Schau auf die Rohre
Die Kanal- und Trinkwassernetze in Niederbayern erhalten

26.03.2019 | Stand 21.07.2023, 12:29 Uhr
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10 bis 15 Prozent aller Abwasserkanäle und Trinkwasserleitungen in Bayern und damit auch in Niederbayern müssen in den kommenden Jahren saniert werden. Sonst könnte eine Zunahme von Schäden und Rohrbrüchen die Bürgerinnen und Bürger unnötig belasten. Neben den Kommunen und Netzbetreibern muss auch die Bevölkerung für die Leitungsinstandhaltung sensibilisiert werden: Die bayernweite Informationskampagne „Schau auf die Rohre“ macht dazu Station in Niederbayern.

PFARRKIRCHEN Beim Aktionstag „Schau auf die Rohre“ erleben Schulkinder, die Bevölkerung sowie Kommunalvertreterinnen und Kommunalvertreter fahrbare Roboter, die im Kanalnetz Schäden aufspüren können. Sie erfahren, wie man durch „Abhören“ Lecks in Wasserleitungen orten kann und wie es möglich ist ein Rohr zu verlegen, ohne den Boden aufzugraben. Die Informationskampagne „Schau auf die Rohre“ wurde vom Freistaat Bayern gemeinsam mit dem Bayerischen Gemeindetag, dem Bayerischen Städtetag und den Fachverbänden der Wasserwirtschaft für den Erhalt der Trinkwasser- und Abwassernetze ins Leben gerufen.

Rund 215.000 Kilometer öffentliche Kanal- und Trinkwassernetze wurden in den vergangenen Jahrzehnten unter Bayerns Städten und Gemeinden verlegt. Diese Länge entspricht etwa dem fünffachen Erdumfang. Die öffentlichen Leitungsnetze stellen in der Regel das größte Anlagevermögen einer Kommune dar. Wert und Zustand der Leitungssysteme sind jedoch kaum in der öffentlichen Wahrnehmung präsent. Ein Schlagloch in der Straße oder bröckelnder Putz an der Schulfassade werden vom Bürgerauge sofort kritisch wahrgenommen. Die Leitungen im Untergrund und besonders deren Zustand sind für die Bürgerinnen und Bürger dagegen nicht unmittelbar sichtbar.

Doch wie bei einem Straßenbelag oder einem Auto ist auch die Lebensdauer von Leitungen begrenzt. Rohre haben ein „Ablaufdatum“ und müssen regelmäßig untersucht und in der Regel spätestens nach 50 bis 80 Jahren – je nach Material und Betriebsbedingungen – erneuert werden. Geschieht das nicht, droht eine Häufung von Schäden und dadurch steigen auch die Kosten. Untersuchungen des Landesamts für Umwelt zufolge müssen 10 bis 15 Prozent der kommunalen Trinkwasser- und Abwassernetze in den kommenden Jahren saniert werden. Dazu kommt ein Sanierungsbedarf im Bereich der privaten Abwasserleitungen – denn ein neuer öffentlicher Kanal nutzt wenig, wenn die damit verbundenen Grundstücksentwässerungsanlagen undicht sind.

Im Rahmen der Informationskampagne „Schau auf die Rohre“ werden der bayerischen Bevölkerung mittels Broschüren, Videos und Veranstaltungen die wichtigen Aufgaben rund um den Erhalt des bayerischen Leitungsnetzes vermittelt. Ein wichtiges Kommunikationsmittel dafür ist die kampagneneigene Website: Von der Prüfung, über die Wartung, bis zur Sanierung und Erneuerung der Netze gibt es unter www.schaudrauf.bayern.de über 100 gute Beispiele aus der Praxis von Kommunen aus allen Regionen des Freistaats. Ausgewählte Kommunen und Netzbetreiber aus Niederbayern zeigen, wie die Instandhaltung von Kanal und Trinkwasserleitungen effizient vorangetrieben werden kann.

Die Stadtwerke Pfarrkirchen investieren aktuell rund 500.000 Euro pro Jahr nur in die Erneuerung der Trinkwasserleitungen. Einzelne Rohre überschreiten hier schon das Alter von 100 Jahren und ein erheblicher Teil des Netzes ist bereits älter als 50 Jahre. Jeder Wasserrohrbruch wird genau in einem IT-System dokumentiert. Wo sich die Schäden häufen, steht eine Leitungserneuerung an. Soeben wurde eine eigene Computersimulation des gesamten Trinkwasserleitungsnetzes erstellt. Der Vergleich von Simulation und gemessenen Fließwerten hilft jene Rohre aufzuspüren, wo Rost und Ablagerungen den Durchfluss bereits behindern. Viele Leitungsbauarbeiten in Pfarrkirchen erfolgen möglichst zusammen mit der Erneuerung von Straßenoberflächen. So koordinierte Baustellen reduzieren nämlich sowohl die Kosten wie auch die Belastung für die Bürger.

Auch das Kanalsystem in Pfarrkirchen erreicht in vielen Abschnitten bald das Alter von 50 Jahren. Um den Zustand der Rohre genau zu prüfen, wird jeder Kanalabschnitt alle 10 Jahre unterirdisch mit einer fahrbaren Roboterkamera untersucht. Innerhalb von 2-3 Jahren werden sodann die entdeckten Schäden behoben. In 80 Prozent der Fälle erneuert man solche Kanäle jedoch, ohne die Oberfläche aufzugraben. Dazu werden beispielsweise harzgetränkte Schläuche (Inliner) über den Schacht in den Kanal eingebracht. Mittels Druck und Hitze härten diese dann binnen weniger Stunden an der alten Kanalwand aus und das neue Rohr im Alten ist wieder für Jahrzehnte funktionsfähig.

Auch Wasserleitungen können erneuert werden, ohne die Oberfläche durchgehend aufzugraben: Die Wasserversorgung Oberes Kollbachtal hat dazu beispielsweise ein gefaltetes Kunststoffrohr (einen sogenannten U-Liner) in eine alte Leitung eingezogen. Die U-Form machte dies möglich, sie verringert nämlich den Rohrdurchmesser. Anschließend wurde unter Druck heiße Luft ins Kunststoffrohr eingeblasen, es faltete sich auf zum neuen Rohr im alten Rohr. An anderer Stelle wurde ein Bohrgerät horizontal durchs Erdreich gedrückt. Zement im Spülwasser festigte das geschaffene Bohrloch und man konnte eine neue Wasserleitung in den unterirdischen Hohlraum einziehen.

Rottal-Inn