hals habe und mit einem Rückschlagventil leben muss. Man kann damit alles machen.“ Freilich gebe es Probleme – kein Geruchsempfinden, ständige Schleimbildung, schweres Atmen, ja Menschen ohne Kehlkopf dürfen im Sommer nicht baden gehen, weil sie sofort ertrinken würden. „Aber ich bin der Meinung: Das ist halt so, das muss ich annehmen – und schon hat man kaum Einschränkungen“, sagt Rudolf Bauer.

Und diese positive Grundeinstellung fällt auch auf einen zurück: „Noch nie hat mich einer schief angesehen wegen dem Loch am Kehlkopf. Im Gegenteil, jeder kümmert sich wahnsinnig um mich“, schildert der begeisterte Sportkegler Bauer. Olaf Pint stimmt dem zu: „Eine positive Grundeinstellung fegt den Großteil aller Probleme weg!“ Und natürlich gesunder Humor, von dem die beiden Krebs-Betroffenen eine große Menge besitzen: „Wir scheißen uns nix um unser Krebs-Loch!“

Mit Humor geht alles besser? Eine Floskel, die bei den beiden wohl zutrifft – und vielleicht auch den physischen und psychischen Heilungsprozess enorm beschleunigte!

Und diesen Erfahrungsschatz wollen Pint und Bauer zusammen mit ihrem dritten im Bunde, Walter Simböck aus Kirchberg vorm Wald (ein Top-Sportler, der nie rauchte und dem trotzdem der Krebs die Kehle zerfressen hat) mit anderen Gleichbetroffenen in einer Selbsthilfegruppe austauschen. In Stammtischtreffen in zwangloser Runde, bei gemeinsamen Unternehmungen und auch bei Info-Veranstaltungen wollen sie so ein positives Zeichen im Kampf gegen und ein Leben mit dem Krebs setzen.

Denn eines haben alle drei nie getan: sich wegen ihrer Behinderung vor der Gesellschaft versteckt. Olaf Pint: „Wir kennen einige, die ebenfalls eine Kehlkopf-Total-OP hinter sich haben, aber die haben wir nie wieder gesehen. Sie verstecken sich, denken vielleicht nicht daran, dass sie mit ihrem Schicksal nicht allein sein, dass es viele Betroffene in ihrer Nähe gibt. Sie sollen sich nicht verstecken! Diese Menschen wollen wir auf aufwecken und mittragen.“ Und mit ihrem Humor anstecken – für ein sicher besseres Leben…

Info zur Selbsthilfegruppe bei Olaf Pint unter Tel. 0851/36648 oder www.olafpint.de

Passau